Bestrafung und ein Kennenlernen

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„TITUUUUUUUUS!!“
Das Gebrüll seines Onkels klingelte noch immer in seinen Ohren, obwohl es mindestens schon zwei Stunden her war.
Seit dem hing er, ohne T-shirt, kopfüber von der Decke.
Langsam baumelte er, nur wenige Zentimeter über dem Boden, hin und her und versuchte seinen schmerzenden Rücken auszublenden.
Mad Katze saß keinen Meter entfernt von seinem Gesicht und säuberte sich die Pfoten.
Er war zwar froh gewesen, dass sein Onkel nicht schon wieder die Haifischnummer abgezogen hatte, aber ob die Situation nun besser war wusste er beim besten Willen nicht.
Die Katze hatte natürlich einen riesigen Spaß daran gehabt ihren neuen, menschlichen Kratzbaum auszutesten und grinste böse vor sich hin.
Dieses blöde Vieh!
Er wollte nicht wissen wie seine Kehrseite aussah.
Es brannte ungeheuerlich und ihm lief es noch immer warm den Rücken hinunter, in seine Haare.
Titus hoffte, dass es sich dabei um Schweiß handelte, wusste es aber eigentlich besser.
Denn aus seinen Haaren tropfte es monoton platschend auf den Boden, auf dem sich mittlerweile eine Pfütze aus seinem Blut gebildet hatte, wie er mit einem bedrückten Blick hinunter feststellte.
Er hatte aufgegeben sich befreien zu wollen. Der Knoten war zu stramm und zu allem Überfluss hatte sein Onkel ihn dabei erwischt und seine Hände zusätzlich an seine Seiten gebunden.
So langsam begann seine Sicht zu verschwimmen. Ihm lief das Blut in den Kopf.
Zumindest das, was sich noch in seinem Körper befand.
Mit einem bitteren Lächeln dachte er daran, dass es wissenschaftlich gesehen nicht gesund war mehr als 30 Minuten kopfüber zu hängen. Aber seinem Onkel war sein wohlergehen ja eh nicht so wichtig.
Wo steckte er überhaupt?
Normalerweise ließ er es sich nicht nehmen ihn in seiner Schmach zu beobachten. Aber heute war er nur einmal vorbei gekommen.
Der schwarzhaarige Junge hatte es satt als Kratzbaum zu dienen, die Bestrafung sollte endlich aufgehoben werden.
„Onkel Kralle!“ rief er in den leeren Raum hinein und hoffte, dass er gehört wurde.
„TITUS! Stör mich nicht!“ kam es nur eisig zurück, ehe er schwere Schritte auf dem Gang vernahm, gefolgt von weiteren Schritten.
Nanu? Hatte sein Onkel etwa Besuch?  
Mit einem lauten Knall schlug die Türe auf und sein Onkel trat ein.
Auf seinem Gesicht ließ sich seine Wut deutlich ablesen und noch etwas anderes.
Er hatte Lippenstift auf der Wange.
Kralle hatte Frauenbesuch.
Und der trat nun hinter ihm in den Raum.
Großgewachsen stand sie neben seinem Onkel, gekleidet in ein bodenlanges rotes Kleid, mit braunen Locken und südländischem Charme.
Ihre Augen blitzten böse, als sie sich auf Titus richteten.
„Das ist also dein nichtsnutziger Neffe? Wundert mich nicht, dass er nichts kann. Schau dir die halbe Portion doch mal an!“
„Ich bin nicht nichtsnutzig!“ motzte der Angesprochene zurück und wand sich in den Seilen.
„Dann hättest du bei den letzten Missionen nicht so versagt!“ brummte sein Onkel zurück.
„Ach komm schon Onkelchen! Vergiss die Erfolge nicht!“ Es waren zwar nicht sonderlich viele gewesen, aber er konnte sie doch nicht einfach so unter den Tisch fallen lassen.
„Na gut Titus. Eine letzte Chance hast du noch zu beweisen, dass du kein kompletter Versager bist.“
Onkel Kralle machte einige wenige Schritte auf ihn zu und schnitt das Seil durch.
Titus landete unsanft mit seinem Gesicht in der Blutlache auf dem Boden, da er sich nicht mit seinen Armen abfangen konnte, und stöhnte leicht.
„So ein Weichei.“ Die Frau schüttelte bloß den Kopf und wandte sich an Kralle.
„Wenn er das nächste Mal seinen Auftrag nicht hin bekommt werde ich ihn unterweisen und seine Missionen selbst übernehmen.
In der Mafia lernt man sehr schnell wie die Dinge laufen.
Fressen oder gefressen werden. Er hier wird eher gefressen als alles andere. Ein Wunder, dass das Hauptquartier ihn noch nicht einkassiert hat.“
„Moment mal!“ Schoss der schwarzhaarige Junge dazwischen, der sich befreit hatte und langsam aufrichtete. „Sie wollen meine Missionen übernehmen, wenn ich die nächste Aufgabe nicht schaffen sollte? Heißt das, dass ich dann KEINE Missionen mehr antreten darf?“
Die Frau nickt nur, ihr Gesicht blieb genauso eisig wie zuvor.
„Du hast dann Hausarrest und darfst pauken und trainieren!“ Beantwortete Kralle die Frage seines Neffen.
Das konnte nicht ihr Ernst sein! Sie konnten ihn doch nicht zuhause einsperren!
Dann sah er Sophie ja nicht mehr.
Und der ganze Spaß fehlte auch.
Wütend ballte er die Faust.
„Sie….“ Er wollte ihr eigentlich eine Beleidigung an den Kopf werfen, aber ihm fiel nichts ein was seiner aktuellen Wut genug entsprochen hätte. Nichts was er kannte war schlimm genug.
„Mein Name ist übrigens Madea.“ Stellte sich die Frau nun im Gegenzug vor und hielt ihre ausgestreckte Hand seiner Faust entgegen.
„Also nenn mich auch bitte so, schließlich bin ich vielleicht bald deine Tante.“
Titus blickte sie mit zusammengekniffenen Augen an und ließ seine Hand sinken, ergriff ihre aber nicht.
Daraufhin schallte ein lauter Schlag durch den Raum und Titus hielt sich die nun ebenfalls brennende Wange. Wieso wurde er dauernd von Frauen geohrfeigt?
„Wenn einem die Hand angeboten wird, dann nimmt man sie auch. Verstanden?“
Die Frau war Titus noch unsympathischer als sein Onkel und das war schon eine Leistung.
„Ja, ich habe es verstanden.“ Grummelte er. „Darf ich jetzt gehen?“
Madea und Onkel Kralle stimmten beide zu und erleichtert entspannte sich Titus ein wenig.
„Viel Spaß noch bei dem Date!“ sagte er noch, als er den Raum verließ und sich in sein Zimmer begab.
Danach beeilte er sich die Zimmertüre abzuschließen, damit die beiden Erwachsenen bloß auf keine dummen Gedanken kamen.

Mit einem tiefen Seufzer setzte er sich auf sein Bett und versuchte seinen Kreislauf in den Griff zu bekommen. Die Welt drehte sich noch immer um ihn, aber langsam wurde es besser.
Er stützte seine Arme auf die Knie und seinen Kopf in die Hände und schloss die Augen.
Es fühlte sich an wie auf hoher See, alles schwankte.
Seine Gedanken kreisten noch immer darum, dass er es auf keinen Fall zulassen durfte, dass man ihm die Missionen wegnahm. Er musste  die nächsten Aufträge mit Bravour meistern, auch wenn es hieß Sophie ernsthaft bekämpfen zu müssen.
Das war ihm lieber als die Alternative und sie nie wieder zu sehen.
Langsam kam die Welt zum Stehen und er stand wieder auf, ging zu seinem Schrank und öffnete ihn um ein leichenblasses Gesicht in seinem Spiegel zu erblicken.
Seine Haare standen hoch, doch bei dem Stabilisator handelte es sich nicht um sein übliches Haargel sondern um verkrustetes Blut. Das verlieh seinen Haaren nicht den üblichen lila Glanz, sondern dunkelrote Schatten.
Auf seiner Wange hob sich der Handabruck Madeas in leuchtendem Rot von der sonst so fahlen Gesichtshaut ab und als er sich drehte um seinen Rücken zu betrachten musste er Schlucken.
Er war übersät mit langen und zum Teil sehr tiefen Kratzspuren. Die komplette Haut war rot, zerkratzt, geschwollen und mit Blut verkrustet. Flächendeckend.  
Hier und da hob sich eine ältere, weiße Narbe von dem Rot ab, aber das waren nur wenige.
Vorsichtig betastete er seinen Rücken und zuckte sofort zusammen, als der stechende Schmerz durch seinen Körper fuhr.
Er musste sich dringend darum kümmern, die Wunden waschen und versorgen.
Zum Glück hatte er ein kleines Badezimmer, das direkt an seinem Zimmer angeschlossen war. Anders ließ sich das auch nicht regeln, denn sein Onkel verbrachte gerne Stunden im Bad. Und das war nicht übertrieben.
Er schnappte sich ein altes Handtuch, befeuchtete es und begann dann vorsichtig seine Wunden abzutupfen und von den Blutspuren und dem Dreck zu befreien.
Danach stellte er die Dusche an und hielt seinen Kopf unter das kalte Wasser.
Davon erhoffte er sich erstens saubere Haare und zweitens einen klareren Kopf.
Zufrieden betrachtete er sich danach im Badezimmerspiegel.
Jetzt sahen wenigstens seine Haare wieder normal aus.
Zurück zu den Wunden auf seinem Rücken.
Im Schrank des Badezimmers hatte er schon lange Alkohol und Wundsalben gehortet, man wusste ja nie, wann sein Onkel mal wieder ausrastete.
Er musste die Zähne zusammenbeißen als der beißende Alkohol auf seine brennenden Wunden traf und Tränen stiegen ihm in die Augen.
Doch er wusste, dass es notwendig war um alle Keime abzutöten und Entzündungen vorzubeugen.
Da musste er durch.
Die Salbe, die er hinterher noch auf die Wunden schmierte, sollte den Heilungsprozess beschleunigen und brannte glücklicherweise etwas weniger als die Prozedur zuvor.
Leider erreichte er nicht alle Stellen seines Rückens, aber es musste so gehen, er hatte schließlich niemanden der ihm dabei helfen konnte.
Zu guter Letzt fehlte noch der Verband. Meistens hinderte er ihn eher beim Arbeiten, aber er hatte es einmal ohne ihn ausprobiert und es bitter bereut.
Als er fertig war fühlte sich Titus schon um einiges besser und beschloss schlafen zu gehen um sich von den Strapazen zu erholen.
Aber morgen, morgen würde er durchstarten!
Er konnte sich nicht leisten seine Sophie zu verlieren.
Er wollte sie sehen können.
Also musste er sich den Herausforderungen stellen und beweisen, dass er ein Superschurke war.
Er würde niemanden enttäuschen. Seinen Onkel nicht, Sophie nicht und am wenigsten sich selbst.

Bis ans Ende der Welt (Inspector Gadget 2015)Where stories live. Discover now