Überraschende Rettung

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„Das erklärt natürlich einiges.“ Chef Gontier ging in seinem Büro auf und ab. Titus hatte ihm zuvor von seiner Lebensgeschichte und den Verwandtschaftsverhältnissen erzählt.
„Ich dachte mir schon, dass ich dich kenne. Du hast immer gegen Sophie gekämpft, stimmts? Allerdings sind meine Augen nicht mehr so gut wie sie mal waren und von Weitem sehen sich so viele Menschen ähnlich..“ er seufzte. „Aber wie ich sehe hast du den Absprung geschafft. Ich hoffe zumindest, dass wir dir trauen können, ein Auge werde ich trotzdem immer auf dich haben. Nicht, dass dich deine Vergangenheit wieder einholt.“
Titus schwieg. Er hatte sich schon auf vieles gefasst gemacht, aber bisher lief es eigentlich recht positiv.
„Tja, da sieht man mal wieder die Macht der Liebe.“ Der Chef lächelte, blickte in die Ferne und lief rot an. „ach ja…. Wie auch immer. Da hast du aber eine schöne Liebesgeschichte. Kämpfst erst gegen sie und wechselst dann aus Liebe die Seiten…ich wünschte bei mir wäre es ebenso romantisch. Man kann es sich nicht aussuchen..Wie dem auch sei..“ Er räusperte sich lautstark. „ All das rumgesülze hilft uns nicht dabei Sophie und Gadget zu finden.“
Titus nickte, fragte sich aber insgeheim wen Gontier wohl gemeint hatte. „Gibt es schon Neuigkeiten?“ „Nein, leider noch nicht. Sie sind auf einem Schiff.. das war der letzte Stand der Dinge. Und die Göre, die wir gefangen haben will auch nicht reden. War ja auch kaum anders zu erwarten.“ „Das stimmt. Sie redet zwar viel, aber immer am Thema vorbei..bin ich froh, dass ich ihr nicht mehr zuhören muss.“ Er schüttelte sich bei dem Gedanken. „Und diese Frau sollte ich heiraten….“ „Glaub mir..“ Gontier warf ihm einen ernsten Blick über die Brillengläser hinweg zu. „.. meine Exfrau war schlimmer.“

Sophie war schlecht. Alles drehte sich und sie war ernsthaft froh schon so lange nichts mehr gegessen zu haben. Das wäre ihr in dieser Situation bloß wieder hoch gekommen.
Mittlerweile war sie sich beinahe sicher, dass sie sich auf hoher See befanden. Der Raum hatte auch die richtige Größe für einen Container, oder irrte sie sich?
Zumindest war alles aus Metall, es gab keine Fenster und bloß eine Türe. All das sprach dafür.
Und sie schwankten gewaltig. Sophie rutschte mit dem Stuhl immer wieder von einer Wand zur Anderen. Ihr Onkel war mit dem Stuhl zusammen umgekippt und rutschte daher weniger als sie, er lag seitlich auf dem Boden, den Rücken an die Wand gepresst. Hoffentlich ging es ihm gut.
Wer wusste schon was sie ihm angetan hatten.
Neben dem Quietschen des Stuhles hörte sie nun deutlich und klar die Brandung, die gegen das Schiff zu schlagen schien. Monoton, regelmäßig, beinahe beruhigend. Wie gesagt, beinahe. Vielleicht hätte die beruhigende Wirkung eingesetzt, wenn sie im Urlaub wäre, auf einem Kreuzfahrtschiff, aber nicht gefangen in einem Frachtcontainer.
Da eine kleine Glühbirne die einzige Lichtquelle im Raum war und kein Tageslicht hereindrang wusste sie nicht wie spät es war, ganz zu schweigen davon, dass sie nicht wusste, wie lange sie schon unterwegs waren. Natürlich war ein Container auf einem Hochseefrachter ein ideales Versteck. Da konnte man wirklich lange suchen. Madea war definitiv vieles, aber nicht dumm. Das wusste Sophie mittlerweile zu gut.
Sie konnte sich nicht darauf verlassen, dass man sie fand. Es musste einen Weg geben, wie sie sich selbst befreien konnte.  
Sophie rüttelte an den Fesseln, die sie am Stuhl hielten, doch diese gaben nicht nach. So ein Mist! Da hatte MAD wohl wirklich mal gute Arbeit geleistet. Das kam selten vor. Ohne MAdea wären sie bestimmt nie so weit gekommen.
Aufgeben gab es allerdings trotz dieser Erkenntnis nicht. Daran war nicht zu denken.
Das Bild von Titus flackerte vor ihren Augen auf, wie er verzweifelt nach ihr suchte.
Er würde sie nicht finden. Sie waren zu gut versteckt, irgendwo auf dem Meer. Einer von unzähligen Hochseefrachtern.
Noch einmal riss sie an den Seilen und spürte wie sich ihre Hände lockerten. Nach ein wenig Gefummel konnte sie schließlich ihre Arme wieder vor sich heben und sah nun ihren Lebensretter.  Es war die Uhr. Die Uhr, die es ihr schon ermöglicht hatte das HQ zu informieren.
Sie lächelte glücklich. „Du bekommst auf jeden Fall ein Upgrade.“
Die Seite der Uhr war, vermutlich bei dem Sturz zuvor abgeplatzt und hatte eine scharfe metallische Kante freigelegt. Fast so gut wie ein Messer.  
So leise wie möglich befreite sie nun auch ihre Beine von den Schlingen um aufstehen und die Lage erkunden zu können.
Ihr fiel es reichlich schwer das Gleichgewicht zu halten da das Schiff tatsächlich schwankte und ihre Beine noch immer taub von den Fesseln waren. Doch nach kurzer Zeit hatte sie sich an die Verhältnisse gewöhnt und checkte zuerst ob ihr Onkel überhaupt noch lebte.
Das tat er zum Glück noch, er atmete leise vor sich hin, ließ sich jedoch auch durch nichts aufwecken. Was hatten sie bloß mit ihm angestellt?
Sophie seufze. Wie sollte sie hier bloß weg kommen? Nicht einmal Fino war hier um zu helfen. Hoffentlich konnte er im Hauptquartier mehr bewirken als sie in dem Container.
Nach ihrem Onkel nahm sie die Türe ins Visier, eine große, Massive Metalltüre.
Sie war verschlossen, wie nicht anders zu erwarten war, doch anstelle des für Container typischen Schließmechanismus befand sich hier ein ganz normales Schlüsselloch.
Das blonde Mädchen  lächelte leicht optimistisch. „Das könnte gehen..“ murmelte sie und zog eine Haarklammer unter einem ihrer Zopfgummis hervor. Eine Strähne fiel heraus, aber das störte nicht weiter, sie ignorierte es und begann die Spange zurecht zu biegen.
Sie sollte mehr dieser Kurse und Projekte belegen. Bisher hatten alle ihren Sinn erfüllt, selbst das Schlossknackseminar kam  ihr jetzt zugute.
Doch bevor Sophie ansetzen konnte hörte sie Schritte. Verdammt, was sollte sie jetzt bloß machen?

„Alice, du musst uns sagen wenn du weißt auf welchem Schiff sie sind!“ Titus stand entnervt vor der Zellentüre. So viel zu: Ich rede nie mehr mit ihr, dachte er. Aber ihnen gingen die Optionen aus.
Es waren bereits drei Tage vergangen und sie waren keinen Schritt weiter gekommen, da musste man zu jedem Strohhalm greifen den man finden konnte. Und der hieß in ihrem Fall leider Alice, schmollte vor sich hin und wollte kein Wort sagen. Ihr Anwalt war vorbei  gekommen und hatte ihr eingetrichtert nichts zu sagen wenn er nicht dabei war und daran hielt sie sich konsequent.
„Na gut, ich komme später wieder, vielleicht bist du dann ja ein wenig redseliger.“ Er glaubte zwar nicht wirklich daran, aber er würde es weiterhin versuchen. Wenn sie überhaupt mit jemandem reden würde, dann mit ihm.
„Tja, sie redet noch immer kein Wort.“ Brummte er nun, als er Gontiers Büro betrat. „Wundert mich kaum.“ Gestand dieser ein wenig niedergeschlagen und rieb sich die Schläfen. „Wenn das so weiter geht sehe ich keine großen Chancen auf Erfolg.“
Leider musste ihm Titus auch in diesem Punkt zustimmen.
Doch plötzlich hörten sie die Bürotüre aufschlagen und eine Frau trat ein. „Vielleicht kann ich ihnen ja helfen.“
„SIE?“ Titus fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Mit ihr hatte er nicht gerechnet.

Sophie schlug das Herz bis zum Hals, als sie zurückstolperte, sich auf ihren Stuhl setzte und versuchte die Fesseln an ihren Beinen so zu arrangieren, dass es aussah als wären sie noch intakt.
Danach versteckte sie die Hände hinter ihrem Rücken und wartete.
Langsam schwang die Türe auf und eine Frau trat herein. Sie sah noch einmal über die Schulter, als wolle sie sicher gehen, dass ihr niemand folgte und schloss die Tür leise hinter sich.
Im Halbdunkeln konnte Sophie nicht sofort erkennen um wen es sich handelte, doch als sie näher trat staunte sie nicht schlecht. „Madria?“ Die Frau hielt den Finger an die Lippen. „Psst. Ich wäre froh wenn du mich Allison oder Miss Spiros nennst. Ich bin hier um dich raus zu holen.“ Nun war Sophie komplett verwirrt. „Sie arbeiten nicht für MAD?“ Allison lächelte sanft. Von ihrer gewohnten Militärausstrahlung war kaum etwas zu erkennen. „Wo denkst du hin, Mäuschen. Ich bin noch immer ein Hauptquartier Agent. Ich ermittele verdeckt! Hast du dich nie gefragt woher das HQ immer so früh über die Pläne von MAD Bescheid weiß?“ „Du bist die Informantin?!“ „Haargenau. Und jetzt müssen wir uns beeilen, die Wachen machen  Mittagspause, aber das Zeitfenster ist eng. Schwing deinen Hintern hoch und folge mir.“ Miss Spiros streckte ihr die Hand hin und Sophie nahm sie. „Woher wussten sie, dass ich mich schon befreit hatte?“
„Fingerabdrücke an der Türe, Liebes. Außerdem  sind die Seile zu locker. Ich habe schließlich geschulte Augen.“ Wie hatte sie davon ausgehen können, dass es nicht auffiel? Da konnte sie von Glück sagen, dass es eine Verbündete gewesen war und nicht der Feind. „Was machen wir mit Onkel Gadget?“ fragte sie nun mit einem Blick auf den bewusstlosen Mann.
„Den müssen wir erst einmal hier lassen. Wenn einer flieht ist es ein Unfall, wenn zwei fliehen wurde geholfen. Ich würde ungerne meine Tarnung auffliegen lassen. Aber natürlich holen wir ihn so schnell wie möglich da raus.“ Sophie verstand Allisons Einwand. Es stand zu viel auf dem Spiel. Die Informationen über MAD waren viel zu wichtig.
„Ist gut.“ Murmelte sie und folgte ihr zur Türe.
„Ich weiß, du hast viele Fragen. Ich werde alle beantworten wenn wir an einem sicheren Ort sind.“ Allison hatte beschwichtigend die Hand  auf ihre Schulter gelegt. Sophie blieb nichts übrig als zu nicken und sich die Fragen für später zu merken.
Hinter der Türe befand sich ein langer Gang, an dem auf beiden Seiten Container aneinander gereiht standen.
„Hier entlang.“ Die Frau zog sie in einen Seitengang und lief bis zu Reling. „Spring!“ verlangte sie nun und ehe Sophie antworten konnte hatte sich Allison schon über Bord fallen lassen.
Entsetzt blickte Sophie an dem Boot hinunter und sah im Wasser ein kleines Motorboot treiben, von dem aus ihr zugewunken wurde. „Jetzt komm schon, bevor sie dich erwischen.“
Das musste sie ihr nicht zweimal sagen. Mit einem großen Satz landete sie neben Allison auf dem Boot, die dem Fahrer einige Anweisungen gab und ihr eine Decke reichte.
„Dir ist bestimmt etwas kühl. Hier, bevor du dich erkältest. Unser Fahrer ist übrigens mein Freund Jose. Küstenwache. Wir sorgen dafür, dass du heil in dem Hotel ankommst, das wir ausgesucht haben.“

Einige Zeit später erreichten sie den Hafen und das Hotel. Es war ein Nobelhotel. Fünf Sterne Plus. Womit sie das verdient hatte war ihr zwar nicht ganz klar, aber sie würde nicht nein dazu sagen.
„So da wären wir“ Allison hielt ihr den Zimmerschlüssel entgegen. „Ruh dich aus, iss etwas. Und unter uns: Du wirst bereits erwartet. Er ließ sich nicht abwimmeln. Wollte unbedingt mitkommen.“ Sie zwinkerte, drehte sich um und ging.
An ihrem Zimmer angekommen schloss sie auf und fand eine riesige Suite vor. Überall standen Kerzen und auf dem Bett lagen Rosenblätter. „Hallo Schnuckelchen.“ Ertönte es nun aus einem Stuhl beim Kamin und ohne zu zögern schmiss sie sich ihrem Liebsten an den Hals.
„Ich habe dich so vermisst, Titus.“

Bis ans Ende der Welt (Inspector Gadget 2015)Where stories live. Discover now