Kapitel 15

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Grelle Blitze zuckten vor meinen Augen. Mein Kopf tat weh. Alles um mich herum schien sich zu drehen. Ich musste einige Male blinzeln, bis ich endlich erkannte, was um mich herum geschah. Entsetzt sah ich zu, wie sich die Halle nach und nach leerte. Stück für Stück vernichtete die Welle aus Energie die Soldaten. Wie in Zeitlupe lief alles vor mir ab. Ich hörte Knochen brechen, Gewebe reißen, das letzte erschrockene Luftholen. Ich sah das blanke Entsetzen in ihren Augen, kurz bevor sie brachen. Die Schreie erschienen mir für einen kurzen Moment unnatürlich laut, bevor sie für immer erstarben.

Reihe um Reihe setzte sich das Sterben fort; unerbittlich zerriss die Welle Mann um Mann. Innerhalb weniger Herzschläge war es in der Halle totenstill. Ich hörte die Energie knistern und fühlte die Spannung in der Luft; ich fühlte wie sie durch meinen Körper pulsierte. Mir wurde klar, dass sie den einzigen Schutz vor der drohenden Ohnmacht darstellte. Dennoch musste ich hilflos mit ansehen wie die Lichtströme und somit meine Kraft mich wieder verließen. Die Luft um mich herum knisterte noch einmal kurz und kleine Blitze zuckten um mich herum. Dann schlich sich der Schmerz langsam wieder zurück.

Ich verlor den Halt und kippte zur Seite. Unsanft schlug ich auf dem Boden direkt neben den Überresten des Soldaten ohne Angst auf. Sein Gesicht war überraschenderweise weitestgehend unversehrt geblieben. Seine vor Angst übernatürlich geweiteten Augen schienen direkt in meine Seele zu blicken und mich anzuklagen. Hättest du doch rechtzeitig abgedrückt war das Letzte, was mir durch den Kopf schoss bevor sich endlich die erlösende Ohnmacht ankündigte. Struckers Stimme, vor Freude beinahe zitternd, schallte durch die Lautsprecher und befahl den vor der Tür wartenden Einheiten mich sofort ins Labor zu bringen.

Wie durch eine dichte Nebelwand hörte ich erschrockene Aufschreie,gefolgt vom hastigen Trampeln bestiefelter Füße, die auf mich zueilten. Sie erreichten mich und hoben mich mit einem Ruck hoch.Wieder schoss der Schmerz durch meinen Körper und beförderte mich endlich in einen dunklen, unruhigen Schlaf.

Zwei Stunden, Drei, Tage, Wochen. Ich wusste es nicht. Ohne jedes Zeitgefühl trieb ich in einer seltsam dunklen Welt umher. Ab und zu nahm ich Gesprächsfetzen wahr, die jedoch keinen Sinn für mich ergaben. Immer wieder tauchte ich tiefer in die Dunkelheit ein, nur um wie aus dem Schlaf in einer neuen aufzuwachen. Ich konnte weder denken noch sprechen. Das einzige, was ich tat war fühlen. Ich fühlte Schmerz, Wut, Trauer, Reue, Wut. Immer in dieser Abfolge.Immer in einer anderen Dunkelheit. Bis mich plötzlich irgendetwas wie an einer Angel aus den Tiefen der Ohnmacht empor riss.

Das erste, was ich registrierte als ich die Augen aufschlug waren schreckliche Kopfschmerzen. Nach einem kurzen Panikmoment wusste ich wieder, wo ich war. Ich versuchte mich aufzusetzen, sank aber stöhnend wieder zurück. Ich lag in einem weichen Bett in einem kleinen, fensterlosen Raum. Ich musste einige Male Blinzeln, bevor ich etwas genaueres erkennen konnte. Die einzige Lichtquelle bildeten einige Kerzen, die in allen Ecken des Raumes aufgestellt waren und grauenhaft stark flackerten. Die Schatten tanzten an den steinernen Wänden und taten in den Augen weh. Bis auf mein Bett und einen kleinen Schrank an der Wand rechts daneben gab es keine Möbel. Es war kalt. Ich zog die unglaublich weiche Decke fester um mich und bemerkte, dass mein rechter Arm in einer Schlinge lag. Vorsichtig lugte ich unter die Decke und bemerkte einen dicken Verband um mein Knie. Dann kamen ganz langsam die Erinnerungen zurück. Doch erstaunlicherweise bekam ich keinen Anfall. Ich wurde nicht hysterisch oder ohnmächtig, und es explodierten auch keine Lampen.Mir fiel auf, dass sich tatsächlich keine Lampen in dem Raum befanden. Nicht ein einziges elektrisches Gerät war zu finden. Mir war es egal. So konnte ich wenigstens niemanden verletzen. Töten meine Liebe, über alles andere sind wir längst hinaus. Immernoch diese kleine, fiese Stimme, die sich in den Tiefen meines Verstandes eingenistet zu haben schien. Sie machte mir mehr Angst als alles andere. Sie und meine schreckliche Gelassenheit.

