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Mein Vater streckte seinen Kopf durch den Türspalt. Er sah wach aus und gleichzeitig zerknittert. Vermutlich war seine Nacht nicht so ruhig wie meine.
,,Guten Morgen Saphire. Möchtest du mit Joggen gehen? Wir haben noch keinen Kaffee im Haus und ich könnte schwören, ich habe gestern einen Bäcker hier in der Nähe gesehen." Ich nickte ihm zu, das ich einverstanden war und zeigte ihm mit der Hand eine fünf, um ihm zu symbolisieren, das ich in fünf Minuten unten war. Ich streckte mich einmal und warf die Bettdecke zum Bettende. Die Jogginghose von gestern lag zusammengefaltet neben meinem schwarzen Koffer. Ich zog sie an und kramte nach einem weiten Top. Fertig angezogen ging ich ins Bad und machte mich frisch. Meine Haare band ich erneut zu einem Pferdeschwanz. Das kalte Wasser aus dem Hahn kühlte und erfrischte mein Gesicht zugleich. Ich wusch mir die kleinen Tröpfchen ab und schlenderte runter in den Wohnbereich.

Mein Vater saß nervös an dem Tresen der Küche und wartete ungeduldig auf mich. Seine Füße wippten nervös auf und ab am Hocker. Ich grinste ihn an, da er aussah, als wäre er auf Kaffeeentzug. Ohne das Koffein am Morgen, konnte er schlecht den Tag überleben.
,,Schön das du mitkommst. Ich dachte du würdest nein sagen, wie in Frankreich." Freude, als auch Trauer spiegelten sich in seinen Worten nieder. Es versetzte mir einen kleinen Stich ihn so zu sehen.
,,Nein. Ich muss dringend wieder anfangen mehr Sport zu treiben. Außerdem kann ich zu Kaffee schlecht nein sagen." Ich wollte ihm nicht direkt zeigen, das ich froh bin mit ihm wieder laufen zu gehen. Ich wollte ihn noch etwas zappeln lassen. Es reichte ihm. Ein kleines Lächeln umspielte sein markant, gebräuntes Kinn. Im Gegensatz zu mir ist er wirklich braun, so wie auch der Rest meiner Familie. Mir fielen die Worte von Maxime wieder ein.

Ich bin nicht ihre richtige Schwester.

Er schnappte sich sein Portemonnaie, ging fast schon hüpfend zur Haustür und winkte mich durch diese, was mich wieder in die Realität holte. Er gab die Richtung an, in der wir unsere Joggingtour starteten. Nach einem nicht allzu langen Sprint hielten wir abrupt an.
,,Wir haben schon wieder das dehnen vergessen." Ich musste lachen. Wir vergaßen fast immer das Aufwärmen der Muskeln. Es hatte sich nichts geändert. Mein Vater konnte selbst ein Lachen nicht unterdrücken. Es tat gut ihn so zu sehen. Wenn wir zusammen sind, ist er anders als alle ihn sonst kennen. Das Gefühl von Vertrautheit kam langsam zurück. Es fühlte sich beinahe so an, wie vor dem Umzug und ich wusste, das Papa glücklich ist. Jetzt in diesem Moment. Allein die Tatsache, das ich mitgekommen bin, hat seine Laune um einiges gesteigert.
Da ich wusste wo wir lang laufen wollten, tat ich so als würde ich mich weiter dehnen wollen. Allerdings lief ich los, sobald ich sah, wie mein Vater in die Kniebeuge ging.
,,Du kriegst mich nicht." Ich rief ihm dieses lachend zu, als ich sah wie er erschrocken hochsah und seine Aufholjagd gegen mich startete. Zu meinem Entsetzen, war mein Vater fitter als ich. Mit wenigen Schritten, hatte er mich eingeholt. Verdammt, das war nicht geplant. Ich fühlte mich innerlich leicht gedemütigt, bei der Tatsache, das mein Vater schneller ist, als seine junge Tochter. Ich wurde langsamer, um mich etwas zu erholen. Immer wieder konnte ich, das leichte stechen in den Seiten spüren. Wie ich es bereute nicht mehr Sport gemacht zu haben. Mein Vater lief ohne eine Miene zu verziehen, die Strecken, während ich lieber mich auf die nächste Bank legen möchte. Wir sagten nichts, vermutlich hätte ich auch keinen vernünftigen Laut aus mir raus bekommen. Er lief einfach schweigend neben mir her. Papa hatte Recht, wir kamen nur kurze Zeit später an einem Bäcker vorbei. Wir beschlossen allerdings unsere Runde zu beenden und auf dem Rückweg daran zu halten. Ich korrigiere, er wollte den Rest zu Ende laufen, ich konnte einfach nur kein Nein zwischen meinen Lippen hervorbringen. Ich versuchte mich neben dem Laufen auf die Umgebung zu konzentrieren. Port Candling war schön. Es war keine allzu große Stadt. Sehr naturell und nicht mit Wohnblöcke vollgestopft. Zumindest der Teil von Port Candling in dem wir lebten. Jedes Haus, hatte seinen eigenen schönen Garten. Alle individuell gestaltet, nach den Vorlieben ihrer Besitzer. Der Asphalt und der Bürgersteig, schienen wie neu gelegt und gepflastert zu sein. Es wirkte wie eine Allee, rund herum war die Straße mit Bäumen umwachsen, die die Sonne an einigen Stellen Einhalt gewährten. Uns fremde Menschen winkten uns zu und begrüßten uns herzlich. Es war schon fast unheimlich, das sie wussten das wir neu hergezogen waren und anstrengend zugleich immer wieder anzuhalten. Seitenstechen machten sich dadurch bemerkbar bei mir, vom kleinen Stechen war nicht mehr die Rede. Die Menschen waren alle sehr freundlich, wobei ich schwören konnte, das einige mich beäugten, als wäre ich die Pest. Aber sie sagten nichts, da mein Vater immer dicht neben mir stand. Es war kurz nach zehn als ich auf die Uhr schaute. Mittlerweile müsste auch meine Mutter aufgestanden sein. Mein Vater schien ebenfalls auf die Uhr geschaut zu haben, denn er schlug vor die Joggingrunde für heute zu beenden. Ich war ihm alles andere als böse und ließ mir das nicht zweimal sagen. Erleichtert endlich meine Schritte verlangsamen zu können, viel mir auch das Atmen leichter. Ab jetzt muss ich wieder öfters joggen, das steht definitiv fest. Eine weitere Niederlage gegen meinen Vater vertrug ich nicht. Meine Kondition ließ nach und ich spürte wie mein Herz verzweifelt nach Blut pumpte und meine Lunge nach Sauerstoff flehte. Ich musste mich wohl oder übel geschlagen geben. Fürs erste. An unserer Haustür schlug er ab. Auch er musste keuchen, war allerdings immer noch in der Lage gerade zu stehen. Er schloss die weiße, halbdurchsichtige Tür auf und ich ließ mich luftringend am Esstisch nieder. Aus dem Augenwinkel konnte ich meine Mutter sehen, die scheinbar gereizt an der Küche lehnte. Sie trug eine weiße Jeans und eine bordeauxfarbende Bluse, die sie in die Jeans gequetscht hatte. Sie war nicht annähernd so elegant angezogen wie gestern, aber mit dem strengen, zurechtgelegten Dutt immer noch übertrieben. Widerwillig gab sie meinem Vater einen Kuss auf die Lippen und nahm ihm die Brötchen und Lebensmitteltüte ab.

,,Du solltest duschen gehen. Am besten ihr beide. Ihr riecht sehr streng und wir müssen bald los ins Möbelhaus. In dem Zustand könnt ihr euch unmöglich in der Öffentlichkeit weiter sehen lassen." Ihr hochnäsiger dominanter Ton, könnte mich manchmal echt zur Weißglut bringen.
,,Danke für die Brötchen hätte auch gereicht. Wir haben immer noch genug Zeit." Wenn es um seinen Sport geht, konnte Papa manchmal etwas gereizt sein. Vor allem wenn man ihn nicht toleriert. Er war nicht wirklich sauer, aber genervt trifft es wohl eher. Meine Mutter konnte aber auch echt anstrengend und bestimmend sein. Manchmal frage ich mich, ob sie absichtlich Streit anfangen möchte. Mein Vater beließ es dabei und ging wie befohlen ins Badezimmer. Wir hatten zwar vorhin beim Bäcker einen Kaffee getrunken, aber aus reiner Provokation kramte ich in der Tüte nach dem löslichen Kaffee. Er wird vermutlich furchtbar schmecken aber wir wollten nicht mit vollen Kaffeebechern zurück gehen. Erst jetzt viel mir auf das wir auch Kaffeebohnen hätten kaufen können, denn ein vollwertiger Automat war in der Küche bereits installiert.
,,Kannst du nicht erst duschen, bevor du dir einen Kaffee machst?" Provokation geglückt. Ich schaute sie schelmisch grinsend an. Ich konnte förmlich spüren wie sie anfing innerlich zu brodeln. Wütend auf mich plusterte sie sich auf und setzte ihre Hände an die Hüften.
,,Nein. Ich trinke ihn jetzt und gehe dann duschen." Aus der eben noch eleganten Frau ist eine fast furchteinflößende Furie geworden. Sie musste sich in einem unbeobachteten Moment durch die Haare gegangen sein, denn eine Haarsträhne ist ihrem perfekt frisierten Dutt entflohen. Der Knopf der Maschine blinkte grün. Ich ließ das fertig gekochte Wasser in meine Tasse ein. Das klare Wasser verfärbte sich bei der ersten Berührung mit dem Boden in eine braune Plörre.

Ohne den Blick von meiner Mutter abzuwenden, setzte ich mich auf einen Thekenhocker und führte die heiße Tasse zu meinem Mund. Anschließend öffnete ich meinen Pferdeschwanz und ließ meine Haare locker über die Schultern fallen. Eine leichte Röte konnte man in ihrem Gesicht erkennen. Sie war nun völlig geladen. Es passte ihr alles nicht in ihren Plan. Ich sagte aber nichts und nippte schweigend an meinem Kaffee. Nervös schaute sie auf ihre goldene, mit kleinen Diamanten besetzte Armbanduhr.
,,Danach gehst du aber duschen, sonst kannst du dir deine Möbel selbst finanzieren." Ich rollte die Augen und spielte gelangweilt von ihren Theater mit einer Haarsträhne.
,,Das du dir auch immer so einen Stress machen musst. In einer Woche geht erst die Schule für uns los und Papas Firmeneröffnung findet auch erst nächste Woche statt."
,,Darum geht es nicht. Es wurde ein Umzugswagen vor dem Möbelhaus bestellt, die zeitig abfahren und so länger wir hier im Haus verbringen, umso weniger Zeit bleibt uns Möbel auszusuchen."
,,Dann bestellt ihr die auf später. Sonst gibt ihr das Geld auch mit vollen Händen aus."
,,Darüber diskutieren wir nicht. Der Umzugswagen kommt zur angegebenen Zeit und gut. Geh duschen. Jetzt."
Meine Mutter nahm mir die Tasse ab und kippte den Rest in die Spüle. Fordernd zeigte sie auf die Treppe und beäugte mich mit strengem Blick. Eigentlich wollte ich nicht nachgeben aber mein Vater kam in den Wohnbereich zurück. Er stand hinter seiner Frau und deutete verständnisvoll mit einem Nicken zur Treppe, das ich hochgehen sollte. Er verdrehte die Augen und grinste kurz auf. Ich wollte die gute Stimmung zwischen meinem Vater und mir nicht wieder anspannen, sodass ich seiner Forderung nachging.

Blut einer Elfe - Erwacht Where stories live. Discover now