~ 45. Kapitel ~

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»Dusk till dawn (Zayn x Sia)«

Pfeifend mache ich mich quer durch das Wohnzimmer auf zu meinem Klavier. Ich freue mich schon wieder richtig darauf, die schwarzen und weißen Tasten unter meinen Fingern zu spüren.

Obwohl ich heute eigentlich schon den ganzen Tag so fröhlich drauf bin. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass ich den ultimativen Plagegeist, Felix, losgeworden bin, der mir schon seit Ewigkeiten auf den Keks geht. Und das war sogar viel einfacher, als ich je geglaubt habe.

Ich meine: Wer hätte gedacht, dass es ausreicht, Felix zu zeigen, dass ich nicht alleine bin, sondern tatsächlich Menschen hinter mir stehen, sogar im wahrsten Sinne des Wortes?

Natürlich hat das sicher nicht alleine geholfen, sondern auch mein ziemlich selbstbewusstes Auftreten. Ich kann es immer noch nicht richtig glauben, dass ich es geschafft habe, so aus mir herauszukommen. Für manche scheint das vielleicht nicht nachvollziehbar zu sein, aber für jemanden, der so schüchtern ist wie ich es bin, ist das echt ein kleines Wunder.

Meine gute Laune, gleich nachdem Felix abgedampft ist, wurde noch nicht mal von meiner Lehrerin bestraft. Für das Zuspätkommen gab es nämlich doch keinen Ärger, denn meine Lehrerin ist selbst zu spät im Raum erschienen und hat so erst Sekunden nach mir den Unterrichtsraum betreten. Ich frage mich manchmal, wie die Lehrer uns erziehen und ein Vorbild sein wollen, wenn sie es selbst nicht auf die Reihe bekommen.

Aber gut, ich will mich nicht beschweren.

Das einzige, was meine Laune noch trübt ist die arme Serafina. Von wegen 'mir geht's gut, alles ist in Ordnung'. Das braucht sie mir gar nicht erzählen, denn so blöd bin ich dann doch nicht.

Ich weiß nur immer noch nicht, wie ich ihr damit helfen kann und dieser Zustand macht mich langsam echt fertig. Ich habe das Gefühl, ich bin eine total miese Freundin.

Ich meine, klar können wir darüber reden und es wird vielleicht sogar ein wenig helfen, aber letzten Endes muss sie damit alleine fertig werden. Mehr, als Anton hassen, können wir halt wirklich nicht tun.

Obwohl ich mir inzwischen eingestehen muss, dass ich ihn sogar ein wenig verstehen kann. Anscheinend war er wirklich so blind und hat nicht mitbekommen, wie Serafina ihn anhimmelt. Und entweder kam das für ihn so überraschend, dass er es einfach nicht richtig verarbeitet und mit der für ihn einzig umsetzbaren Möglichkeit, nämlich Flucht reagiert hat.

Oder, was für ihn weniger peinlich und für mich mehr verständlich wäre: Er sieht in Serafina nur eine Freundin und wirklich nicht mehr als das. Da muss ich sogar zugeben, dass ich es gut finde, dass er ihr nicht sinnlose Hoffnungen gemacht hat. Trotzdem hätte man das auch etwas humaner lösen können, als sie wortwörtlich und im übertragenen Sinne von sich zu stoßen und zu flüchten.

Mit einem Seufzen über diese sinnlosen Gedanken (ist eh schon zu spät) beginne ich mit meiner Klavier-übe-Routine. Ich spiele mich kurz ein, übe danach ein paar klassischere Stücke aus verschiedenen Liederbüchern, bevor ich mich moderneren Songs zuwende und zum Schluss ein bisschen vor mich hinklimpere.

Es ist schon einige Zeit her, dass ich wirklich so intensiv geübt habe.

Das liegt wahrscheinlich daran, dass mein Leben ganz schön turbulent geworden ist und das eigentlich nur wegen eines dummen Schulprojektes. Wenn ich es mir recht überlege, habe ich diesem Projekt im Grunde ziemlich viel zu verdanken. Ohne dieses, wäre ich immer noch schüchtern und zurückgezogen, hätte mich nie länger als zehn Sekunden mit Serafina unterhalten, geschweige denn Joshua kennen gelernt.

