Kapitel 49

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Kurz vor dem Spielstart, kam ein Kameramann auf sie zu. Fragend blickte Eve zu Dan. Sie wollte auf keinen Fall ins Fernsehen. Doch er winkte nur ab. „Das ist nur für die Liveübertragung auf dem großen Screen über der Eisfläche. Sie begrüßen uns ganz offiziell, weil wir von den Lightnings eingeladen worden sind." Gut, das hatte also nichts mit ihr zu tun. Langsam ließ sie den Blick über das Basketballteam schweifen. Mittlerweile waren es wohl noch mehr geworden und nun war sie auch nicht mehr die einzige Frau unter all den Männern. An der Art und Weise wie die anderen behandelt wurden, erkannte Eve, dass es sich ganz bestimmt um Ehefrauen und feste Freundinnen handelte. Sie war froh, dass sie hier keine Bettgeschichten der Männer kennenlernen musste. Gleichzeitig fühlte sie sich geehrt, dass sie ebenfalls einen Platz neben Daniel ergattert hatte. Einige Menschen traten aufs Eis. Mit ihnen eine dunkelhäutige Frau, die sich in der Mitte der Eisfläche platzierte. Die Zuschauer erhoben sich um die Nationalhymne zu singen. Wie auch die anderen, legte sich Eve die Hand auf die Brust und wartete gespannt was wohl weiter passieren würde. Vielleicht waren Mannschaftssportarten doch gar nicht so schlimm, wenn man sie sich live ansehen konnte. Kaum war der Song vorbei, wurden verschiedene Menschen persönlich vorgestellt, darunter einige Kriegsveteranen und ein Fußballclub. Wie von Dan bereits erwähnt, filmte der Kameramann dann auf das Basketballteam und auch sie wurden extra erwähnt. Die Mannschaft erhob sich und alle winkten freundlich in die Kamera, während Eve einfach still am Rand sitzen blieb und sich ihren Mann auf dem großen Flatscreen ansah. Plötzlich wurde sie von Daniel hochgerissen und er legte seinen Arm um ihren Rücken. Natürlich standen auch die anderen Spielerfrauen, aber Eve hatte bisher nicht gedacht, dass sie schon so sehr zum Team gehörte. Nun konnte sie sich auch selbst im Bildschirm betrachten. Ein seltsames Gefühl überkam sie. Das war nicht so richtig ihre Welt. Ob sie sich wohl daran gewöhnen müsste, wenn sie die Frau an Daniels Seite war? Sie ließ sich nicht viel Zeit um darüber nachzudenken, denn sie spürte einen stechenden Blick in ihrem Rücken. Daniel hatte scheinbar den gleichen Gedanken, als er sich wieder setzte, denn er sah über seine Schulter nach hinten. Erst jetzt traute sie sich es ihm gleichzutun. Natürlich hatte David sie erkannt und blickte sie nun entsetzt an. Wieder blieb das Gefühl aus, das sie in so einer Situation erwartet hätte. Stattdessen spürte sie einen Hochmut in ihr aufsteigen, den sie noch nie zuvor gefühlt hatte. Sie war über David hinweg. Endlich hatte sie es geschafft. Ihretwegen konnte er mit seiner Hure machen, was auch immer er wollte. Die Schadenfreude wurde noch größer, als sie bemerkte, dass die Frau neben ihm noch immer ziemlich aufgebracht zu sein schien. Als müsste sie sich selbst beweisen, dass es nun vorbei war, hob sie die Hand und winkte ihrem Ex kurz zu. Daniel blickte sie grinsend von der Seite an, legte seine Hand über ihre Schulter und drückte ihr ein Küsschen auf die Wange. Nun war es vollkommen egal, ob David da war oder nicht. Ob er alleine war oder in Begleitung der Frau, mit der er sie betrogen hatte. Es war ihr sogar egal, dass die Kinder neben ihm saßen, die sie niemals mit ihm haben würde. Sie fühlte sich einfach geborgen und solange Dan an ihrer Seite war, würde sich das nicht ändern. Lächelnd blickte sie auf die Eisfläche, auf der sich nun die Eishockeyspieler platzierten. Sie hatte überhaupt keine Ahnung von Hockey und hoffte, dass das nicht von Bedeutung sein würde. Jedoch passierte im ersten Drittel ohnehin nichts besonders Aufregendes. Es fiel kein einziges Tor. In der Pause ließ sie einige Männer an ihr vorbei, setzte sich dann aber wieder. Daniel hatte ihr zwar angeboten etwas zu Essen oder zu Trinken besorgen, aber sie war im Moment wunschlos glücklich. Sie hatte alles was sie wollte. Und zwar Daniel neben sich und zu ihrem Glück hielt er sie ganz fest. Interessiert betrachtete sie den großen Bildschirm auf dem gerade ein Mann, den sie noch nie zuvor gesehen hatte, der hier aber sehr wohl bekannt zu sein schien, von seiner Wohltätigkeitsorganisation erzählte. Danach wurden die Zuschauer aufgefordert laut zu sein. Da sich das gesamte Basketballteam darauf einließ, machte sie einfach mit, indem sie lauthals „Lets go Bolts!" grölte. Eve hatte keine Ahnung wann sie zuletzt solchen Spaß hatte. Sanft legte sie den Kopf auf Daniels Schulter ab und betrachtete weiter den Bildschirm, während sie zu ihrem Entsetzen plötzlich eine Aufnahme von ihnen beiden wahrnahm. Darunter stand in großen Buchstaben „Kiss-Cam". Bevor sie begreifen konnte, was das zu bedeuten hatte, hatte Daniel sich schon auf sie geworfen. Er beugte sich auf der Seite des Stuhls hinunter und küsste sie energisch, während die Zuschauer sie klatschend aufforderten weiterzumachen. Deshalb erwiderte sie seinen Kuss mindestens genauso leidenschaftlich und als sie wieder zum Bildschirm aufblickte, waren ihre Wangen rot gefärbt. Sie lächelte und schmiegte sich wieder an Daniel, jedoch musste sie gleichzeitig dagegen ankämpfen sich nicht kurz zur David umzudrehen. Nur um zu sehen, wie er es wohl fand, dass sie nun so glücklich war. Sie konnte sich jedoch gerade noch davon abhalten, als plötzlich das zweite Drittel eingeläutet wurde. Auch in diesem war es ziemlich ausgeglichen. Am Ende stand es eins zu eins. Eve beschloss das es sicherer war, die Halle für die Pause zu verlassen, bevor sie nochmal Opfer der Kiss-Cam werden würde. Deshalb wandte sie sich an Dan: „Ich hätte gerne ebenfalls so eine Brezel wie James. Wo kann ich mir denn eine holen?" Er blickte auf: „Natürlich begleite ich dich, oder hast du etwa schon vergessen, dass ich heute der perfekte Gentleman sein muss, damit mich diese Kerle beim nächsten Training nicht verprügeln?" Lächelnd zwinkerte er und James lachte auf. „Du behandelst diese Dame besser als eine Lady, Fire oder ich versohle dir sowas von den Hintern", gab er seinen Senf dazu. Galant hielt Dan ihr die Hand hin und zog sie vorsichtig zu sich hoch. Dann drückte er ihr ein Küsschen auf die Nasenspitze, bevor er sie Richtung Ausgang schob. Gleich vor der Tür befand sich ein Stand mit frischen Brezeln. Jedoch war das Gebäck nicht das Einzige was sich dort befand. Auch David und seine Frau warteten darauf bedient zu werden. Jetzt hatte sie noch die Möglichkeit sich ihre Brezel woanders zu holen, aber das schien ihr äußerst dumm zu sein. Dieser Mann hatte nicht mehr länger Auswirkung auf ihr Leben, also konnte sie bestimmt einen Moment lang neben ihm stehen, ohne gleich durchzudrehen ... oder sich zu übergeben. „Ist das denn okay?", fragte Dan einfühlsam. Sie nickte nur und zog ihn direkt hinter ihren Ex-Mann. Genau in diesem Augenblick drehte sich David zu ihr um. „Hi!", sagte er zu ihrer Verwunderung und sah sie dabei an, wie er es damals, noch ganz am Anfang ihrer Beziehung, gemacht hatte. Beinahe hätte sie lauthals losgelacht. Stattdessen nickte sie ihm einfach freundlich zu und fragte: „Wie geht's?" Überrascht blickte er zu ihr herüber. „Mir geht es gut Evy, danke. Wie geht es dir?" Es störte sie nicht mal, dass er ihr den Spitznamen gab, den er damals benutzt hatte, als sie noch dachte, dass er echte Gefühle für sie hatte. „Auch", antwortete sie kurz angebunden. Jedoch schien Daniel nicht den Anschein zu machen, als wollte er es darauf beruhen lassen, denn er hielt ihrem Ex-Mann die Hand hin und grinste ihn dabei schräg an: „Hallo! Ich bin Daniel. Eves Freund", stellte er sich vor und ihr Herz begann augenblicklich wild zu schlagen. Dann lächelte sie kurz, als sie realisierte, dass er es ausgesprochen hatte. Ja das war er. Sie blickte ihm liebevoll in die Augen. „Daniel, das ist mein Ex-Mann David", stellte sie den Mann vor, mit dem sie eigentlich nie wieder in einem so freundlichen Ton sprechen wollte. „Oh", sagte Dan, als hätte er das nicht zuvor schon gewusst. „Das ist dein Ex?" Er warf Eve einen fragenden Blick zu und beinahe hätte sie laut losgelacht. „Ich habe schon viel von Ihnen gehört", fügte er gespielt höflich hinzu. „Wahrscheinlich nicht sehr viel Gutes", seufzte David. Daniel grinste: „Ach wissen Sie, Home hat die Angewohnheit alles schönzureden. Ich habe also auch ein paar gute Dinge über Sie gehört", log er. Erstaunt blickte ihr Ex-Mann sie an: „Ganz offensichtlich war ich ein Idiot, denn ansonsten hätte ich diese wundervolle Frau nicht gehen lassen", sprach er immer noch mit Dan, behielt seine Augen aber weiterhin auf Eves gerichtet, die jetzt noch mehr dagegen ankämpfte nicht laut loszulachen. Die Frau, für die er sie verlassen hatte, starrte sie empört an, was dieses Schauspiel nur noch amüsanter für sie machte. David konnte doch nicht wirklich glauben, dass das funktionierte. Während sie Daniel etwas flüstern hörte, dass sich so anhörte wie: „Da haben Sie recht. Sie sind offensichtlich ein Idiot", sagte sie: „Ach weißt du, Daniel ist der höfliche in unsrer Beziehung, ich bin immer noch die Ehrliche. Was er gerade gesagt hat, war gelogen." Damit wandte sie sich wieder an Dan: „Ich hab dir doch ganz ausführlich und mit jeder Menge Details erklärt, was für ein Riesenarschloch David ist." Der Tätowierte versuchte angestrengt nicht zu grinsen, während sie weitersprach: „Warum das also jetzt nicht ansprechen? Es wäre doch wirklich mal an der Zeit, nachdem er mir schon Jahre meines Lebens gekostet hat. Scheinbar ist er ja doch gar nicht so glücklich mit seiner Hure." Die Frau neben ihm zog laut die Luft ein. Sie tat beinahe so, als wäre sie niemals eine Prostituierte gewesen und Eve würde ihr unrecht tun, was sie wiederum fast dazu brachte laut loszulachen. „Vielleicht bereut er sogar was er gemacht hat, aber es ist mir ehrlich gesagt mittlerweile ziemlich egal. Ich bin froh, dass er so ein Idiot war, denn jetzt hab ich dich und du bist das Beste, das mir je passiert ist." Sie drückte ihm ein Küsschen auf die Lippen, anschließend blickte sie wieder David an: „Dafür was du gemacht hast wirst du ohnehin in der Hölle schmoren. Warum sollte ich mir also weiter den Kopf darüber zerbrechen?" Vollkommen überrumpelt stolperte ihr Ex-Mann zurück und flüsterte: „Evy!" Jetzt war ihr der Appetit vergangen. Sie hatte keine Lust mehr auf die Brezel, warum sie Daniel an der Hand von dort wegzog. Kaum waren sie außer Hörweite, prusteten sie beide laut los. „Du kannst Punkt fünf auf der Liste durchstreichen", erklärte sie. „High Five", antwortete Daniel darauf. Immer noch lachend, schlug sie ein. Ja, sie waren wirklich ein klasse Team.

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