Kapitel 6

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Dunkelheit. Eine gleichmäßige Schwärze. Hin und wieder ein lautes Pochen. Wie ein Paukenschlag durchdrang es die Finsternis. Langsam erwachten meine Sinne wieder zum Leben. Ich spürte meinen Herzschlag, hörte das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren und fühlte, wie das Leben langsam in meinen Körper zurückkehrte. Wie um zu beweisen, dass sie noch da waren, zuckten meine Beine ein wenig. Meine Arme konnte ich nicht richtig bewegen. Langsam drangen Geräusche an meine Ohren, und mit einem Schlag, als wäre eine Wand durchbrochen worden, nahm ich mein Umfeld klar und deutlich war. Da war ein stetiges Summen, wie von einer Maschine. Ein regelmäßiges Piepen. Und Schritte. Langsame, ruhige, aber dennoch zielstrebig auf mich zukommende Schritte. Ein fremder Herzschlag, deutlich schneller als mein eigener. Der Atem der Person ging ruhig. Plötzlich räusperte die Person sich, und aufgeschreckt durch dieses Geräusch riss ich meine Augen auf.

Ein grelles, weißes Licht blendete mich. Ich musste mehrmals blinzeln, bis ich aufhörte doppelt zu sehen. Mein Umfeld drehte sich noch eine Weile hin und her bis ich mich halbwegs orientieren konnte. Ich lag in einem Bett. Über mir befand sich eine Neonröhre, deren helles, kaltes Licht mir immer noch in den Augen brannte. Als ich versuchte, meine Augen mit den Händen zu bedecken, bemerkte ich, dass ich meine Arme nicht bewegen konnte. Panisch wanderte mein Blick an mir herunter und ich sah, dass meine Handgelenke mit breiten Schlaufen an dem seltsamen Bett befestigt waren. Ich zog wie verrückt an ihnen, aber sie gaben einfach nicht nach. Mit einem Seufzer drehte ich den Kopf zur Seite. Und erschrak wieder. Neben meinem Bett stand der Arzt mit einem Klemmbrett und machte sich Notizen.

Ich versuchte zu schreien, doch meine Kehle war wie ausgetrocknet. Er lächelte mich an und steckte den Stift weg. „Es tut mir Leid, aber du musst dich noch ein wenig gedulden." sagte er und machte sich an einigen Apparaturen zu schaffen. Erst jetzt bemerkte ich die Kanüle in meinem linken Arm. Wehrlos musste ich zusehen, wie eine klare Flüssigkeit in meinen Körper gepumpt wurde und beinahe sofort schlief ich wieder ein.

Als ich das nächste Mal erwachte, war ich allein. Der Arzt war nirgends zu sehen oder zu hören. Meine Arme waren immer noch gefesselt. Ich bewegte vorsichtig meinen Kopf, um mich umzusehen. Beim letzten Mal wurde ich zu schnell wieder betäubt, um Details wahrzunehmen. Ich befand mich in einem grauen Raum ohne Fenster. Mein Bett stand in der Mitte einer der kurzen Seiten des Raumes. An der Decke leuchteten immer noch die Neonröhren. Ihr grelles Licht bereitete mir Kopfschmerzen. Rechts von mir befand sich eine Tür, ungefähr drei Meter von meinem Bett entfernt. Links neben meinem Bett standen seltsame Apparate und Monitore. Erst nach einigem überlegen fiel mir auf, dass es sich um Geräte zur Überwachung der Körperfunktionen handeln musste. Oder wie das hieß. Ich hatte solche Apparate nur ein einziges Mal zuvor gesehen, und zwar als Sven einmal einen Unfall hatte und die Nacht auf der Intensivstation verbringen musste. Plötzlich setze meine Erinnerung wieder ein und ich wollte wieder schreien. Sven. Sven war tot und dieser Drecksack von Doktor hatte ihn wahrscheinlich umgebracht. Mein Kopf pochte wie verrückt und mit einem Mal brachen die Tränen hervor. Ich spürte, wie sie mein Gesicht hinunterliefen und versuchte, gegen die Schmerzen in meinem Inneren zu kämpfen. Es fühlte sich an wie ein großes Loch in der Brust, genau da wo mein Herz sein sollte. Ich blickte wieder an mir herunter und sah, dass noch alles da war. Meine Brust hob und senkte sich, und das Piepen des Monitors bestätigte einen regelmäßigen Herzschlag. Trotzdem fühlte ich mich leer und ausgelaugt. Wieso war ich hier? Was war genau passiert? Wie lange war ich hier? Diese und ähnliche Fragen schwirrten durch meinen Kopf und beschäftigten mich bis in einen leichten, unruhigen Schlaf hinein.

