3. Kapitel Isabelle

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Mom war schon ganz aufgeregt, als sie erfuhr, dass Matthew und Elle zu uns nach London ziehen würden. Aber heute sprüht sie nur so vor Freude. Als ich gerade die Treppe hinunter komme, steht Grace in der Küche, rührt mit dem Schneebesen in einer Backschüssel und wippt leicht zum Takt der Songs mit, die im Radio laufen. Ich bleibe stehen und schaue ihr lächelnd zu. "Mom" sage ich sanft und sie dreht sich zu mir um. "Ich muss Megan im Café ablösen". Ich schlüpfe in meine schwarzen Ballerinas. "Ruf mich bitte an, wenn du etwas brauchst" bitte ich sie und sie lächelt. "Mach dir keine Sorgen, Izzy. Ich werde mich bei dir melden". Ich seufze. Es widerstrebt mir eigentlich, Grace allein zu lassen. Auch wenn sie immer wieder sagt, dass es ihr gut geht und sie das alles auch allein schafft. Nach außen hin ist sie immer noch die fröhliche Grace, die die immer wieder neue Rezepte ausprobieren muss, die einen ständig zum Lachen bringen kann und durch die Küche tanzt, als würde sie niemand beobachten. Doch bald würde sie all die witzigen Geschichten vergessen, die sie mir so gern erzählte. Bald würde sie nicht mehr wissen, wie die Schokocookies zu backen gehen. Letzte Woche hatte sie einen Kuchen im Ofen stehen lassen, weil sie so sicher war, dass sie ihn schon rausgenommenen hatte. Sie hasst es, wenn ich ihr sage, was so offensichtlich ist. Mom leidet an Alzheimer, aber das will sie nicht einsehen. Mom will nicht, dass ich darüber rede und wenn sie dann glücklich ist, werde ich es auch nicht ansprechen. Sie ist schon immer offen für alles gewesen und das bewundere ich sehr an ihr. Wieso sollte ich ihr diese Fröhlichkeit nehmen? Ich gebe ihr noch einen sanften Kuss auf die Wange und nehme mir einen Keks aus der Dose. "Das hab ich gesehen" ruft sie mir hinterher, als ich schon an der Tür bin und ich muss lächeln. Im Café ist heute nicht viel los. Doch Megan ist total gestresst. Sie lächelt erleichtert, als sie mich sieht und ich gehe zu ihr herum hinter den Tresen. "Ich bin so froh dich zu haben, hab ich dir das schon mal gesagt?" Ich muss lachen und sie gibt mir einen Kuss auf die Wange, bevor sie sich ihren cremefarbenen Parka anzieht und sich ihre Handtasche vom Tresen schnappt.
"Letzte Woche war es ein Date mit einem heißen Typen, von dem du mir übrigens immer noch nicht erzählt hast, wer er ist. Was ist heute?" frage ich schmunzelnd. "Josh schafft es nicht Rose vom Kindergarten abzuholen und wenn ich mich nicht beeile, wirft mir meine Tochter wieder vor, dass ich sie nicht lieb habe, weil alle anderen Mütter ihre Kinder viel früher abholen". Ich schüttle lächelnd den Kopf und binde mir die schwarze Schürze um die Hüften. "Dann mach, dass du wegkommst, Rabenmutter" scherze ich. "Bekomm ja nie Kinder, dann ist dein Leben vorbei" meint Megan, doch ich weiß, dass sie es nicht so meint. Sie liebt ihre Tochter seitdem sie sie das erste Mal im Arm hielt. Dass sie nun Verantwortung für Zwei übernimmt, hat nichts geändert. Sie ist immer noch so verrückt wie früher. Ich bewundere, wie sie das alles geschafft hat. Als sie damals erfuhr, dass sie schwanger war, war sie mit den Nerven am Ende. Das passte so gar nicht in ihr Leben. Doch sie gibt Rose so viel Liebe, ist immer da, wenn ihre Tochter sie braucht und beschwert sich nicht einmal, wenn sie müde von der Arbeit nach Hause kommt und Rose wie ein Flitzebogen durch die Wohnung rennt und mit ihr spielen will, auch wenn Megan nur noch schlafen will. "Ehrlich, Meg, wenn jemand seine Tochter liebt, dann du. Die anderen Mütter können neidisch sein". Sie schenkt mir ein strahlendes Lächeln. "Danke". Ich nehme die Bestellung einer jungen Frau auf, einen Milchkaffee und einen Heidelbeermuffin und verabschiede mich dann mit einer kurzen Umarmung von Meg. "Tut mir wirklich leid, dass du wieder für mich einspringen musst" sagt sie. "Meg, ich mache das gern. Du bist schließlich auch immer für mich da". Sie lächelt und drückt mir noch einen Kuss auf die Wange. "Wir sehen uns morgen" ruft sie mir noch zu und beugt sich dann noch einmal über den Tresen. "Und der heiße Typ will mich übrigens wieder sehen". Sie grinst und dann ist sie auch schon fort.

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