~ 42. Kapitel ~

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»Drama (AJR)«

Serafina fängt mich unten an der Treppe ab. "Die Pizzen sind gerade angekommen.", erklärt sie mir, mit leuchtenden Augen, doch ich zucke nur mit den Schultern.

"Ich hatte zwar mit ein wenig mehr Begeisterung gerechnet, aber gut." Sie schaut fast gekränkt aus, als sie das so sagt, wendet sich jedoch gleich darauf ab und ruft nach Joshua. Schnell verdrücke ich mich nach drinnen. Ich will eigentlich mit gar keinem mehr reden. Ich will auch gar nicht mehr hier sein.

Aber irgendetwas hält mich hier. Vielleicht ja die Pizza, ich weiß es nicht.

Ich würdige Anton keines Blickes, als ich das Wohnzimmer wieder betrete und mich auf die Couch, ihm gegenüber fallen lasse. Bloß nicht neben ihn setzen. Es dauert zum Glück nur wenige unangenehme Sekunden, da kommt Serafina mit den vier Pizzakartons zu uns und stellt sie auf dem kleinen Tisch in der Nähe ab. Glücklich lässt sie sich daraufhin neben Anton fallen und lächelt auch mir zu.

Ich sage einfach nichts. Auch nicht, als Joshua still zu uns geschlichen kommt und sich ohne ein Wort neben mich fallen lässt.

Es herrscht Stille, während einfach jeder an seiner Pizza nagt. Die einzige, der es gut zu gehen scheint, ist Serafina. Sie durchbricht die Stille immer mal mit ein paar smalltalk Fragen, wie "Schmeckt es euch?", aber keiner von uns antwortet ihr wirklich. Sofort verfallen wir wieder in dieses unangenehme Schweigen.

Irgendwann ist jedoch auch das letzte Stück verspeist und wir haben keine Ausrede mehr, um Serafina aus dem Weg zu gehen. Sie schaut ein letztes Mal mit gerunzelter Stirn in die Runde, knallt mit einem Mal ihren leeren Pizzakarton auf den kleinen Tisch, so dass ich mich total erschrecke und springt auf. "Du. Mitkommen.", befiehlt sie, mit Blick auf mich und rauscht aus dem Zimmer.

Ok? Was war das denn?

Zögerlich stehe ich auf und folge ihr nach draußen. Das kann ja was werden. Ich laufe ihr hinterher, bis sie in ihrem Zimmer angekommen ist. Sie stemmt beide Hände links und rechts in die Hüften und ich schrumpfe förmlich unter ihrem Blick. "Was ist passiert? Hat Joshua es verbockt?"

Ein kleiner Teil in mir ist erleichtert, dass Serafina an der miesen Stimmung im Wohnzimmer wohl nicht mir die Schuld gibt, sondern ihrem Bruder. Ein weiterer Teil in mir, will über das Geschehene überhaupt nicht reden, gerade auch weil es eben ihr Bruder ist und der Teil, der noch übrig bleibt, will darüber reden und wissen, was Serafina davon hält.

Hallo Zwickmühle.

Noch bevor ich jedoch so richtig drüber nachdenke, siegt der dritte Teil und ich plappere einfach drauf los. Ich versuche ihr so gut es geht zu erklären, wie ich mich auf einmal bei Joshua gefühlt habe, ohne, dass ich ihr Vorwürfe mache. Denn irgendwie hat sie ja mit ihrer umstyling Aktion den Stein erst ins Rollen gebracht.

Während meiner Geschichte hält Serafina ihre Klappe und lässt mich alles von vorne bis hinten erklären, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Als ich fertig bin, schaue ich sie erwartungsvoll an, doch sie seufzt nur und lässt sich auf den Boden sinken, bevor sie sich mit dem Rücken gegen ihren Schrank lehnt.

Verwirrt folge ich ihrem Beispiel und setze mich neben sie.

"Hätte ich gewusst, dass die neuen Klamotten so einen Stress verursachen, hätte ich das doch gelassen.", beginnt sie und starrt auf ihre Finger, bevor sie zögerlich weiter redet. "Es war schwer für mich, dich so zu akzeptieren, wie du bist. Ich wollte nicht, dass irgendjemand mich mit dir so sieht, wie du damals noch ausgesehen hast, weil das überhaupt nicht in das Bild von mir gepasst hätte, weißt du? Aber eigentlich ist es ja vollkommen egal, was andere Leute denken."

Ich beobachte sie dabei, wie sie beim Sprechen den Lack von ihren Fingern kratzt. Anscheinend fällt ihr das hier ziemlich schwer, sonst müsste sie nicht auf solche nervösen Handlungen zurückgreifen.

"Andererseits hat dir dein neues Aussehen so viel Selbstvertrauen geschenkt! Wer hat Anton die Meinung gegeigt, als er dich beim Klettern geschubst hat? Das warst du, ohne dass jemand anderes für dich geredet hat."

Ich blinzele ganz langsam. So habe ich die ganze Sache noch gar nicht betrachtet.

"Neue Klamotten machen noch keinen neuen Menschen. Du bist doch immer noch du.", sie hebt zum ersten Mal wieder ihren Blick und schaut mich direkt an.

"Es tut mir leid, dass ich dich verändern wollte. Du kannst dich gerne wieder so anziehen, wie früher, wenn es dir damit besser geht."

Ich lasse ihren Redeschwall auf mich wirken und schüttele langsam den Kopf. Ihre Worte bekräftigen mich und bauen mich auf. Ich bin doch eigentlich die alte Rosa in einer komplett neuen Rosa. Ich traue mich endlich, meine Meinung zu sagen und mein Aussehen trägt dazu bei, dass ich mich unter anderen Leuten wohl fühle. Was ist also so schlecht an der neuen Rosa?

Serafina hat total Recht, es ist eigentlich egal was andere sagen, Hauptsache ich fühle mich wohl, so wie ich bin.

"Und mein Bruder mag dich, egal wie du jetzt aussiehst. Da kannst du mir vertrauen.", hängt sie noch dran und zwinkert mir zu.

Ein fettes Lächeln zieht sich über mein Gesicht. Sie hat recht. Sie hat so recht. Es ist als würde mir eine Last von der Seele fallen. Ich hätte nie gedacht, dass das alles doch so belastend für mich war, möge es doch so lächerlich klingen, sich solche Gedanken zu machen. Aber da kommt wohl die alte, unsichere Rosa wieder durch.

"Ich behalte die Sachen. Obwohl ich sicher mal wieder auf meine Brille zurückgreifen werde.", grinse ich ihr zu. Auch ihr scheint ein Stein vom Herzen zu fallen, dass ich nicht sauer auf sie bin, sondern alles locker hinnehme. Was hätte ich auch für ein Recht, sauer zu sein? Meiner Meinung nach sollte man jedem noch eine Chance geben, der sich aufrichtig entschuldigt.

Außer vielleicht Anton. Bei dem wäre schon etwas mehr als eine Entschuldigung nötig, damit ich mich wieder mit ihm vertrage.

Da fällt mir noch was ein. "Nicht böse werden.", beginne ich und hoffe darauf, dass sich Serafina an ihr Nicken hält, das auf diesen Satz gefolgt ist. "Ich habe Joshua erzählt, dass du Anton magst."

Ich mache die Augen zu und hoffe auf ein Donnerwetter, welches hoffentlich nur klein ausfällt.

Aber mit einem lauten Lachen hätte ich so gar nicht gerechnet.

"Zum Glück. Ich hatte nämlich schon ein total schlechtes Gewissen. Ich habe nämlich Anton erzählt, dass du auf Josh stehst."

Auch ich muss nun lachen. Wir können wohl beide keine Geheimnisse bewahren.

"Damit kann ich leben.", grinse ich und genau in dem Moment wird mir eigentlich erst so wirklich klar, dass Serafina wieder mal ins Schwarze getroffen hat. Ich mag Joshua.

Wie merkwürdig, dass mir das vorher gar nicht so bewusst gewesen ist.

Ein warmes Gefühl breitet sich in mir aus und ich atme einmal lange aus.

Auch Serafina ist wieder still geworden. Sie beobachtet mich und ich weiß, dass sie ganz genau weiß, was in mir vorgeht.

"Sei mutig und zeig ihm, dass du ihn magst!", rät sie mir und bestätigt mich in meiner Annahme.

Ich überlege kurz. "Ich weiß nur nicht, wie."

Sie schaut mich einige Sekunden an, bevor sich einer ihrer Mundwinkel nach oben zieht und sie mich erwartungsvoll, fast schon keck angrinst.

"Dann zeig' ich es dir."
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Was meint Serafina wohl damit? :D und endlich hat es Rosa auch mal gerafft...

Mein Name ist Rosa.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt