~Epilog~

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„Karla! Karla!“ Ich stehe vor dem Spiegel meines Zimmers und warte ungeduldig auf meine beste Freundin.
Ich bin ja so nervös! Wir hatten diesen Tag nun seit Jahren anvisiert, so genau geplant und doch habe ich Angst, dass etwas schief laufen könnte.
Standesamtlich sind wir schon seit zwei Jahren verheiratet. Ich hatte es kaum erwarten können und ihn bereits kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag gedrängt es doch endlich zu machen.
Kirchlich sollte danach natürlich noch folgen, aber wie so oft hat MAD dazwischen gefunkt.
Sie versuchten Madea zu befreien, mehrmals. Außerdem waren Kralle weitere seiner perfiden und verrückten Pläne eingefallen, die gestoppt werden mussten.
Und natürlich war das Hauptquartier mal wieder unterbesetzt, was hieß, dass ich rund um die Uhr im Einsatz war um das Schlimmste zu verhindern. Positiv muss ich allerdings anmerken, dass es äußerst angenehm war, und ist, von seiner großen Liebe Rückendeckung zu bekommen und nicht gegen ihn antreten zu müssen. Die neuen Handlanger von Kralle sind zudem bei weitem nicht so intelligent wie Titus, was unsere Missionen im Gegensatz zu früher stark vereinfacht. Unserer gebündelten Energie kann niemand stand halten.
Wenn mal keine Mission anstand hatten wir beide zusammen gesessen und diesen Tag hier geplant. Welche Kirche? Welche Leute? Catering? Musik? Deko? Fotografen? Wie konnte man die Gäste unterhalten? All das wollte geplant werden. Ich musste mich daneben auch noch um ein Kleid und Titus sich um einen Anzug kümmern. Natürlich war mir sofort der Gedanke gekommen, dass Karla das Kleid für mich schneidern konnte. Schließlich hatte sie auch das Abendkleid bezaubernd gestaltet. Ich selbst würde es mittlerweile auch schaffen es zu nähen, aber die Tradition verbietet es ja. Man soll sein Brautkleid nicht selbst nähen, weshalb auch immer.
Und während ich hier auf meine Trauzeugin Karla und das gekürzte Kleid warte steckt mein Tiger bestimmt mit seinem Trauzeugen, dem Professor, ebenfalls in den letzten Vorbereitungen. Wie es in dem Brief gestanden hatte verstehen ich und Titus uns  ausgesprochen gut mit dem Professor​. Titus sogar so gut, dass ich ihn an manchen Tagen nur abends zu Gesicht bekomme, weil er den kompletten Nachmittag in seinem zweiten Wohnzimmer, dem Labor des Professors verbringt.
Ich freue mich sehr für ihn. Ich hatte anfänglich etwas Sorge ob er denn im Hauptquartier aufgenommen wird oder als ehemaliges MAD Mitglied keinen Anschluss findet, doch seine enge Freundschaft mit dem Professor und die allgemeine Beliebtheit haben meine Zweifel mit der Zeit zerstreut.
„Ich bin schon da!“ Karla eilt mit einem großen, weißen Stoffberg in den Armen auf mich zu und hält es mir entgegen. „So, jetzt sollte die Länge genau zu deinen Schuhen passen. Ich hoffe es ist nicht zu kurz.“
So schnell wie möglich ziehe ich das Kleid an und lasse es von Karla schließen. Es sitzt perfekt und die Länge ist optimal. Karla kann es einfach! „Das hast du wirklich mal wieder fantastisch gemacht!“ „Danke, das freut mich und jetzt ab zu Maske und Frisör! Du willst doch wohl nicht so auf deiner Hochzeit aufkreuzen oder?“ Ihr Blick richtet sich auf meine leicht zerzausten Haare und sie schmunzelt. „Obwohl das auch was hätte..“ „Nein Karla!“ Unterbreche ich sie und bewege mich auf den benachbarten Raum zu. „Ich werde so nicht vor den Altar treten. Das Kleid ist bezaubernd, aber die Frisur würde alles ruinieren!“

„Wo bleibt sie denn…“ So langsam  beginne ich wirklich nervös zu werden. Ich meine damit nicht die normale Nervosität, die man an solch einem Tag sowieso schon mit sich herum trägt, nein ich meine die gesteigerte Variante. Manch einer würde es die blanke Panik nennen. Mir stehen schon Schweißperlen auf der Stirn, es soll bloß nichts schief gehen und Sophie ist bereits fünf Minuten zu spät. Naja, kann ja sein, dass der Verkehr dicht ist oder der Frisör länger braucht. Aber was, wenn ihr etwas zugestoßen ist? Wenn mein Onkel sie wieder geschnappt hat? Ach beruhig dich Titus! Wenn du so weiter schwitzt ruinierst du deinen Anzug und die Frisur! Ich muss tief Luft holen um meinen rasenden Puls nur halbwegs zu bändigen, er ist trotz alledem noch weit über der normalen Frequenz.
Der Pfarrer scheint dagegen noch nicht weiter beeindruckt oder verunsichert, scheinbar sind fünf Minuten Verspätung durchaus üblich.
Es werden zum Glück auch nicht mehr, denn nun ertönt der Hochzeitsmarsch und natürlich fixiert sich mein Blick sofort auf dem Eingang der Kirche. Die Türe öffnet sich und Sophie schreitet an der Hand ihres Onkels herein. Sie sieht so bezaubernd aus! Zwischen all den Blüten wirkt sie in ihrem weißen Kleid wie eine Fee, wie ein Engel!
Der durchsichtige Spitzenstoff, der ihre Schultern und das Dekolleté bedeckt scheint mit Strass besetzt zu sein, denn es glitzert wenn die Sonne auf den Stoff trifft. Das Kleid ist Tailliert geschnitten und eine  A -Linie, wie ich gelernt habe. Der herzförmige Ausschnitt betont ihr Dekolleté hervorragend und der Spitzenstoff, der das gesamte Kleid überzieht wirkt unbeschreiblich weiblich und sanft. Je näher sie kommt, desto mehr Details erkenne ich. Ihre Haare hat sie unter dem Schleier zu einer wundervollen Frisur hochgesteckt und sie zieht eine geschätzt zwei Meter lange Schleppe hinter sich her. Ihre komplette Figur wirkt so anmutig. Wie in einem Traum. Ich glaube ich sollte mich glücklich schätzen ein so wunderbares Wesen heiraten zu dürfen.
Während sie sie drei Stufen zu mir empor schreitet und Gadget sie mir mit wenigen Worten übergibt kann ich einen Blick auf die Rückansicht des Kleides werfen. Ich muss gestehen, ich bin verzaubert. Den Rücken ziert ein tiefer Ausschnitt, der ihre makellose Haut zum Vorschein bringt. Ich schlucke und hoffe überhaupt einen Ton heraus zu bekommen. „Du siehst atemberaubend schön aus.“ Hauche ich ihr zu und sie lächelt. „Du auch.“
Dabei bin ich in meinem Anzug doch relativ unbeeindruckend, oder nicht?  

