Ein neues Zuhause

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Phil wurde, gefolgt durch Josto am Boden, von Skymark über das gesamte Gelände getragen. Der Autobot erklärte ihm bereitwillig in aller Ausführlichkeit die jeweiligen Funktionen der einzelnen Gebäude auf der Basis. Das heruntergekommene mehrstöckige Haus im Zentrum der Hallen war laut Skymark früher die Zentrale der menschlichen Unterstützer. Von dort aus wurden lange Zeit Decepticons lokalisiert und Einsätze koordiniert. Um das Gebäude herum standen drei übergroße Hallen für die Autobots.
Eine davon fungierte als Krankenhaus, wo sie von einem Arzt - oder wie Skymark es nannte: 'Medical Officer' - namens Ratchet repariert und gesund gehalten wurden.
Die andere war eine Art Waffenarsenal, bloß dass dort nicht nur Waffen gelagert, sondern auch neue entwickelt wurden. Phil nahm sich vor, dort einen Blick reinzuwerfen, wenn er Zeit hatte. Wenn er schon die nächste Zeit mit Aliens verbringen musste, dann konnte er wenigstens versuchen einen Einblick in ihre Technologie zu erlangen. Vielleicht könnte er diese sogar in Zukunft bei Aufträgen einsetzen.
Die letzte Halle diente lediglich als Rastplatz für die Autobots, und ein paar Autos sowie diverse militärische Fahrzeuge als 'Vorlagen' zum Transformieren.
"Vorlagen? Was heißt das?", fragte Phil an der Stelle mit hochgezogenen Augenbrauen.
"Die Form, in die wir uns transformieren ist nicht vorgegeben. Wir können alles Erdenkliche werden, solange wir eine Vorlage haben, die wir scannen können", erklärte Skymark.
"Hmh", machte Phil. Er hoffte, dass Karosseriewechsel nicht allzu häufig stattfanden, denn täglich einen neuen Optimus Prime oder Skymark vorgesetzt zu bekommen stellte er sich anstrengend vor. Er konnte sich schon menschliche Gesichter kaum merken, wie sollte das dann bei Aliens funktionieren? Jedoch behielt er diese Gedanken für sich, und Skymark fuhr mit seiner Vorstellung fort.
Außer den Hallen gab es nur noch weitläufiges Gelände hinter den Gebäuden, auf dem die Autobots trainierten und neue Waffen testeten. Es musste mindestens so groß sein wie sechs Fußballfelder. Phil lauschte vage interessiert Skymarks Berichten über Zeitpläne und Zielscheiben, während er von dessen Handfläche aus die gesamte Basis beobachtete. Auch, wenn er noch immer nicht genau wusste, wie er auf seine aktuelle Gesamtsituation reagieren sollte, war er beeindruckt von der Art wie die Autobots lebten. Trotz ihrer Größe schienen sie sich gut zurecht zu finden in dieser Welt, dessen Bewohner nicht einmal bis zu ihren Knien reichten. Transformer schienen weder zu essen noch zu trinken, eine Eigenschaft die Phil beneidete. Trotz eines Hausprogramms und Haushaltsroboters, die ihn versuchten zu erinnern, vergaß er häufig genügend Wasser zu sich zu nehmen - regelmäßige Kopfschmerzen waren die Folge.
Er fragte sich, ob es unhöflich wäre zu fragen, wie man einen Transformer töten könnte. Der Fakt, dass sie komplett aus Metall bestanden und weder Nahrung noch Hydration benötigten, schien sie unbesiegbar zu machen. Nach kurzem innerem Konflikt siegte sein in der Regel unterlegenes Taktgefühl und er beschloss, dass er dies erst einmal nicht zu wissen brauchte. Die Autobots schienen ihn trotz vereinzelter Unsympathen tatsächlich schützen zu wollen, und sein (sehr guter) sechster Sinn für Gefahr schlug in ihrer Gegenwart nach dem ersten Schock nicht mehr aus. In der nächsten Zeit war es also eher unwahrscheinlich, dass er einen Transformer besiegen musste.