Stundenlang lag ich wach und wusste nicht, was nun mit mir passieren würde. Ich hatte dutzende Soldaten mit Strom getötet. So etwas würden die hier doch nicht dulden, oder? Andererseits, wieso war ich dann noch nicht tot? Die flackernden Schatten schwiegen und schienen mich zu verhöhnen, bis ich wieder in einen unruhigen Schlaf fiel.

Als ich erwachte waren die Kerzen beinahe vollständig heruntergebrannt.Meine Kehle fühlte sich staubtrocken und rau an, und mein Bauch gab höchst deutliche Signale von sich. Ich hatte unglaublichen Hunger.Ich schlug die Decke zurück und versuchte vorsichtig aufzustehen. Es zwickte ein wenig, als ich das rechte Bein belastete und ich schwankte für einen kurzen Moment hin und her. Ich fing mich jedoch schnell und begann ganz langsam zu gehen. Stark humpelnd und ein wenig torkelnd erreichte ich die Kerzen. Vor ihnen angekommen drehte ich mich um und entdeckte eine Tür, direkt neben dem Kopfende meines Bettes. Langsam setzte ich meinen Weg fort und erreichte schließlich wieder mein Bett. Doch anstatt mich hinzulegen setzte ich mich auf die Kante und atmete kurz tief durch. Dann stand ich auf und begutachtete die Tür genauer.

Sie passte zu dem Raum. Anstatt einer Klinke besaß sie einen Riegel.Stirnrunzelnd betrachtete ich das schwarze Metall mit dem die dunkle Holztür beschlagen war. Irgendetwas an dem Riegel störte mich. Ich zog meine Augenbrauen noch weiter zusammen, holte tief Luft und ging auf die Tür zu. Langsam und vorsichtig fuhren meine Finger über das Holz, bis sie auf dem Riegel liegen blieben. Schlagartig wurde mir klar was mich so störte. Der Riegel lag innen. Er war auf meiner Seite der Tür. Ich hielt den Atem an und drückte gegen den Riegel. Langsam, aber trotzdem problemlos ließ er sich zur Seite schieben. Mit zitternden Händen versuchte ich die Tür zu bewegen.Gespenstisch lautlos schwang sie auf.

Obwohl meinem Verstand klar war, dass hier etwas nicht stimmen konnte,machte ich einen kleinen Schritt über die Türschwelle und beugte mich leicht nach vorne. Dabei belastete ich mein rechtes Bein und wurde mit einem stechenden Schmerz an meine Verletzung erinnert.Leise fluchend fuhr ich zurück und schob mein linkes Bein vor. Dann lehnte ich mich ein weiteres Mal nach vorne und sah mich um.

Meine Zelle - oder was es auch war - befand sich in einem niedrigen gemauerten Gang. Das einzige Licht spendeten einige Fackeln, die in regelmäßigen Abständen an der Wand befestigt waren. Weiter hinten schien noch eine Tür zu sein. Ohne zu zögern trat ich auf den Gang hinaus und versuchte noch einmal irgendwo Strom zu finden. Wie zu erwarten passierte nichts. Ich fluchte wieder und humpelte den Gang entlang auf die andere Tür zu. Obwohl der Abstand überraschend gering war, musste ich mehrere Pausen einlegen. Als ich schließlich keuchend vor der anderen Tür stand warf ich einen Blick zurück.Meine Tür stand immer noch offen. Erst jetzt fiel mir auf, dass der Gang auch in die andere Richtung führte. Allerdings hingen dort keine Fackeln. Ich blickte einige Male von meiner Tür zu der, vorder ich nun stand. Anders als bei meiner Tür lag der Riegel hier außen. Ein leises Schnauben entfuhr mir. Die leise Hoffnung aufeinen Fluchtweg, die sich auf dem Weg hierher langsam in mir breitgemacht hatte, schwand. Was auch immer sich hinter dieser Tür befand, es konnte nichts Gutes bedeuten. Ein weiteres Mal schnaubte ich nicht, sondern schrie. Ein einziger, verzweifelter Schrei. Kurz, aber lang genug um meinem Missfallen Ausdruck zu verleihen. Ich konnte natürlich zurück in mein Zimmer gehen. Aber dort gab es nur die Schatten an der Wand und den Hunger. Hinter dieser Tür konnte jedoch alles liegen. Natürlich würde ich sie öffnen. Das wussten sie. Ich musste einfach wissen, was sich dahinter befand. Schwungvoll schob ich den Riegel zurück und drückte die Tür auf.

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