Ich erwachte durch eine Berührung am Arm. „Nicht anfassen sagte ich!" schnaubte die Stimme des Arztes auf meiner rechten Seite die Person an, die meinen Arm auf der linken Seite berührt hatte. „Achten sie gefälligst auf ihren Ton! Oder haben sie vergessen, mit wem sie sprechen?" Diese Stimmer war fremd, eiskalt und eindeutig weiblich. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich wagte es nicht, meine Augen zu öffnen. „Wann wird sie weit genug sein?" Die Stimmer klang fordernd und bedrohlich, und ich hörte den Arzt schlucken. „Wenn sie wieder bei Bewusstsein ist werde ich ihr einige Fragen stellen und dann kann der Doc mit ihr spielen." Er bemühte sich sehr um einen gefassten Eindruck. Er versagte kläglich. Das schien die Frau ebenfalls bemerkt zu haben. „Natürlich. Ich werde mir die Befragung ansehen-" „-aber-" der Arzt versuchte tatsächlich sie zu unterbrechen. „Wollten sie mich gerade berichtigen? Ich werde mir diese Befragung ansehen und übernehmen, sollte sie nicht kooperieren. Der Baron wünscht, dass sie so schnell wie möglich dem Doc übergeben wird. Haben sie das verstanden?" sie fragte leise und betonte die letzte Frage mit besonderem Nachdruck. Sie machte mir Angst. Der Arzt behielt seine Fassung jedoch weiterhin nach äußerlich halbwegs aufrecht, jedenfalls hörte es sich so an. „Wieso sollte sie nicht kooperieren?" Allein die Vorstellung, dass sein Plan nicht funktionieren würde, schien ihn zu verwirren. Die Frau lachte leise und ohne jegliche Emotionen. „Weil sie ihren Freund ermordet haben und das nicht mit einer gefälschten Entschuldigung erledigt sein wird. Wenn sie Stufe 3 erreichen sollte, würde ich mich an ihrer Stelle versetzten lassen." Ich musste beinahe meine gesamte restliche Kraft aufwenden um mich nicht wieder von der Erinnerung an Sven aus der Bahn werfen zu lassen. Der Arzt bemerkte meine plötzliche Verkrampfung und redete schnell weiter. „Sie wacht bald auf. Sie haben Recht, wahrscheinlich sollte ich das. Aber sie muss erst einmal Stufe 3 erreichen und selbst dann wird der Baron sie davon abhalten, mich zu töten. Ich bin zu wertvoll für unsere Sache." Er schien eher sich selbst als die kalte Frau überzeugen zu wollen. Diese lachte wieder ihr kaltes, leises Lachen und antwortete in einem Ton, der mich innerlich erstarren ließ. „Sie ist bereits wach seit ich sie berührt habe. Auch wenn es eine Kleinigkeit war, die sie übersehen haben, weitere Fehler dieser Art könnten mich und auch den Baron an ihrer Unersetzbarkeit zweifeln lassen. Wenn sie nicht gefesselt wäre, könnten sie tot sein. Und jetzt beginnen sie mit der Befragung." Ich hörte, wie sich eine Hand schnell meinem Gesicht näherte, doch bevor die flache Hand der kalten Frau meine Wange erreichte drehte ich den Kopf zur Seite und öffnete endlich die Augen.

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