Der Kampf des Geistes

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Phil saß im Inneren von Mordread fest. Der Decepticon hatte ihn in der Halle überrascht und einfach geschnappt. Es war ihm nicht möglich gewesen, mehr als ein erschrockenes "Woah!" herauszubringen, so schnell ging alles von statten. Nun saß er da und versuchte gar nicht erst, sich großartig gegen ihn zur Wehr zu setzen. Er wusste, dass es keinen Sinn haben würde. Seine Hand, mit der er Revolt zuvor gegen das Lenkrad geschlagen hatte, war noch immer am Wummern. Vermutlich hatte er eine Prellung. Immerhin hatten sie Josto am Leben gelassen. Mit verkniffenem Gesicht blickte Phil aus den Autofenstern. Die Decepticons hatten eine Formation um Mordread und ihn gebildet, sodass sie bei einer möglichen Attacke der Autobots sofort kampfbereit waren. Er hoffte sehr, dass diese einen Plan hatten, denn er hatte nicht den Eindruck, dass die Decepticons einfach fragen würden, ob er so nett wäre, die Matrix für ihre Zwecke einzusetzen. Während die Natur an ihnen vorbei schnellte, fragte er sich, wie die Decepticons wohl regieren würden, wenn er ihnen eröffnete, dass er nicht einmal wusste wie die Matrix überhaupt aussah - geschweige denn, wie man sie benutzte.

***

Phil wusste nicht, wie lange sie unterwegs waren - nur, dass sie irgendwann in ein abgelegenes, altes Industrieviertel abbogen, das zu einer Kleinstadt gehörte. Die Grundstücke waren alle überwachsen, vermutlich war hier schon seit langer Zeit nichts mehr in Betrieb. Sie fuhren zu einem großen Fabrikkomplex. Einer der vorderen Decepticons transformierte sich und stieß das rostige Eingangstor auf, welches zum Inneren des Gebäudes führte. Die gesamte Formation fuhr hindurch und Phil starrte in den ersten Fabrikabschnitt, der zugestellt mit deckenhohen Regalen war. Sie waren gefüllt mit Paletten voller Waren, die Phil nicht erkennen konnte. Bevor er einen genaueren Blick erhaschen konnte, hatten sie die Halle bereits durchquert und gelangen in den nächsten Raum. Er war komplett leergeräumt, bis auf einen sehr großen, aufrechten Tisch, der Phil an einen Horrorfilm erinnerte und mehrere Kabel hatte, die von dem Tisch zu einem Pult - ähnlich dem vorigen aus der Gefängnishalle - führten. Mordread kam vor den Geräten zum Stehen und transformierte sich, wobei Phil unsanft auf den kalten Steinboden gestoßen wurde. Direkt auf seine schmerzende Hand. "Fuck", stieß er aus, als sich ein stechender Schmerz seinen gesamten Arm hochzog. Mit einem Stöhnen rappelte sich wieder auf und rieb seine aufgeschürften Handflächen an den Hosenbeinen seiner Jeans ab. Mit zusammengepresstem Kiefer blickte er zu den Decepticons hinauf, die sich allesamt um Mordread versammelt hatten. Rennen würde keinen Sinn machen. Der Anführer übernahm das Wort, Phil keines Blickes würdigend. "Dark Navy und Fury werden mir hier behilflich sein, während ihr euch alle um das Gebäude formieren und Wache halten werdet. Sobald sich ein Autobot nähert, erwarte ich alarmiert zu werden, während ihr ihn tötet."
Vereinzelte Decepticons nickten, und alle machten sich auf den Weg dem Befehl Folge zu leisten, sodass nur noch Phil, Mordread und jeweils ein brutal aussehender großer und ein etwa Menschenhoher Decepticon zurück blieben - Dark Navy und Fury. Der größere der Beiden stellte sich hinter das Pult, während Mordread sich Phil zuwandte. Er hatte einen entschlossenen Blick, undurchdringlich und scheinbar nur auf sein Ziel fokussiert.
"Setzen", befahl er ohne Zeit zu verschwenden. Doch Phil blieb trotzig stehen. Ganz ohne Kampf würde er nicht aufgeben, selbst wenn es nur ums Hinsetzen ging. Es würde Mordread zwar nicht aufhalten, aber nerven - und das war erst einmal gut genug. "Nein!", antwortete er so bestimmt wie möglich. Mordread verengte kurz verärgert seine rot leuchtenden Augen, bevor er sich umdrehte und dem kleinen Decepticon ein Zeichen gab. Der hob ein Kabel vom Boden, an dessen Ende sich eine Art Trichter befand, und fixierte Phil mit grausam blitzenden Augen.
"Zu deiner eigenen Sicherheit während der Behandlung rate ich dir, dich hinzusetzen. Mir ist es egal", sagte Mordread weniger genervt als Phil es sich erhofft hatte. Also sank er nun doch nervös auf die Knie, und der kleine Decepticon näherte sich ihm mit dem Trichter.


Von einem Moment zum anderen fand er sich in einer Wüste wieder. Um ihn herum gab es nichts außer Sand und einem grauen Himmel. Verwirrt drehte sich auf der Stelle, auf der Suche nach einem Anhaltspunkt. Was war geschehen? Eben stand er doch noch in einer Fabrik. War er teleportiert worden? Falls ja, wohin? Und warum?
"Ich hatte schon vermutet, dass das passieren würde."
Mordread war hinter Phil aufgetaucht, der erschrocken zusammen fuhr und zurück wich. Sie waren vollkommen allein. Zugegebenermaßen waren sie das bis auf die beiden fremden Decepticons auch schon zuvor, aber hier fühlte er sich vollkommen auf sich selbst gestellt und so weit weg von den Autobots, wie seit ihrem ersten aufeinandertreffen nicht. "Das menschliche Bewusstsein funktioniert ein wenig anders als das unsere. Es wird ein wenig dauern, bis ich dich so weit habe."
Phil verstand nicht, was vor sich ging. Was hatte Mordread mit ihm vor? "Wo sind wir?", fragte er. Wiederholt drehte er sich um seine eigene Achse. Es war keine Einbildung. Noch immer waren sie in einer Wüste. Mordread begann ebenfalls, die Gegend zu beobachten. Jedoch nicht mit aufkommender Panik, wie Phil, sondern mit Interesse - als sei all dies nichts weiter als ein spannendes Physikexperiment. "Wir sind in deinem Bewusstsein", sagte er, als würde dies irgendeinen Sinn ergeben. "Es ist eine effektive Methode, um Feinde für die eigene Sache zu gewinnen." Phil zog berechnend seine Augenbrauen zusammen. Er wusste nicht, was er beunruhigender fand: Die Tatsache, dass er gerade angeblich mit einem Decepticon in seinem Kopf abhing, oder dass Mordread ganz selbstverständlich davon überzeugt war, ihn manipulieren zu können. Scheinbar war ein Scheitern dieser Sache in seinen Augen gar nicht möglich. "Natürlich funktioniert die menschliche Biologie anders als unsere. Dein Unterbewusstsein lässt Unwillkommene nicht einfach durch Transformer-Codes hinein. Es wird auf Anhieb nichts preisgeben. Ich werde dich erheblich schwächen müssen, damit die Mauern um dein Unterbewusstsein fallen." Phil schluckte. Das klang alles andere als beruhigend. "Hol uns zurück, Navy!"
Bevor er etwas tun oder sagen konnte, wachte Phil auf dem Boden der Halle auf, in der er zuvor noch gekniet hatte. Nun lag er jedoch unbequem da, den Blick auf den aufrechten Tisch und das Pult gerichtet. Hinter letzterem stand der brutal aussehende Decepticon - Dark Navy - der gerade einen der vielen Hebel betätigt zu haben schien. Mit leicht schummrigem Gefühl setzte Phil sich auf. Er bemerkte etwas Hartes und unbequem fest Gezurrtes auf seinem Kopf, und ohne es zu sehen, wusste er, dass es sich um den Trichter mit dem Kabel handeln musste. Der Kleine Decepticon stand neben ihm, die Arme verschränkt und ihn mit einem kalten Blick beobachtend.
"Fünf Minuten", hörte Phil Mordread sagen, der mit denselben blauen Stäben wie bei der Autobotzelle um die Handgelenke an dem aufrechten Tisch befestigt war. Dark Navy nickte und das letzte, was Phil sah, war das Umlegen des Hebels.
Er befand sich erneut in der Wüste, doch diesmal stand ein kleines Haus nur wenige Meter von ihm entfernt. Er kannte das Gebäude. Dort hatte er die ersten Jahre seines Lebens verbracht, bis sein Vater befördert wurde und sich ein größeres Grundstück leisten konnte.
"Interessant. Eine Erinnerung." Erneut fuhr Phil erschrocken zusammen, als Mordread sich plötzlich hinter ihm zu Wort meldete. Der Decepticonanführer betrachtete milde interessiert das Gebäude, während er sprach. "Dieser Ort wird sehr bald von Leben nur so wimmeln. Je erschöpfter dein Bewewusstsein ist, desto mehr wird es preis gegen. Egal ob Ängste, Erinnerungen, oder andere Gedanken. Ob es will oder nicht."
Phil wurde wütend. "Was bezweckst du damit?", fragte er. Er konnte es sich bereits denken, aber er wollte nur ungern darüber spekulieren, während ein Decepticon in sein Gehirn eindrang. Zu viel war auf dem Spiel. Mordread fixierte ihn nun mit seinem Blick, das Interesse an dem Haus bereits verloren. "Weißt du, was meine Aufgabe im Krieg war?" Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern fuhr einfach fort. "Ich sollte Decepticons gewinnen, egal ob aus Autobots oder unparteiischen Flüchtigen. Megatron erwartete von mir grausame Folterei, doch ich fand eine effizientere Methode. Das Manipulieren der Gedanken! Es war so leicht wie noch nie, neue Krieger zu rekrutieren - auch, wenn einige mit einem stärkeren Willen bedauerlicherweise getötet werden mussten. Es hatte einfach zu lange gedauert, und Zeit ist kostbar, wenn ein vernichtender Krieg herrscht. Wegen der unnötigen Komplexität organischen Lebens wird es in deinem Fall ebenfalls dauern, bis du die Tortur hinter dir hast."
Bevor Phil etwas erwidern konnte, fand er sich erneut auf dem Boden der Halle wieder. Er hatte Kopfschmerzen bekommen und rieb sich die unangenehm pochende Stirn, wo er mit der Hand gegen den metallenen Trichter stieß. Doch von einer Sekunde zur Nächsten befand er sich erneut in der Wüste. Diesmal war dort allerdings neben dem Haus auch eine belebte Straße mit mehreren Menschen, denen Phil in seinem Leben schon begegnet war. Auch der Kletterbaum aus seiner Grundschule stand in dem Vorgarten seines ersten Zuhauses. Ein Kind, welches Phil als alten Klassenkameraden identifizierte, saß auf einem der Äste des Baumes und spielte auf seinem Tablet herum. Erneut meldete sich Mordread zu Wort, doch diesmal hatte Phil sein Auftauchen schon erahnt. "Deine Mauern fallen scheinbar schneller, als ich erwartet hatte. Vermutlich wirst du schon in einer Stunde so weit sein."
Erneut wachte Phil auf dem kalten Hallenboden auf, bevor er reagieren konnte - seine Kopfschmerzen waren nun sehr stark geworden. Er stöhnte auf und versuchte den Trichter von sich zu ziehen, doch schon stand er wieder auf der Straße von vorher. Inzwischen hatte sie sich um mehrere Häuser erweitert, die Phil alle irgendwoher kannte. Das erste Haus links von seinem Standpunkt gehörte einem ehemaligen Nachbarn, das auf der rechten Seite war Lucas' Zuhause. Phil spürte Mordread wieder neben sich auftauchen, doch bevor dieser etwas sagen konnte, wandte er sich mit verengtem Blick zu dem Decepticon um. "Wie willst du mich eigentlich manipulieren, wenn ich hier in meinem Unterbewusstsein genau weiß, dass ich euch nicht helfen will?", fragte er. Er hoffte, damit irgendein Loch in Mordreads Plan zu schlagen, auch wenn es vermutlich so einfach nicht war.
"Man muss lediglich die richtigen Hebel ziehen. Egal wie sehr du dich dagegen wehrst, mit jedem Mal, bei dem ich auf deine Gedanken zugreife, wird dein Bewusstsein schwächer. Je schwächer dein Bewusstsein, desto formbarer wird es. Das heißt, so sehr ich diese kleine Unterhaltung auch schätze - diese Information wird dir rein gar nichts bringen, denn du wirst unweigerlich dieses Stadium erreichen." Phil blickte wütend zu ihm hinauf. "Das werden wir sehen", entgegnete er. Er wünschte sich nichts mehr, als dass Mordread an seinen eigenen Argumenten erstickte. Im nächsten Moment war er wieder in der Halle und krümmte sich reflexartig von den pochenden Kopfschmerzen. "Da bin ich gespannt", sagte Mordread spöttisch von seinem Platz aus. Phil hasste diese Stimme.

Transformers - Matrix [Band 1]Where stories live. Discover now