| 47. PRIVATE SESSIONS

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Ich nickte, auch wenn mein Magen vor Aufregung Purzelbäume vollführte, löste mich wehmütig von ihm, und sah mich ein letztes Mal im Warteraum um.

Niemand beachtete mich; die anderen Tribute hatten bereits nach Glimmers Abgang aufgehört zu starren und schienen sich nun eher auf sich zu konzentrierten, als zu bemerken, was sich um sie herum abspielte. Natürlich galt das nicht für Finch, deren Augen mich so abschätzend durchbohrten, dass ich fröstelte.

Cato stupste mich in die Seite und nickte zum inzwischen hochgefahrenen Gitter.

»Viel Glück, Clove.«

Mein Mund verzog sich zu einem kleinen Lächeln.

»Dir auch«, murmelte ich, bevor ich meine schweißnassen Hände an meiner Hose abwischte und auf das Gitter zumarschierte.

Zügigen Schrittes ging ich hindurch.

Ich warf keinen Blick zurück - hätte ich es getan, hätte ich vielleicht nicht den Mut gehabt, weiter in die Halle hineinzugehen, sondern wäre umgedreht, und hätte mich in Catos starken Armen verkrochen.

Doch das funktionierte nicht.

Nicht hier.

Nicht mehr.

Das Training war vorbei; die Vorführung bei der Parade war Geschichte. Morgen standen die Abschlussinterviews an, heute musste ich mich durch die Einzelbewertungen kämpfen.

Im ersten Teil der Vorbereitung war Teamarbeit eine Option gewesen; auch im letzten Teil der Spiele würde sie eine große Rolle spielen. Doch den Mittelteil musste ich allein hinkriegen; hier zählte mein Können, mein Wissen, und meine Ausstrahlung.

Zum ersten Mal lag der Fokus ganz allein auf mir.

Ich konnte es mir nicht länger leisten, mich hinter meinen Freunden zu verstecken.

Die Zeit für Klagen war endgültig vorbei.

Jetzt ging es um alles oder nichts - und ich durfte kein kleines Mädchen mehr sein.

DAS ERSTE, DAS ich bemerkte, kaum, dass meine Füße den Boden der Trainingshalle berührten, war der durchdringende Geruch nach Desinfektionsmitteln.

Ich konnte nicht gerade behaupten, dass dies mein Lieblingsduft war; trotzdem empfand ich in jenem Moment eine gewisse Dankbarkeit nicht vom kupfernen Gestank nach Blut überwältigt zu werden, wie es in Distrikt zwei üblich war, sobald ein Prüfling die Arena - eine kreisrunde Fläche, ausgelegt mit grobkörnigem Sand und feinen Sägespänen - betrat.

Besonders zum Ende des Schuljahrs, wenn die großen Abschlussprüfungen, die sich meist über mehrere Wochen hinzogen, anstanden, traf man mehr als zwei Drittel der ganzen Schülerschaft auf der Krankenstation an.

(zehn andere würden nie wieder eine prüfung ablegen; würden nie wieder von ihren lieben umarmt werden, würden nie wieder die glückwünsche ihrer mitschüler entgegennehmen - denn ihr zuhause war nun der trostlose kleine friedhof hinter dem akademiegelände, wo sie kalt und still in ihren särgen aus stahl ruhten.)

born to die ✘ the hunger games [1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt