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Irgendwann hörte Lia Geräusche vom Flur, das musste Klara sein. Leise öffnete sich die Zimmertür und Klara trat ein. Sie sah sich Erik einen Augenblick an und schüttelte den Kopf!
"Du bist mir ein Mädel, er hat Glück, dass er dich gefunden hat. Er sieht wirklich nett aus."
Sie reichte Lia eine Tüte mit Kleidung.
" Hier, Ben hat ausgemistet."
"Oh danke Klara." Lia fiel Klara erleichtert um den Hals. Als Klara dann noch ihre Hilfe zusicherte, schluchzte Lia auf. Es war die Erleichterung, darüber, das Klara nicht weg sah, oder sie für verrückt hielt.
Ein leises Stöhnen erreichte die beiden jungen Frauen und Lia sprang sofort auf.
"Erik wird wach." Und tatsächlich öffnete er langsam seine Augen.
"Wo bin ich?", wollte er wissen und Lia erklärte ihm, dass er in ihrem Bett lag.
"Und das hier ist Klara, meine Freundin. Wir wohnen hier zusammen und sie hat dir n paar Klamotten besorgt."
Klara gab ihm grinsend die Hand und er lächelte müde.
"Schaffst du es duschen zu gehen", fragte Lia.
"Ich denke...."
"Dann bitte, ab mit dir." Sie wühlte in dem Beutel und fand frische Unterhosen sowie einen Schlafanzug, welches sie ihm reichte.
Als er zurück kam fiel er wieder ins Bett, so erschöpft hatte ihn die Dusche. Aber er fühlte sich nun sauber und die beiden Mädchen stellten fest, wie hübsch er war. Nur eine anständige Rasur fehlte ihm noch und Klara machte sich auf, besorgte Rasierer und noch einige fehlende Sachen.
Erik nahm ein paar Schlucke Tee zu sich, Hunger aber verspürte er keinen. Er fing an zu erzählen, erst langsam und stockend, dann immer sicherer.
"Nun, ich bin Erik, Sohn eines grossen Reedereibesitzers. Meine Mutter war immer eine gute Frau, sie hatte ein grosses Herz, für jeden. Sie liebte mich und meine Schwester Sydney inniglich, jeder konnte das spüren. Und wir liebten sie genauso... Dank ihrer Erziehung wuchsen wir ganz normal und behütet auf. Mein Vater war ja nur selten da, er war immer arbeiten. Seine Reederei... Als ich älter wurde hatte mein Vater immer irgendwas an mir auszusetzen. Mal passten ihm meine Noten in der Schule nicht. Oh, eine drei in Mathe. Der Sohn eines Geschäftsmannes hatte eine eins zu haben! Dann waren ihm meine Freunde ein Dorn im Auge, da sie nur die Kids einfacher Arbeiter waren. Solch ein 'Gesocks' wäre kein Umgang für mich. Ich sollte mich doch lieber in seinen Kreisen umsehen. Aber die Jungs waren nix für mich, aalglatt, geschniegelt und gebügelt, nach dem Motto 'wir sind was besseres'. Und meine Freundin..." Er holte tief Luft. "Meine Freundin war eine Schlampe. Nur die Tochter einer Bäckerin. Egal was ich tat, alles war verkehrt! Nichts konnte ich meinem Vater recht machen. Sydney war ja nur ein Mädchen, von daher hatte sie es einfacher. Sie und meine Ma versuchten immer meinen Vater zurück zu halten, versuchten mir den Rücken zu stärken, jedoch vergebens. Er wollte, dass ich ein Wirtschaftsstudium belegte, aber ich wollte nur eins, malen. Aber um ihm einen Gefallen zu tun, trug ich mich an der Uni ein, zwei Semester zog ich durch, nebenbei beschäftigte ich mich jedoch mit Kunst. Ich war nie gut genug für ihn. Ich sollte sein Imperium eines Tages übernehmen, ich hatte aber andere Pläne. Immer war er unzufrieden, egal, wieviel Mühe ich mir gab. Ohne Sydney und meine Ma wäre ich schon längst gegangen, so aber versuchte ich durchzuhalten. Bis, ja bis wir wieder in einen Streit gerieten. Ich sollte Gas machen, sonst würde er mir sämtliche Gelder streichen. Ich wollte sein verfluchtes Geld eh nicht, und so gab ein Wort das andere und er schmiss mich raus. Unterhalt, niemals! Ich wollte nichts, rein gar nichts von ihm. Das einzige, was mir wirklich weh tat war, dass ich Sydney und Meine Mutter allein lassen musste."
Tränen rannen sein Gesicht hinab. Lia konnte nicht an sich halten, legte ihre Arme um seinen zitternden Körper und hielt ihn fest. Tröstend strich sie ihm über den Rücken. Hinauf, hinab, bis er wieder ruhiger wurde.
"Meine Aktion vorhin im Park tut mir leid", sagte Erik leise. "Ich wollte dich nicht verletzen, aber es ist sehr lange her, dass ich wie ein Mensch behandelt wurde. Ich danke dir für alles Lia."
Lia lächelte.
"Ist schon gut! Du bleibst jetzt erst mal hier, bis du wieder gesund bist und dann sehen wir weiter."
Erleichtert fiel Erik auf die Matratze zurück, schloss die Augen und schlief wieder ein.
"Danke, ich danke dir für dein Vertrauen", flüsterte Lia, strich ihm zärtlich über den Kopf und gab ihm einen sanften Kuss auf die Stirn.
"Und nun, schlaf dich gesund Erik."
Klara kam zurück und brachte Rasierzeug und Medikamente mit.
"Und, wie geht es ihm?"
Lia seufzte.
"Er ist ziemlich heiss. Mache mir echt sorgen. Und er hat mir heute Morgen gezeigt, wo er schläft, eine Brücke im Park. Der Klassiker. Ich habe ein paar seiner Decken mitgenommen, sind schon in der Maschine. Aber alle haben Löcher und sind mehr Lumpen." Lia konnte nicht länger an sich halten und begann zu weinen. Klara nahm sie in ihre Arme.
"Wir bekommen ihn schon wiederhergestellt", versicherte sie zuversichtlich."
"Ich danke dir Klara."
"Ich denke, dass du recht hast. Er schein nett zu sein und er sieht echt gut aus", meinte Klara schmunzelnd.
"Hast du dich vielleicht ein klein bisschen verliebt?"
"Was?" Lia schaute Klara erschrocken an und hörte in sich hinein. Sie mochte Erik, sehr sogar. Aber verliebt? Sie konnte diese Frage nicht beantworten. Fakt war, dass sie gern mit Erik zusammen war, sich mit ihm wohl fühlte.
"Ich weiss nicht." Klara jedoch lächelte wissend.
Ein leises Stöhnen drang aus Lias Zimmer.
"Geh schon", sagte Klara. "Ich schau nach Eriks Wäsche." Lia drückte Klara einen Kuss auf die Wange und ging.
Sie setzte sich an Eriks Bett und nahm seine Hand!
"Helena", rief Erik diesmal. Er drückte Lias Hand.
"Psssst", liebevoll strich Lia über Eriks Hand! "Ich bin hier und egal, was passiert ich bleibe!"
Das schwor sich Lia in diesem Moment, sie würde ihm helfen und ihn nie im Stich lassen. Sanft berührte sie seine Stirn, fühlte seine fiebrige Hitze. Sie holte ein Thermometer und steckte es Erik vorsichtig unter die Achseln. Es piepte und Lia erschrak über den angezeigten Wert.
"Karla", rief sie nun aus. "Wir brauchen dringend einen Arzt! Eriks Fieber ist gestiegen. 40 Grad!" Lia wurde panisch, nahm wieder Eriks Hand und drückte sie fest.
"Verdammt, Erik!"
Sie zog ihr Handy aus der Hosentasche und wählte die Nummer ihres Arztes.
Er war sofort dran.
"Hallo Herr Bittner, ich brauche ihre Hilfe! Hier Deliah Riemann!"
"Was ist passiert?"
"Ich... habe eine Freund hier", sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurück halten. "Er ist Obdachlos und sehr krank, sein Fieber ist auf 40 Grad gestiegen. Ich weiss nicht mehr, wie ich helfen kann, er ist so unruhig und spricht im Schlaf."
"Okay, sind sie zu Hause?"
"Ja, aber....", sie stockte einen Moment. "Ich glaube nicht, dass er krankenversichert ist."
"Ich komme sofort rüber", unterbrach der Arzt Lia. Sie atmete auf.
"Gleich kommt ein Arzt, Erik, er wird dir helfen... Bitte, halte durch", flehte sie ihn an.
"Helena, Helena..." Er bäumte sich auf. "Helena!" Immer wieder rief er diesen Namen. War es seine Freundin und liebte er sie noch immer?

Einsames Herz Where stories live. Discover now