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Mit großen Augen starrte Hannes mich an, wobei er natürlich die deutlich sichtbaren Hämatome in meinem Gesicht fokussierte. "Wer war das?" Ich winkte ab. "Alles gut. Wie ist es im Gefängnis gelaufen?" "Maria müsste gleich hier sein. Sie durfte das Handy nicht mit reinnehmen. Außerdem haben wir überlegt, Peter als Praktikant bei so einer Firma einzuschleusen. Die arbeiten momentan in der JVA. Er hat da gerade ein Vorstellungsgespräch." Ich nickte. In diesem Moment kam Maria rein und Hannes lief sofort zu ihr. Oh oh. "Na, ihr habt euch ja gut verstanden." "Das war ja auch der Auftrag, oder? Rumlügen und Max was vorspielen." "Ja ja, du hast ja auch ziemlich gelitten. Hat man ja gesehen." Die beiden starrten sich einen Moment lang an. Dann wandte Hannes den Kopf ab. "Egal, hauptsache wir haben die Infos." "Es ist überhaupt nicht egal Hannes! Was wir machen ist illegal, unmoralisch und link! Er verliert vielleicht seinen Job, wenn wir es schaffen, Dennis rauszuholen!" "Ach ja, und was ist mit Frank?" "Das weiß ich selber, danke!" Maria knallte das Handy auf den Tisch und drehte sich dann wieder zu Hannes um. "Aber scheiße ist es trotzdem!" "Hey, Maria-", versuchte Hannes sie zu besänftigen, aber dafür war es zu spät. "Lass mich in Ruhe, echt! Ich brauch jetzt mal kurz 'nen Moment alleine!" Wütend verließ sie den Konferenzraum und Hannes drehte sich fragend zu Jorgo um. Dieser schüttelte den Kopf. "Hormone." Ich wollte gerade etwas erwidern, als Peter den Raum betrat. "I-i-ich ha-hab den Job." Verwirrt schaute er in die Runde. "N-nicht geil?" Enttäuscht stand ich auf. "Doch, geil Peter, aber für Freude ist gerade keine Zeit. Jemand hat's gehörig verbockt." Wütend schaute ich Hannes an. "Ey, was kann ich denn dafür? Ist doch nicht meine Schuld, dass ihre Hormone durchdrehen!" Jetzt riss mir endgültig der Geduldsfaden. "Dass ihre Hormone durchdrehen? Sag mal, bist du eigentlich völlig bescheuert? Wenn hier bei jemandem die Hormone durchdrehen, dann ja wohl bei dir! Mit deiner scheiß Eifersucht, hast du es so richtig schön zum Überkochen gebracht. Dabei brauchst du die überhaupt nicht, weil Maria sowieso nur dich liebt. Oder geliebt hat, nachdem du dich gestern und heute so aufgeführt hast!" Wütend stürmte ich aus dem Raum und rannte hoch aufs Dach. Wie erwartet fand ich dort Maria vor. Sie ließ die Beine über den Rand des Daches baumeln und lehnte ihren Kopf gegen das Gitter, das verhinderte, dass man herunterfiel. Ich setzte mich neben sie und nahm dieselbe Position ein. Das kühle Gitter kühlte praktischerweise auch mein Auge etwas. Maria seufzte. "Alles nicht so einfach im Moment, was?", erkundigte ich mich. Die Brünette nickte. "Hannes ist manchmal echt ein Idiot. Er kapiert einfach nicht, dass ich ihn so liebe wie er ist. Mutig, bereit alles für seine Freunde zu geben. Max ist süß und lieb und romantisch, aber-" "Aber du liebst eben Hannes", beendete ich ihren Satz. "Ja. Wenn er das bloß endlich mal kapieren würde." "Das wird er. Da bin ich mir sicher." Ich strich ihr kurz über den Rücken und erst jetzt richtete sie sich auf und schaute mich an. Entsetzt riss sie die Augen auf. "Du siehst schlimm aus." Ich winkte ab. "Ich sah schon deutlich schlimmer aus, keine Sorge." "Dein Vater?", erkundigte sie sich. "Auch." Verwirrt schaute Maria mich an und bevor ich es unterdrücken konnte, platzte es aus mir heraus und ich erzählte ihr auch von Can. Dass bis jetzt immer ein paar Küsse gereicht hatten, dass er heute weiter gegangen war und ich abgehauen war. Sogar von meinem kleinen Diebstahl heute erzählte ich ihr und dabei schämte ich mich wirklich total. Als ich geendet hatte, lehnte ich meinen Kopf wieder an das Geländer. "Danke, dass du es mir erzählt hast. Das war bestimmt nicht leicht." Ich nickte zaghaft. "Aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich euch vertrauen kann. Ihr kennt mich zwar erst seit kurzem, aber ich kenne euch schon zwei Jahre." "Ich habe auch das Gefühl, dass ich dir vertrauen kann und ich denke die Jungs auch. Frank hat eine tolle Schwester." Ich lächelte sie dankend an, dann richtete ich mich auf. "Na komm, wir müssen für morgen alles planen." Gemeinsam gingen wir rein. Die Stimmung zwischen Hannes und Maria blieb kühl, auch als wir uns verabschiedeten und nach Hause fuhren. Dort schaffte ich es unentdeckt in mein Zimmer, doch zum Schlafen war ich viel zu aufgeregt und so saß ich die ganze Nacht an meinem Fenster und beobachtete die Stadt. Als es schließlich Morgen wurde, machte ich mich im Bad schnell frisch, zog mir etwas anderes an und schlich mich wieder aus dem Haus. Vorher hatte ich meinem Vater noch Sachen fürs Frühstück hingestellt und jetzt konnte ich eigentlich nur hoffen, dass ihm das reichen würde. So schnell wie möglich fuhr ich zum Hauptquartier, wo Jorgo und Maria schon warteten. Hannes kam kurz nach mir und lief sofort aufs Dach, um mit dem Teleskop zu beobachten, wie Peter ins Gefängnis kam. Maria und ich blieben drinnen und beobachteten Jorgo, der irgendwas am Computer machte. Etwa um zwölf Uhr erschien Peter auf dem Bildschirm und auf die Wand projiziert und machte für uns ein Foto der Lagepläne. Jorgo zog das Bild auf einen Stick und Maria brachte es zum Kopierer. Den restlichen Nachmittag konnten wir nicht viel mehr machen, als zu warten. Irgendwann kam Peter dann von der Arbeit zurück und gemeinsam besprachen wir den Lageplan. "Hier a-aufpassen. Die R-rohre sind s-so groß", erklärte er und legte mit seinen Händen einen bestimmten Abstand fest. Anschließend zeigte uns Jorgo das "fliegende Auge", einen ferngesteuerten Helikopter, an dem er sein Handy festgeklebt hatte. Das vom Handy gefilmte Bild, konnte man dann auf dem Laptop sehen. Maria, Hannes, Jorgo und ich standen oben auf dem Dach und überlegten jetzt, wie wir an Dennis rankommen konnten. Maria hatte eine Idee. "Kevin macht seinen Hauptschulabschluss nach und darf jeden Tag ein paar Stunden raus. Und sein Unterricht endet um 16 Uhr." "Das ist perfekt." Die anderen nickten.

Kurze Zeit später machten wir uns auf den Weg und spürten Kevin auf. "Da ist er!", wisperte Hannes. "Die Brille erhöht seinen IQ um 200%, Mann!" Maria grinste Jorgo an. "Du weißt doch gar nicht was ein IQ ist." Jorgo verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, dann konzentrierten wir uns wieder auf Kevin. Er setzte sich mit seinem Comic auf eine Bank und wir liefen zu ihm und stellten uns im Halbkreis vor ihm auf. "Kevin, wir müssen mal mit dir reden", begann Hannes. "Reden?", hakte Kevin unsicher nach. Jorgo und Maria nickten, ich griff Kevins Arm und zog ihn hoch. Gemeinsam liefen wir so schnell wie möglich ins Hauptquartier, wo wir Kevin auf einen Bürostuhl setzten und Hannes begann, ihm den Plan zu erklären. "Also, die Rohre führen bis in die Bibliothek. Durch die komm ich rein und präpariere dann das Fenster mit dem Drahtseil." "Drahtseil?", wiederholte Kevin, "Oh nein." Jorgo schubste gegen den Stuhl, sodass Kevin in seine Richtung schaute und entgegnete: "Oh doch." Hannes schubste den Stuhl wieder zurück in dessen alte Position und fuhr fort. "Du musst dafür sorgen, dass Dennis in der Bibliothek ist." Kevin sprang von seinem Stuhl auf und versuchte zu fliehen, wurde jedoch von den Jungs wieder zurückgedrückt. "Wir haben Dennis reingebracht und wir holen ihn auch wieder raus!", bekräftigte Hannes. Jetzt hielt Kevin sich die Ohren zu. "Nein, ich darf das nicht hören! Ich darf das nicht hören!" Maria und ich hockten uns vor ihn und schauten ihn an. "Wenn wir es nicht schaffen Dennis rauszuholen, dann schafft es Frank nicht", erklärte ich und unterdrückte die aufkommenden Tränen. "Wir haben keine andere Wahl", fuhr Maria fort, "Und wir brauchen deine Hilfe." "Sonst-Sonst stirbt er?", fragte Kevin. Maria nickte. "Oh nein. Ich hab mir so 'ne Mühe gegeben wegen guter Führung früher rauszukommen." "Guck mal, es kriegt doch niemand mit, dass du uns geholfen hast. Und wenn irgendwas schief geht, tust du einfach so, als hätten wir dich K.O. geschlagen", erklärte Hannes. "K.O.?" "Das ist ein super Alibi", setzte Maria hinzu. "Alibi?" Kevin schaute zwischen uns allen hin und her und blieb letztendlich bei mir hängen. "Für Frank. Bitte Kevin." Meine Stimme war nicht viel mehr als ein Flüstern. Letztendlich nickte Kevin. "Na gut, ich rette mit." Hannes grinste begeistert. "Super, okay. Das ganze läuft in drei Phasen ab. Phase 1: Ich komm wie gesagt durch die Rohre in die Bibliothek. Phase 2: Du bringst Dennis auch in die Bibliothek. Und Phase 3: Dennis und ich flüchten über eine Seilbahn ins Freie. Da steht dann unser Auto, wartet auf uns und fünf Minuten später sind wir im Krankenhaus." Kevin grinste. "Ja genau, im Krankenhaus!", dann stutzte er, "Ihr könnt Auto fahren?" Wir warfen uns einen wissenden Blick zu und in diesem Moment erklang das Piepen des Aufzugs und man hörte Schritte und Rollen, die sich uns näherten. Im nächsten Moment betrat Jenny den Raum. Sie schob ihre Sonnenbrille von den Augen in die Haare und strahlte uns an. "Entschuldigt die Verspätung. Ihr braucht meine Hilfe?"

Um ihren Freund zu retten...Where stories live. Discover now