Joshua. Mein Bauch kribbelt schon, wenn ich nur an seinen Namen denke.

Er ist einfach etwas besonderes. Nett, freundlich, hilfsbereit. Und dazu sieht er noch gut aus. Außerdem hat auch er einen großen Teil dazu beigetragen, dass ich endlich meine eigene Stimme finde, denn ohne seine aufmunternden Worte und sein Drängen hätte ich mich sicher noch nicht getraut, meine eigene Meinung zu vertreten.

Ich versuche mich wieder darauf zu konzentrieren, was ich gerade mache und diesen bestimmten Jungen aus meinen Gedanken zu vertreiben, dann lehne ich mich zufrieden auf dem Klavierhocker zurück. Trotz dass ich kaum geübt habe, klappt das Spielen noch ganz gut. Es ist wie Fahrradfahren: Man rostet zwar etwas ein, wenn man es nicht mehr so oft macht, aber wirklich verlernen tut man es doch nicht, wenn man es einmal gut konnte.

Nachdem ich ein paar Minuten einfach dagesessen und die absolute Stille genossen habe, klingelt auf einmal unsere Haustürklingel. Verwirrt schaue ich auf die Uhr an der Wand. Meine Eltern können noch nicht von der Schicht zurückkommen, das heißt, es muss jemand anderes sein.

Mit einem von Grund auf schlechten Gefühl stehe ich auf und mache mich auf den Weg zur Tür.

Und natürlich ist kein Gespür dahingehend wieder mal richtig, denn als ich in bekannter Manier die Tür öffne und freundlich "hallo" zu meinem Gegenüber sage, frieren meine Gesichtszüge ein. Ich starre ihn einen Moment an, als wäre auf seiner Nase ein Alien gelandet, bevor ich mich herumdrehe und wieder mein Haus betrete. Dann schließe ich die Tür mit einem Knall hinter mir.

Anton. Was will der denn hier? Mit dem will ich eigentlich gar nichts mehr zu tun haben.

"Dein Ernst?", höre ich von draußen und im nächsten Moment ein lautes klopfen gegen die Tür. Unwirsch beiße ich mir auf die Lippe. Wenn ich nicht so neugierig wäre, würde ich einfach weg gehen und ihn rufen und klopfen lassen, wie er will.

Noch einmal ertönt das laute Hämmern, weswegen ich meiner Neugier nachgebe und die Tür mit so einem Schwung aufreiße, dass sie fast gegen die Wand schwingt. "Ja das ist mein Ernst.", fauche ich, bevor mir eigentlich erst so richtig auffällt, wer da vor der Tür steht und was er mir und anderen in letzter Zeit angetan hat.

Ich kann es nicht mal selbst steuern, so schnell haue ich ihm die Tür erneut vor der Nase zu. Jedoch fällt sie dieses Mal nicht ins Schloss, sondern knallt mit vollem Karacho und einem dumpfen Geräusch vor Antons Fuß, den er ganz schnell zwischen Tür und Rahmen gestellt hat. Anton stöhnt schmerzhaft auf und hält sich die Hand an den Kopf. "In Filmen sah das immer so lässig aus.", bringt er hervor und beugt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht herunter zu seinem Fuß.

"Scheiße, sorry.", sage ich, bevor ich es verhindern kann und könnte mich siebst Ohrfeigen. Wieso entschuldige ich mich bei dem?

Er wirft mir einen verwirrten Blick zu, in dem sich die gleiche Frage spiegelt. "In den Filmen waren sie wohl nicht wütend genug, um die Tür tatsächlich zuzuknallen.", meint er dazu nur und richtet sich langsam auf, bevor er über die Schwelle eintritt.

"Jetzt, da ich nicht mehr weg kann, musst du mich anhören.", bettelt er schon fast und ich merke, wie ich nachgebe. So kann ich ihn einfach nicht weg schicken, egal wie sehr ich ihn nicht leiden kann.

Das würde mich ja nur zu der Sorte Mensch machen, zu der er auch angehört.
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Anton ist wieder da :D bald werdet ihr wohl erfahren, was los ist... irgendwelche Ideen? :3

Mein Name ist Rosa.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt