26.

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Josh

Verwirrt blickte Tyler abwechselnd in die Augen seiner Tante und in meine. Der Wind vor dem Fenster hatte schlagartig angefangen laut über den Parkplatz zu pfeifen. Kleine Regentropfen schlugen gegen die Glasscheibe.

"Kommt schon. Wo sind sie?" Er hakte nochmals nach. Lauter und fordernder als zuvor. "Die sind mit deinen Geschwistern noch zu Hause. Sie hatten sich eigentlich erhofft, dass du... nach Hause kommst." Marie hatte ihm ruhig und locker geantwortet. Dennoch hatte sie drei gewisse Worte nicht über die Lippen gebracht. Ein letztes Mal.

Ich hatte mich vor ein paar Stunden nochmals mit dem leitenden Arzt ausgetauscht. Er meinte, dass er noch nie einen Patienten hatte, der einen solch außergewöhnlich schnell wachsenden Tumor hatte. Mit viel Glück würde mein Freund den Übergang in das neue Jahr miterleben. Von wegen noch ein Jahr.

Tyler hatte während unserem Gespräch seelenruhig geschlafen. Träumte von Dingen, die er wohl möglich nie mehr erleben würde. Allein dieser Gedanke schnürte mir den Hals zu.

Versuchte, jeden Moment mit ihm zu genießen.

"Habt ihr das schon mit meinem Arzt abgeklärt." Die anwesende Frau nickte, grinste ihren Liebling fröhlich- fast gar aufmunternd- an. Die dunklen Augen meines Freundes funkelten vor Freude auf. Tastete nach dem Rollstuhl und den großen Teddy. Er lehnte sich sehr weit zur Seite, was mir eine Heidenangst verpasste. Noch bevor Tyler aus dem Krankenhausbett fallen konnte war ich ihm zur Seite gestanden und half ihm. Hob ihn leicht nach oben um ihn anschließend behutsam in das Gefährt zu setzen.

"Ich bin dann mal an der Rezeption und rede nochmal mit deinem Arzt." Mit diesen Worten hatte Tyler's Tante den Raum verlassen.

Jetzt befanden wir uns zu zweit in diesem Zimmer, beide unfähig etwas zu sagen. Wollten beide nicht emotional werden. Nicht heute. Ich wusste, wie sehr Tyler an seiner Familie hing. "Josh? Könntest du mir meine Tasche geben und mich ins Badezimmer schieben?" Er grinste mich
Leicht verlegen an. "Meine Arme sind gerade ziemlich schwach." Nickte nur, tat was er von mir wollte.

Es war ein angenehmer Mittag. Die Sonne schien hell und anmutig, erwärmte den kalten Straßenbelag. Der Wind blies angenehm, brachte orangene und gelbe Blätter zum fallen. Der Regen setzte wieder aus. Tyler sog alle Eindrücke in sich auf als ich ihn die kleine Rampe nach unten schob. Er war froh das Krankenhaus, auch wenn nur für ein paar Stunden, verlassen zu dürfen.

Seine Tante stolzierte anmutig neben uns her, blickte des Öfteren auf ihren Neffen herab. Ihre Augen wirkten eingefallen und trüb, als hätte sie letzte Nacht keine Minute geschlafen. "Marie, wo steht dein Wagen?" Schnell zeigte sie nach links. Drehte Tyler in diese Richtung. Versuchte die bemitleidenden Blicke der anderen Personen zu ignorieren als ich ihn weiter die Straße entlang schob. Konnte spüren wie er mit jedem Meter ruhiger und entspannter wurde.

"Ach Tyler, das hätte ich fast vergessen. Zwei deiner kleinen Freunde kam heute morgen vorbei. Wie hießen sie nochmal?" Die etwas ältere Frau schnipste nachdenklich mit den Fingen ihrer rechten Hand während sie mit der anderen ihren Wagen aufschloss. "Georg? Nein. Ge- Ach sein Freund hieß Frank." Tyler zog verwundert die Augenbrauen nach oben. "Meinst du Gerard?" Ein schnelles nicken. Hörte, wie ein kleiner Vogel auf einem knarzenden Ast landete.

"Hat er dir etwas gegeben? Einen Zettel oder sowas?" Ein weiteres nicken. Wusste nicht wovon er sprach. Wenn Tyler wollte, dann würde er mir erzählen um was es ginge. "Er hat mir einen Brief gegeben und meinte, dass nur du ihn lesen darfst. Ich hab ihn extra mitgenommen. Setzt euch schon mal rein."

Öffnete die Beifahrertür bevor ich mit meinen Armen Tyler's schwachen Körper zu mir nach oben zog. Drückte ihn leicht gegen die Tür, sodass er einen einigermaßen stabilen Stand besaß. Er lächelte, blickte mir tief in die Augen.

"Ich hoffe es macht dir nichts aus, dass ich dir in das Auto helfe." "Warum sollte es mir was ausmachen?" Seine Antwort kam nur gehaucht bei mir an. Verpasste mir eine Gänsehaut. Bevor ich darauf reagieren konnte spürte ich, wie er mir erst einen sanften Kuss auf die Stirn, anschließend auf die Wange gab. Als seine Lippen fast auf meinen lagen zogen er seinen Kopf nach hinten. Grinste ihn glücklich an. "Kommt schon ihr Turteläubchen, gehen wir nach Hause."


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Nicht mein bestes Kapitel aber man braucht halt auch mal einen "Lückenfüller". Hoffe, dass es euch trotzdem irgendwie gefällt.

I will not kiss you-Joshler (German)Where stories live. Discover now