Ohne jeglichen Willen nahm ich die Treppen zu meinem Zimmer und machte mich bereit auf die heutige Nacht.

Ohne etwas zu sehen, starrte ich von meinem Bett aus in die Dunkelheit. Mein Körper brannte an den Stellen, an denen ich vorher versucht hatte die Spuren dieser Nacht zu beseitigen. Doch auch wenn sie von meiner Haut verschwanden, mein Gedächtnis würden sie nie vergessen. Die Erlebnisse, welche mich in der Nacht weckten und mich weinen liessen. Gesichter verfolgten mich in meinen Träumen und ihre Stimmen klangen schrill in meinen Ohren nach, selbst meine heile Welt konnte sie nicht vertreiben. So bildeten sich mit der Zeit dunkle Schatten unter meinen Augen, welche nicht mehr verschwinden würden, bis ich meinen schlaflosen Nächten langsam während dem nie wieder endenden Schlaf aufholen könnte.

Meine und seine Bücher ergossen sich über den Schulflur.

„Tut mir Leid."

Ein missbilligendes Schnalzen war von ihm zu vernehmen.

„Kannst du nicht mal aufpassen, wo du langläufst? Sieht jedenfalls nicht so aus, als hättest du besseres zu tun."

Ein paar Jungs halfen ihm die Bücher zu sammeln, während vier Mädchen sich ihm förmlich um den Hals warfen und dabei verächtlich lachten. Jedes andere Mädchen wäre rot geworden und vor Scham weggerannt mit einen der beliebtesten Jungs aus der 3. So zusammen zu stossen. Doch ich war anders. Ich schaute sie bloss ruhig an und drehte mich um.

„He, was fällt dir ein, dich von mir so abzudrehen. Du schuldest mir noch etwas! He ich rede mit dir Schlampe!"

Ich lief weiter. Hier war nicht dieser Ort, hier konnte niemand meine Welt betreten. Ich spürte eine Hand um mein Handgelenk, dort, wo auch er mich gepackt hatte. kurz bevor mich der Typ von vorher herumriss, riss ich mich zusammen. Ich durfte keinen Ärger machen, nicht auffallen. Wenn ich ihn jetzt nicht gewähren liess, könnte ich nicht mehr abtauchen. Ich schaute in zwei selbstsichere blaue Augen, welche vergnügt aufblitzten und beruhigte mich mühsam.

„Ich fordere für dieses Vergehen deinen allerersten Kuss. Du kannst dich glücklich schätzen, ein paar Mädchen würden töten um in deiner Haut zu stecken."

Seine Freunde hinter ihm lachten laut auf und kreisten mit den Hüften umher wie geifernde Wölfe. Angestachelt durch die anderen presste er seine Lippen auf meine. Ich blieb still stehen und beobachtete ihn. Da ich weder mich wehrte noch ihm um den Hals fiel, wurde er wütend. Er zwang seine Zunge in meinen Rachen. Erst nachdem ich ihn danach immer noch kühl beobachtete, riss er sich von mir los.

„ Was geht denn mit dir ab? Hat es dir so gut gefallen, dass du erstarrt bist?"

Ich schaue ihn ruhig an. Ich musste aufpassen, es hatte sich eine erhebliche Menge gebildet.

„Hier hattest du deine Entschädigung."

Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge.

„Was läuft falsch mit dieser Schlampe? Wieso bleibt sie so kühl dabei, es war ihr erster Kuss?"

Der Typ rannte mir nach und riss mich nach hinten an seinen Körper. Ich spürte seine Wärme durch meine Kleider, doch nicht mit dem hatte ich zu kämpfen. Eine Erinnerung spielte so klar vor mir ab, als wäre es hier und jetzt. Ein Raum in dem Haus an diesem Ort. Genau wie jetzt lagen Hände an meiner Hüfte. Sie gehörten einem Mann, während im Ecken der Typ mit dem Codenamen Bulldogge stand.

„Warum hast du sie überhaupt gekauft? Du weisst, dass Mädchen für nichts zu gebrauchen sind, ausser für das Bordell. Sie ist zwar recht hübsch, wird jedoch wahrscheinlich kein grosser Geldbringer sein, so wie die sich ziert."

Ein dröhnendes Lachen erklang.

„Na ja wie dem auch sein, ich werde sie mal testen."

Meine hohen, kindlichen Schreie liessen mich zusammenzucken. Ich wandte mich von meiner Gestalt und dem Mann ab und sah zur Bulldogge. Zuerst schaute er zufrieden zu, doch plötzlich veränderte sich etwas. Entsetzen breitete sich nun auf dem bleichen Gesicht der Bulldogge aus. Mit raschen Schritten ging er zwischen den Mann und mir und unterbrach das Vorhaben.

„Ich werde sie wie einen Jungen trainieren, mal sehen, wie sie es macht."

Endlich hatte ich mich soweit wieder im Griff, dass ich die Erinnerungen herunterdrücken konnte. Es war nur ein winziger Augenblick vergangen. Nur mit Mühe und Not konnte ich mich zusammenreissen, nicht vor diesen Händen auf mir und dieser Wärme zu flüchten. Er beugte sich zu meinem Kopf, sodass sein Mund direkt neben seinem Ohr lag.

„Und gefällt es dir in meinen Armen? So sehr wie unser erster Kuss?"

Diese Nähe konnte ich nicht mehr ertragen.

„Welcher erste Kuss? Wer sagt, dass dies mein Erster war? Der erste Richtige kann man nicht erzwingen, da es nur zählt, wenn man Gefühle für diese Person hegt. Wenn du mich also jetzt bitte entschuldigen würdest."

Mit knapper Selbstbeherrschung konnte ich mich zu einem schnellen Schritt durchringen und damit ins Freie flüchten und weiter über den Horizont in meine eigene Welt, die mich warm aufnahm und mich heilte. Ich dachte nicht daran, dass ich eine Regel gebrochen hatte und was mich nun erwarten wird. Ich dachte weder an meine Träume noch an meine Vergangenheit. Langsam verblassten die Farben der Erinnerung von vorher und wurden zurück eingesperrt mit den anderen schmerzlichen Erfahrungen, welche ich nicht mehr haben wollte. Ich hob mein Gesicht in die Brise und wünschte mir mit dem Wind zu gehen und all dies hinter mir zu lassen, nur noch ein Element zu sein ohne Sorgen oder Vergangenheit. Doch als ich die Kirchenglocke schlagen hörte, wusste ich, dass die Vergangenheit gleich wieder in der Realität auftauchen würde, wenn ich zu diesem Ort zurückkehren musste.

Blinded: Rache von Feuer und WindWhere stories live. Discover now