„Sie dürfen die Braut nun küssen.“ Der Satz, den ich wieder vollkommen wahrnehme, nicht mehr durch den Schleier der Nervosität. Die Ansprache und das Gelübte waren wie durch Milchglas gewesen, doch sobald sie Ja gesagt hatte legte sich die Anspannung wieder und ich fand mich in der Realität. Ich kann die Magie des Moments richtig spüren. Sanft lege ich die Hand auf ihre Wange und küsse sie. Ich beginne etwas zaghaft, doch sie erwidert ihn deutlich vehementer und so verschmelzen wir in einem leidenschaftlichen Kuss.
Wie aus weiter Ferne höre ich den Applaus und das Pfeifen der anwesenden Gäste.
Ich könnte nicht glücklicher sein.

Nach der Trauung folgt der entspanntere Part. Das Essen und die Feierlichkeiten beginnen.
Zur Freude aller ist das bestellte Essen super gut und die angergierte Band ihren Preis auch wert.
„Titus, es ist schwer loszulassen, aber die Verantwortung für Sophie liegt nun bei dir. Pass gut auf sie auf.“ Gadget wirkt tatsächlich ein wenig geknickt. Oder gerührt, so gut kann ich das nicht auseinander halten. „Ja, ich werde auf sie Acht geben.“ Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir zwei jedes Hindernis, das uns in den Weg gestellt wird beiseite räumen können.
Bisher hat es ja auch immer funktioniert.

„Schatz, das ist unser Lied, ich glaube der Hochzeitstanz ist gefordert.“ Sophie zieht mich mehr oder minder liebevoll auf die Tanzfläche. Wenn sie könnte, würde sie vermutlich auch bei Tänzen die Führung übernehmen. Woanders tut sie es schon regelmäßig und es scheint ihr zu gefallen. Von der anfänglichen Schüchternheit im Bett ist mittlerweile beim besten Willen nicht mehr viel zu erkennen.
Den Tanz, den wir nun tanzen, haben wir in den letzten Wochen so oft geübt, dass wir die Choreographie auswendig können. Unsere Augen bleiben fixiert auf denen des Anderen, in ihnen liegt ein verträumter, glückseeliger Ausdruck. Der Tag läuft bisher perfekt.

Der Abend wird langsam später. Der Fototermin hat fantastische Bilder geliefert, die Gäste sind unbeschreiblich nett und die Atmosphäre so wie Sophie und ich es uns gewünscht haben.
Zum Abschluss haben wir eine Gruppe Artisten eingeladen, die der Feier noch einmal richtig einheizen.
Moment, was ist denn das? Sie ziehen ihre Kostüme aus und unter ihnen kommt die Uniform von MAD zum Vorschein. Es reicht ein kurzer Blick zu Sophie um zu wissen was wir denken.
„Selbst an unserer Hochzeit lässt uns die Arbeit nicht in Ruhe.“  Seufzt sie und kichert. „Wir wissen ja was wir zu tun haben.“ Dann steht sie auf, dreht sich zum Publikum. „Liebe Gäste. Aufgrund von unliebsamen Besuchern, die wir alle kennen, erkläre ich die Hochzeit für beendet. Wir beide werden zusammen mit einigen Leuten des Hauptquartiers hier bleiben um aufzuräumen. Vielen Dank für diesen wundervollen Tag. Er war traumhaft schön!“
Kurzerhand öffne ich auf ihr Weisen hin das Kleid, sie schlüpft raus und steht in Unterwäsche vor mir. Ah, das blaue Strumpfband hat sie auch. Was neues, was altes, was geliehenes, was blaues.
Geliehen sind die Schuhe, soweit ich eingeweiht bin und alt ist wohl das kleine Diadem auf ihrem Kopf. Das soll ihrer Großmutter gehört haben. Ich bin noch immer überrascht darüber, dass Gadget noch wusste wo er es hatte.
„Also dann…“ Murmele ich und nehme ihre Hand.
„Gemeinsam gegen den Rest der Welt! Nun als Ehepaar!“

Bis ans Ende der Welt (Inspector Gadget 2015)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt