Zeitlinien

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„Komm mit.“ Der Professor  hielt Sophie seine Hand entgegen. „Ich will dir gerne alles erzählen, aber nur an einem Ort der sicher ist.“ Ohne lange zu zögern nahm sie die Einladung an und folgte Professor Rhotoskop zum Hauptquartier. Wenn es eine Möglichkeit gab Titus zu retten würde sie alles dafür geben. Er sollte nur zurück zu ihr. Sie vermisste ihn so schrecklich.
„So da wären wir.“ Der rothaarige Mann schloss sein Labor auf und führte sie hinein.
Zu Sophies erstaunen war es unglaublich aufgeräumt und nicht so unordentlich wie sie es kannte.
Auf den Stühlen stapelten sich keine Berge von Laborkitteln, die Tische waren sauber und wiesen keine Rückstände dubioser Chemikalien auf. Es wirkte beinahe schon verstörend steril.
„Ja, deinen Blick kenne ich, bist nicht die Erste..“ Murmelte der Professor zerstreut und sah sich suchend um. „Wo ist denn nur der Fernseher? Naja wie auch immer, Titus hat mir die Vorteile von Ordnung gezeigt. Ich finde jetzt auch meistens das was ich suche…Ah, da ist der Fernseher ja.“
Schnellen Schrittes eilte er zu dem Gerät um die Fernbedienung zu holen und schob anschließend einen Stuhl zu Sophie. „Setz dich.“ Forderte er und sie tat was er sagte. Sein Gesichtsausdruck war ernst. „Bevor wir zu dem eigentlichen Thema kommen wollte ich dir gerne noch die neuesten Entwicklungen hinsichtlich MAD zeigen. Da du auf der Beerdigung warst hast du davon bestimmt noch nicht gehört.“ „Was denn gehört?“ Wollte die blonde Frau wissen.
Ohne eine Antwort schaltete der Professor den Fernseher ein und die Stimme des Nachrichtensprechers erklang.
„Der Organisation MAD ist unseren Informationen zufolge erneut ein mächtiger Schlag gegen das Hauptquartier und die Demokratie gelungen. Aus sicherer Quelle haben wir erfahren, dass das hochrangige HQ Mitglied, Inspector Gadget, von MAD hingerichtet worden ist. Wird unser System zerfallen wenn es so weiter geht? Endet es in Anarchie? Wir werden weiterhin ein Auge auf die Entwicklungen haben.“ Nach dem Beitrag schaltete er das Gerät wieder aus und Sophie saß nur mit großen Augen auf dem Stuhl. Ihre Trauer um Titus war noch so stark, dass diese Information keinen großen zusätzlichen Schlag für sie bedeutete.
Es war schlimm, aber die Welt war sowieso schon aus den Fugen.
„Onkel Gadget jetzt auch noch? Was sollen wir bloß tun? Es ist doch gar nicht möglich beide zu retten, oder?“ Flehend blickte sie zu Rhotoskop, der ihr ein zuversichtliches Lächeln schenkte. „Wie gesagt, ich habe da eine Idee, aber es wird nicht einfach.“
„Ich bin für alles offen!“   Ihre Fingernägel krallten sich in den Bezug des Sitzes. Sie musste es zumindest versuchen. „Na gut. Ich nenne ein Schlagwort… Zeitreise. Es ist riskant, da es bisher noch nie so funktionierte wie geplant, aber es ist die einzige Möglichkeit alles wieder in die rechte Bahn zu rücken. Bist du dabei?“
Sophie erinnerte sich daran, was bisher schon alles schief gelaufen war. Sie hatte in einer Zeitschleife fest gesteckt und mit Titus die Gegenwart geändert, Kralle gut und MAD Katze noch böser gemacht. Richtig geglückt war ihr Auftrag jedoch in keinem der Fälle.
„Oh ja, ich bin dabei. Aber ich erinnere mich sehr gut an die Fehlschläge… gibt es keine Möglichkeit das irgendwie besser zu organisieren? Wir müssen alles durch sprechen. Ich habe keine Lust erneut in einer Zeitschleife fest zu sitzen. Außerdem weiß ich beim besten Willen nicht, wie ich Titus retten soll.“ Der Professor legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. „Keine Panik, alles nacheinander. So etwas muss gut organisiert werden. Wir schaffen das schon.“
Sophie nickte und hoffte, dass sie alles auf die Reihe bekamen. „Schlimmer werden als jetzt kann es jedenfalls nicht.“

