Bumm

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Ich weiß gar nicht, wie ich auf das reagieren soll. Der große Kloß in meinem Hals will mich vom Sprechen abhalten. Irgendwie schaffe ich es doch zu fragen, was passiert ist.
Aber Eijun schaut mich nicht mehr an.
Was ist geschehen, das ihn so mitnimmt? Ist ihm oder seiner Familie etwas zugestoßen? Hat jemand aus der Schule ihn fertig gemacht? Wobei ich mir das kaum vorstellen kann.
Am liebsten will ich ihn rütteln, um so die Antwort von ihm zu bekommen.
Doch sein Blick, seine ganze Aura macht mir so zu schaffen, dass ich mich nicht bewegen kann.
"Wir sehen uns drin." flüstert er nur und geht in Richtung Eingang.
Was?
WAS?!
Ich schaue ihm nur nach. Was sollte das denn?! Ist überhaupt was passiert? Schämt er sich? Aber er hat doch geweint! Das alles passt gar nicht zu dem Eijun, den ich kenne. Das bereitet mir wirklich Sorgen...
Wie ein Hund trotte ich in unser Klassenzimmer, indem er schon längst Platz genommen hat.
Meine Mitschüler nehme ich gar nicht wahr und setze mich einfach neben Eijun. Langsam hole ich die Schulsachen aus meiner Tasche. Besorgt knubble ich an dem Mäppchen rum und überlege dabei, wie ich am besten Eijun ansprechen soll. Oder soll ich ihn überhaupt ansprechen? Ich sollte ihn in Ruhe lassen, so mitgenommen wie er aussah.
Ich schiele vorsichtig zu ihm. Und er sitzt da wie sonst immer. Wenn man ihn vorhin nicht gesehen hätte, würde man denken, es ginge ihm gut. Doch ich weiß ganz genau, dass das nicht stimmt.
Langsam drehe ich meinen Kopf zu ihm und schaue ihnr an. Vielleicht sollte ich sagen, dass ich ihm nur helfen will und dass er sich aufgrund der Tränen auf dem Schulhof nicht schämen muss.
Jeder ist mal traurig, mal glücklich. Das ist menschlich. Doch Eijun will seine harte Schale nicht ablegen. Nicht mal vor mir. Okay. Warum sollte er das auch? Ich bin ja nur sein Nebensitzer. Als ich das eben realisiert habe, drehe ich meinen Kopf wieder weg. Wahrscheinlich hat er nur genug von mir Nervensäge. Ich kratze mich am Kopf und der Kloß in meinem Hals wird größer und größer.
Ein Glück kommt endlich der Lehrer ins Klassenzimmer und der Unterricht beginnt. Anfangs dachte ich zwar, dass mich das ablenkt, aber da liege ich total daneben. Meine Gedanken drehen sich trotzdem nur um Eijun. Oh, wie peinlich... Würde jemand in meinen Kopf sehen können, würde nur Chaos zu sehen sein. Und das alles nur seit dieser scheinbare Griesgram in der Klasse ist!
Argh, das ist doch zum Verzweifeln! Ein lautes Bumm bestätigt dies.
Das darf jetzt nicht wahr sein.
Bitte nicht.
Ich bin jetzt nicht ernsthaft mit dem Kopf auf die Tischplatte geknallt?!
Gelächter füllt den Raum und ich spüre den brennenden Blick meines Biolehrers auf mir. Doch nachdem ich mich aufgesetzt habe, halte ich meinen Kopf gesenkt und will ganz ganz schnell im Erdboden versinken. Das ist mir noch nie passiert!
"Ajou?"
Ich reagiere nicht. Ich versuche nur den Kloß in meinem Hals, der mittlerweile die Größe eines Fußballs angenommen hat, runterzuschlucken.
"Ajou!"
Vorsichtig sehe ich in das Gesicht des Lehrers. Was Eijun nun von mir denkt, will ich mir gar nicht ausmalen.
"Was ist denn mit dir los? Hast du zu wenig Schlaf abbekommen?" werde ich gefragt.
Ich schüttel den Kopf und versuche zu antworten. "N-Nein... Ich..."
Ach, Mist! Hätte ich die Frage nur bejat! Dann wäre die ganze Sache jetzt gegessen!
"Ich lasse nicht zu, dass du den Unterricht störst, Ajou! Wenn du keine Lust mehr hast, verlässt du jetzt das Klassenzimmer!"
Ich reiße die Augen auf. Was war das denn? Ich wurde noch nie so gerügt! Es ist total unangenehm, ich will wissen, wo sich die Rückspul-Taste befindet.
"Ganz ehrlich". Die vertraute Stimme in meinen Ohren. "Der einzige, der den Unterricht gerade aufhält, sind Sie selber."
Als mein Blick auf Eijun fällt, wird mir ganz warm.

Der AustauschschülerWhere stories live. Discover now