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Der Ausblick den uns die Terrasse bot, war unglaublich. Maxime und ich schauten uns in alle Richtungen um. Die Luft war so frisch, eine Brise umspielte meine Haare. Ich sog sie ein und ein Gefühl der Freiheit schlich sich in meinem inneren zum Vorschein. Es war immer noch nicht kalt, sodass wir uns am Geländer hinsetzten und unsere Füße am Dach runterbaumeln ließen. Maxime holte aus ihrer Jackentasche eine Zigarettenschachtel hervor und bot mir großzügig eine an.
,,Seit wann rauchst du? Wenn Mama das mitbekommt. Sie bringt dich um." Ich war geschockt. Ich hatte keine Ahnung, das sie rauchte. Sie ist doch nen e kleine Schwester.
,,Reg dich ab. Alle in meinem Alter fangen mit dem Rauchen an. Was ist schon schlimmes dabei." Maxime zuckte mit den Schultern und kramte in ihrer anderen Jackentasche vermutlich nach einem Feuerzeug.
,,Es ist gefährlich. Rauchen kann tödlich sein, steht doch auf jeder Packung. Außerdem ist der Geruch schon widerlich und du hast meine erste Frage nicht beantwortet. Seit wann rauchst du?" Ich durchbohrte sie mit meinem Blicken.
,,Seit Nicole angefangen hat mit den Jungs aus deinem Jahrgang abzuhängen. Sie hielten mich immer für kindisch und unerwachsen. Also habe ich wie Nicole angefangen zu rauchen und plötzlich gehörte ich zu ihnen. So ist nun mal der Kreislauf der Highschool. Wenn du dazugehören willst, musst du auch etwas machen, was einem selbst vielleicht nicht gefällt."
,,Aber das ist doch nicht Sinn der Sache, sich zu verstellen nur um beliebt zu sein. Vor allem nicht, wenn man dadurch seine Gesundheit gefährdet. Du bist erst fünfzehn und abgesehen davon, rasten unsere Eltern aus, wenn sie das erfahren. Du stinkst jetzt schon wie nach einer Nacht in der Kneipe. Vor allem sollen sie nicht denken, das ich rauche." Ich schüttelte den Kopf und tat so als müsste ich husten. Ich konnte ein leichtes Lächeln auf Maximes Lippen erkennen, welches sich allerdings sofort wieder verzog. Scheinbar hatte ich etwas ausgelöst, bei meinen Worten.
,,Du weißt doch selbst am besten wie es ist, von anderen ignoriert oder geärgert zu werden. Ich kann das nicht mit mir machen lassen, so wie du. Mama und Papa haben es bisher auch nicht gemerkt oder interessiert. Solange du ihnen nichts verrätst, ist alles gut." Maxime legte ihren Zeigefinger auf den Mund, um mir zu zeigen, das ich nichts sagen soll. Das Gefühl, das etwas mit Maxime ist ließ mich nicht los.
,,Außerdem würden sie dir das sowieso nicht zutrauen und sonst wüssten sie es längst, da sie dich auf Schritt und Tritt beobachten, Du bist halt ihr Liebling, auf dich passen sie mehr auf, als auf mich. Es mag zwar cool sein, alles zu dürfen, aber oft kommt es mir vor, als wäre ich ihnen egal. Was glaubst du denn, warum ich so viel Mist baue. Ich dachte, das ich vielleicht dadurch mehr Aufmerksamkeit von ihnen geschenkt bekomme. Aber falsch gedacht. Immer dreht sich bei ihnen, alles nur um dich." Die Worte meiner Schwester trafen mich. Noch nie hat sie so offen mit mir gesprochen. Jetzt wusste ich, was das komische Gefühl war, was sich plötzlich in ihr wiederspiegelte. Ich konnte sie verstehen und es machte plötzlich Sinn, das sie mit ihren Aktionen nach Aufmerksamkeit rang. Maxime war immer die zweite Wahl bei unseren Eltern. Ihre Eskapaden die ich nicht gut hieß, waren alles Schreie der Verzweiflung. Okay sie hätte auch einfach mal offen mit ihnen reden können, aber unsere Eltern hätten ihr wenigstens etwas entgegenbringen können. Aber selbst das taten sie nicht. Ihnen war es fast schon gleichgültig, was ihre jüngere Tochter tat. Ob es ihnen leidtun würde, wenn sie wüssten wie es Maxime geht? Ich dachte immer, ich hätte es nicht leicht, aber meine Schwester ging es mit der Situation noch schlechter.
,,Da hast du vermutlich Recht. Die beobachten mich, als wäre ich im Gefängnis. Ich habe mir oft gewünscht, sie würden dich mehr berücksichtigen, damit ich auch mal alleine atmen kann. Es tut mir wahnsinnig leid, das sie dich meinetwegen, so ignorieren. Hätte ich jemals gewusst, das du so fühlst. Ich dachte immer, was lässt du dir als nächstes einfallen. Dabei hatte das alles einen anderen Grundgedanken, als ich dachte. Jetzt sehe ich das alles in einem anderen Licht." Sie tat mir wirklich leid. Traurig schaute Maxime in den Himmel von Australien und zog einen kräftigen Zug an ihrer Zigarette. Ihre blonden Haaren bewegten sich leicht im Wind mit.
,,Du hättest doch nichts ändern können. Dich trifft keine Schuld. Es ging dir genauso ätzend damit, keinen Schritt zu machen, ohne das unsere Eltern es herausfanden. Du bist genervt vom Knastleben und ich von der Ignoranz unserer Eltern. Unsere Eltern können einfach nichts Halbes und nichts Ganzes. Ich habe damit angefangen zu leben. Wie oft habe ich versucht mit ihnen zu sprechen. Aber sie haben fast darüber gelacht. Sie sagte, ich kann froh sein, das sie nicht so streng zu mir sind und ich alles machen darf. Andere Jugendliche in meinem Alter würden darüber glücklich sein, ihre eigenen Regeln zu haben. Klar ich kann viel machen, was Nicole und meine anderen Freundinnen nicht dürfen, aber dafür haben sie Eltern die sich interessieren, was sie den Tag über gemacht haben. Weißt du viele unserer Mitschüler, die wussten, wie ich mich fühlte, sagten das du nicht meine richtige Schwester wärst und wegen dem schlechten Gewissen unserer Eltern habe ich diese Sonderrechte. Deine komische immer gleiche reine Haut und diese strahlend grünen Augen. Niemand aus unserer Familie der noch lebt, hat diese Merkmale. Ich habe den Leuten gesagt sie spinnen. Das würde alles keinen Sinn ergeben mit unseren Eltern." Ihre Worte hallten nach. Ich bin nicht ihre richtige Schwester. Kein Teil der Familie. Ich sehe nicht aus wie sie. Natürlich war mir dies bewusst, das ich nicht viele Ähnlichkeiten zu meinen Eltern hatte, aber ich schob es darauf, das meine Haut und die grünen Augen ein paar Generationen übersprungen hatten. So wie bei einem dunkelhäutigen Baby. Beide Elternteile können weiß sein, aber wenn ein Elternteil, jemand mit Migration in seiner Familie hat, kann dies in jeder Generation unerwartet durchkommen. Die Veranlagung ist da, zur Weitergabe. Trotzdem pochte der Gedanke wie ein Echo in meinem Körper.

Dann wirst du erkennen, wer du wirklich bist.

Die Stimme aus meinem Traum. Ihre Worte, brannten sich wieder für einen Moment in mein Gedächtnis fest.
,,...Saphire. Bitte denk darüber nicht nach. Ich wollte das nicht ansprechen. Es kam einfach raus. Du bist meine Schwester. Die Leute die das gesagt haben, haben einfach keine Ahnung. Ich war nicht immer nett zu dir. Aber im Flugzeug vorhin, als es dir plötzlich nicht gut ging. Ich hatte auf einmal das Gefühl ich muss für dich da sein, dir helfen stark zu bleiben, als wurde es mir befohlen. Ich weiß das klingt total absurd, aber so war es. In der Schule habe ich auch nie die Leute angefeuert mit ihren Bosheiten dich zu verletzen und habe dich verteidigt, aber gebracht hat es nie etwas. Es mag bestimmt ausgesehen haben, das du mir egal bist, aber das stimmt nicht. Du bist meine Schwester."
Völlig auf die Stimme fokussiert, bekam ich erst mit das Maxime mit mir sprach, als sie meinen Namen nocheinmal deutlich aussprach. Ihre Worte waren ehrlich, das wusste ich. Vor allem die Tatsache innerliche Befehle zu erhalten, kamen mir mehr als bekannt vor. Außerdem hatte sie Recht, in der Schule kam es mir oft vor, ich wäre ihr egal. Ihr wäre es egal, was die anderen Mitschüler mir tagtäglich antaten, umso mehr berührten mich ihre Worte, das sie stets auf meiner Seite war.

,,Was haben sie denn gesagt? Mit mir hat ja niemand gesprochen, was ich ihnen getan habe." Ich nahm die Gelegenheit bei Schopf und fragte meine Schwester direkt. Sie saß an der Quelle, die Leute sprachen mit ihr - über mich. Sie schmiss gerade ihre Zigarette von unserer Dachterrasse und schaute dem Stummel hinterher, wo er hinflog. Vermutlich um ihn morgen früh aufzusammeln, bevor unsere Eltern die Zigarette fanden.
,,Ich denke nicht, das ich dir da viel zu erzählen kann. Die meisten sagten sie haben Angst vor dir. Sie können es nicht erklären, aber du würdest etwas ausstrahlen, was sie beunruhigt. Eine übermäßige Aura. Hokus Pokus, du weißt schon. Die meisten reagieren dann mit Ablehnung, andere wiederrum wollen sich nicht die Blöße geben vor ihrer Angst und sind gemein zu dir und verletzten dich." Maxime zuckte ahnungslos mit den Schultern.
Ich legte den Kopf auf Maximes Schulter. Viel Neues habe ich wirklich nicht erfahren. Die gleichen Geschichten erzählten sie auch Vivienne.
Wir schwiegen, es war alles gesagt. Maxime wusste das ich nichts mehr hören wollte und ließ es bei dem was es ist. Ich war ein hoffnungsloser Außenseiter.

Blut einer Elfe - Erwacht Where stories live. Discover now