1. Kapitel Elle

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"Elle, jetzt hör doch bitte auf rum zu schmollen. In London wird die Sonne scheinen, wir könnten also später an den See fahren, wenn du möchtest. Deine Großmama und Isabelle freuen sich doch schon dich zu sehen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie du als kleines Mädchen immer ganz aufgeregt durchs Haus gerannt bist, weil du es kaum erwarten konntest, dass wir endlich losfahren um Grace und Isabelle zu besuchen und du endlich die frisch gebackenen Schokocookies deiner Großmama vernaschen konntest" versucht Papa mich davon zu überzeugen, dass ich mich doch freuen sollte, wenn wir nun nach London zogen. Es war nicht so, dass ich London nicht mochte. So weit ich mich erinnern konnte, war es immer sehr schön dort gewesen. Stundenlang waren meine Tante und ich im Buchladen in der Stadt gewesen und als wir dann nach Hause kamen, erfüllte der himmlische Duft von Schokolade das Wohnzimmer. Zusammen hatten wir die Kekse
gefuttert, die Großmama mit so viel Liebe für uns backte. Manchmal war Papa mit mir auch ans Seeufer gefahren. Er hat mich auf seinen Schultern bis zum Wasser getragen, wo wir dann unser Eis vernascht haben, während unsere Füße im kühlen See baumelten. Aber das sind nicht mehr als schöne Erinnerungen. Deswegen wollte ich noch lange nicht in London leben. Für immer. Und daran würde sich auch nichts ändern, egal wie oft mein Vater mir sagt, dass es doch ganz schön wäre, wenn wir von nun an jeden Tag bei Isabelle und Großmama sein würden. Unser Flug hat sowieso schon eine Stunde Verspätung, weswegen ich noch schlechtere Laune habe, als an dem Tag, an dem ich erfahren hatte, dass mein Vater einfach so bestimmt hatte, dass wir nach London ziehen werden. Ohne auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren. "Papa, ich habe gesagt, dass ich mit dir darüber nicht mehr reden möchte" sage ich.
"Du hast mich nicht einmal gefragt, ob ich da auch gern hin möchte. Es ist nicht so, dass ich mich nicht freue, Großmama und Isabelle zu sehen. Ich will nur nicht mein ganzes Leben dort verbringen. Ich hatte Freunde, die ich verlassen musste, nur weil du entschieden hast, dass wir umziehen müssen". Papa seufzt. "Elle, ich hab dich sehr lieb" meint er und greift nach meinen Händen. "Das weiß ich, Papa. Aber ich fände es schön, wenn du dich auch mal für mich interessieren würdest, anstatt immer nur an dich zu denken". Sanft entziehe ich ihm meine Hände und stehe auf. "Wo willst du denn jetzt hin, Elle?" fragt er. "Du brauchst dich nicht um mich zu sorgen, denn ich komme hier sowieso nicht weg. Ich möchte mir nur einen Kaffee holen, Papa". Es nervt mich, dass er ständig alles hinterfragen muss und immer so überfürsorglich ist. Auch wenn ich weiß, dass er mich liebt. Manchmal wünschte ich nur, er würde mich mehr an meinem Leben teilhaben lassen. Ich bestelle mir einen Cappuccino mit Milchschaum und Karamellsirup in einem Café und während ich warte, summt mein Handy auf. Ich ziehe es aus meiner Tasche. Grandma freut sich schon sehr auf euch! Mich hat sie aus der Küche verbannt, weil ich von den Cookies genascht habe, die sie für dich gebacken hat. Ich kann es ebenfalls kaum erwarten euch wiederzusehen. Hab dich lieb, Süße. Es war eine kurze Nachricht von Isabelle, aber sie bringt mich zum lächeln. Hab dich auch lieb, du Naschkatze. Richte Grandma liebe Grüße aus! Die Barista reicht mir meinen Kaffeebecher. Ich gebe ihr das Geld und bedanke mich mit einem freundlichen Lächeln. Dann stecke ich mein Handy zurück in die Tasche und schnappe mir meinen Kaffeebecher. Als ich mich umdrehe stoße ich mit jemandem zusammen. "Kannst du nicht aufpassen, wo du..." Ich will gerade losschimpfen, doch als ich aufschaue, verschlägt es mir die Sprache.

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