Es waren einige Monate vergangen. Das Hauptquartier war im Kriegsmodus mit MAD, sie lieferten sich Straßenschlachten, Autos brannten, Bomben explodierten und generell verschlechterte sich die Situation dramatisch.
Der Professor und Sophie hatten viele Gespräche geführt, einen Plan gestaltet und die Maschine gewartet und verbessert.  Sie wussten, dass dies die einzige Möglichkeit sein würde wieder den Normalzustand herzustellen. Und heute war der große Tag. Sophie würde zurück reisen um Titus und ihren Onkel vor dem Tod und die Gesellschaft vor dem Kollabieren zu bewahren. So viel Gewicht auf ihren Schultern. Wenn es fehl schlug wäre alles umsonst gewesen. MAD würde die Weltherrschaft übernehmen und alle unterdrücken. Das durfte sie nicht zulassen. Sie musste sich der Verantwortung stellen.
Langsam strich sie über den Brief, geschrieben um ihr selbst und Titus die Situation zu erklären und ließ ihn langsam in die Tasche ihres weißen Kleides rutschen.
Karla hatte ihr erneut ein Kleid genäht. Diesmal war es komplett weiß, bestand aus Chiffon und waberte  bei dem kleinsten Windzug wie eine Wolke um sie herum.
Ihre Haare hatte sie zu einem Dutt streng nach hinten gebunden, Schneeflocken aus Kunststoff steckten in ihm.  Geschminkt war sie auch bloß in Weiß, hell gepudert, mit bläulichem Lippenstift.
Ihre Wimpern waren mit hellblauem Glitter bestreut und ihr komplettes Erscheinungsbild glich dem eines Geistes.
Ein letztes Mal drehte sie sich vor dem Spiegel und sah den Stoff um sie herum flattern.
Verabschiede dich, dachte sie. Das hier wird dein letzter Auftrag.
„Kommst du, wir wollen starten.“ Hörte sie nun die Stimme des Professors und begab sich in die Halle, in der das große Zeittor aufgebaut wurde.
„Ich bin anwesend.“ Murmelte sie. Sie hatte Angst. Aber das war das Normalste der Welt.
Sie nahm wahr wie Professor Rhotoskop sie fest in den Arm nahm. Über die letzten Monate waren sie zu engen Freunden geworden. Er und Fino, waren quasi das, was von ihrer Familie noch übrig geblieben war. Man hatte viel Zeit miteinander verbracht und die Schrullen des Anderen zu mögen gelernt. Hätte Sophie jemals einen großen Bruder gehabt wäre er sicherlich wie der Professor gewesen.  „Ich werde dich vermissen.“ Murmelte sie und umarmte ihn zurück. „Ich dich auch, aber du musst los. Die Welt rettet sich nicht von selber.“ Sie nickte bloß und löste sich von ihm um sich an Fino zu kuscheln. „Keine Sorge, ich halte mich an den Plan. Es geht nichts schief.“ Doch Fino jaulte bloß auf. Sie wusste, dass er keine Familie mehr besaß wenn sie auch fort war, doch daran konnte sie leider nichts ändern. „Halt dich an den Professor und alles wird gut.“
Die blonde Frau stand aus der Hocke auf und schritt auf das Tor zu, das sie durch die Zeit reisen ließ. Ohne einen Blick zurück zu werfen trat sie hindurch und fand sich wie geplant in der Abstellkammer des Zoogebäudes wieder.
Möglichst damenhaft und ohne großes Aufsehen verließ sie den kleinen Raum und betrat den Saal.
Es schien noch früh zu sein. Nur wenige Gäste saßen an den Tischen. Ihr jüngeres Selbst und Titus konnte sich auch noch nirgends sehen. Kein Wunder, sie wären ja beinahe zu spät gekommen.
Elegant ließ sie sich auf einen der Stühle sinken und wartete auf ihren Einsatz.
Der Abend zog sich, doch sie verlor nie die zwei Turteltauben aus dem Blick.
„Wie schön wir zwei doch aussahen.“ Murmelte sie zu sich selbst, als sie Titus und ihr Ebenbild auf dem Parkett tanzen sah. Sie wusste, ein Tanz noch, dann musste sie sich auf ihren Einsatz vorbereiten. Sie war den Mitgliedern von MAD gefolgt und wusste wo ihr Onkel festgehalten wurde. Schnell hatte sie eine servierte genommen, die Zimmernummer notiert und es zu dem Brief in den Umschlag gesteckt.
Nun begann der Walzer zu spielen, der sich bei ihr im Gehirn eingebrannt hatte. Der Walzer bei dem Titus starb.
Nicht heute.
Sie stand auf und betrat alleine die Tanzfläche. Sie tat so, als wolle sie den Raum durchqueren und nicht tanzen, ehe sie vor dem Pärchen stehen blieb und Ausschau nach Madea hielt.
Sie stand an einer Säule und hob den Lippenstift, nein, das Blasrohr grade zu ihren Lippen.
Es war ihr Einsatz, sie sprang.
Der Pfeil traf sie genau in der Brust.

Bis ans Ende der Welt (Inspector Gadget 2015)Место, где живут истории. Откройте их для себя