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F A Y E

"Könntest du mir jetzt mal bitte erklären, wo du hinwillst?", fragte Tyler, während er auf die Landstraße bog, die ich ihm angedeutet hatte.

"Warte...", zog ich es hinaus und wartete bis zur nächsten Abzweigung. "Jetzt musst du nach links."

Tyler riss das Lenkrad nach links und ich weitete meine Augen. "Nein nein, nach rechts! Rechts!"

Mein Bruder stöhnte genervt auf und riss das Lenkrad im letzten Moment wieder nach rechts, bevor er in die Straße einbog. Ich war froh, dass hinter uns niemand fuhr.

"Faye", knurrte er warnend und ich seufzte, wusste, dass er das Spiel nicht mehr lange mitspielen würde. Aber ich musste ihn noch ein wenig hinhalten, sonst war die Chance zu groß, dass er einfach wieder umdrehte.

"Was?", fragte ich scheinheilig und nestelte an seinem Radio herum, stellte augenblicklich die Lautstärke höher, als ich eine Melodie durch die Lautsprecher spielen hörte.

"Hör' auf mit dem Mist!", rief Tyler und schlug einmal auf das Radio, sodass es wieder still im Auto war.

"Okay okay", gab ich nach und hob ergeben die Hände. Ich musste es ihm sagen, sonst würde er rein aus Protest jetzt schon umdrehen. "Wir fahren an einem See."

"See? Was für einem See?", fragte Tyler verwirrt und runzelte die Stirn. Ich warf kurz einen Blick nach draußen um zu schauen, ob der Wald schon in Sicht war. Tatsächlich - zwar noch ziemlich weit vorne, aber immerhin - taten sich schon ein paar Bäume auf. Ich atmete erleichtert aus.

"Einem Waldsee", antwortete ich etwas präziser, aber scheinbar nicht präzise genug.

"Faye, ich mein's Ernst. Wo willst du hin? Warum willst du im Winter zu einem verdammten See?"

"Ich war schon mal mit Louis da", nuschelte ich schnell, in der Hoffnung, er hätte mich nicht verstanden. Doch da hatte ich zum falschen Gott gebetet.

Ich spürte, wie sich der Gurt schmerzhaft in meine Haut schnitt, als Tyler kräftig auf die Bremse trat und der Wagen schließlich mit quietschenden Reifen zum Stehen kam.

"Was?", atmete er zischend aus. Seine Knöchel wurden weiß um das Lenkrad und er vermied es, mich anzusehen.

"Ich war schon mal mit Louis da", wiederholte ich leise und Tyler's Kopf fuhr zu mir herum.

"Ich hab dich auch schon beim ersten Mal verstanden!", fuhr er mich laut an und ich zuckte zusammen. Ich hätte es ihm nicht sagen sollen, ich wusste es. "Wann zu Hölle war das?"

"Vor ein paar Wochen", gab ich zu und biss mir auf die Lippe. Ich wusste, dass ich jetzt lieber die Wahrheit sagen und kooperieren sollte, sonst würde Tyler ausrasten.

"Vor ein paar Wochen?", wiederholte er laut und schlug plötzlich mit der flachen Hand auf das Lenkrad, wobei er versehentlich auf die Hupe drückte. "Seit wann läuft die Scheiße?"

"Ich bin ihm - kurz bevor du nach Amerika geflogen bist - das erste Mal über dem Weg gelaufen", klärte ich ihn auf und legte somit die Karten offen auf den Tisch.

Er atmete hörbar aus, versuchte sich zu beruhigen. "Ich wusste, dass ihr euch kanntet, weil er dir die Scheiße über mich und den ganzen Drogenkack erzählt hat. Aber seit wann führt dieser Mistkerl dich auf verdammte Dates aus?"

"Er hat mich auf keine Dates ausgeführt", bestritt ich sofort und spürte, wie ich rot wurde. Wir waren wirklich noch nie auf einem Date. Oder war das mit dem See ein Date?

"Hat er dich angefasst?", fragte mein Bruder plötzlich viel zu direkt und der Rotstich auf meinen Wangen wurde eine Spur dunkler.

Als ich ihm einen kurzen Blick zuwarf, riss er seine Augen auf und schlug nochmals auf das Lenkrad ein. "Sag' mir, dass das ein verdammter Witz ist, Faye", drohte er schon fast.

Danger ↣ l.tWhere stories live. Discover now