Plötzlich wurde er auf ein Gebäude aufmerksam, dass ganz am Rande des Geländes stand, ein wenig abseits von den Hallen und den Weiten des Testgeländes. Es war ein ganz normales - wenn auch altes und ziemlich heruntergekommenes - Motel mit einem verwilderten kleinen Garten vor dem Eingang. "Wozu habt ihr hier ein Motel?", fragte Phil verwirrt. "Bekommt ihr viele Touristen?". Skymark ließ eine Art unterdrücktes Glucksen ertönen und trug ihn in Richtung des Gebäudes.
"Nein. Dieser Ort ist seit Jahrzehnten unbewohnt. Hier lebten einst einige der Menschen, die uns im Kampf unterstützen. Es waren überwiegend Soldaten, die hier stationiert waren."
Phil wurde nach ihrer Ankunft bei dem Motel von Skymark abgesetzt und ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit, während Josto ihn freudig begrüßte.
"Was soll das?", fragte er etwas barscher als beabsichtigt, während das Tier begeistert an ihm hochsprang. Schuldbewusst biss er sich auf die Zunge, doch Skymark schien sich an seinem Ton nicht zu stören, falls er ihn überhaupt bemerkt hatte.
"Optimus hält es für das Sicherste, wenn du hierbleibst. So können die Decepticons dich nicht unbemerkt entführen."
Phil drückte den überschwänglichen Hund von sich.
"Sag' Optimus, dass das nicht geht. Ihr könnt mich nicht einfach hierbehalten! Ich bin unter der Bedingung mitgekommen, zu erfahren, was ihr eigentlich genau von mir wollt. Bis auf 'die Decepticons sind hinter mir her' und 'Matrix' weiß ich es noch immer nicht. Das, was ich aber weiß, ist, dass ich ein eigenes Leben habe. Ein Haus, Freunde, Familie, und einen Auftraggeber, dem ich verklickern muss, dass das Auto, was ich stehlen sollte, ein unsensibles Alien-Arschloch ist! Zumal ihr vermutlich nicht mal einen vernünftigen Anschluss zu Wasser oder Strom habt - von Essen ganz zu schweigen."
Skymark blinzelte. "Natürlich haben wir Essen besorgt, direkt als wir mit der Suche nach dir starteten." So, als wäre das der wichtigste Punkt, den Phil genannt hatte. "Und über deinen Auftrag brauchst du dir keine Gedanken machen. Er wurde von uns selbst organisiert", fügte er dann hinzu.
Phil machte große Augen und brauchte ein paar Sekunden, um diese Information zu verarbeiten. "Das ist ja noch schöner!", rief er dann aus und warf die Hände die Luft. "Ihr habt mich bewusst in ein höchst gesichertes Regierungsgebäude geschickt, in dem ich verdammt nochmal hätte sterben können, nur um mich zu entführen! Warum zum Teufel habt ihr das getan?"
"Wir mussten dich von deinem Haus entfernen. Dort stecken vermutlich zu viele Hinweise auf den Wohnort deiner Eltern, und die Decepticons hätten ein leichtes Spiel. Sie beobachten jede ungewöhnliche Aktivität von uns und wir hätten sie direkt zu dir geführt. Außerdem wussten wir, dass du gut bist. Du wärst nicht so einfach gestorben, besonders nicht, nachdem wir die Kalibrierung der Sicherheitssysteme überschrieben haben."
Es dauerte mehrere Sekunden, bis Phil seine Worte wiederfand. "Okay, mir reicht's jetzt. Ich werde gehen und mich von einem Freund abholen lassen." Die Autobots konnten nicht ernsthaft von ihm erwarten, dass er für wer weiß wie lange bei ihnen untertauchte. Vielleicht sogar bis an sein Lebensende? Nein danke! Ganz besonders nicht, da er noch immer nicht wirklich wusste, was genau sie von ihm wollten. Ohne ein weiteres Wort stapfte er mit Josto davon und ließ einen verdutzten Skymark zurück. Er kochte vor Wut, und der Hund spürte dies. Er warf Phil immer wieder einen verwunderten Blick zu und wedelte unsicher mit der Rute, während er neben ihm her trabte. Auf dem Weg zum Ausgang passierte er noch einmal die meisten Gebäude und spürte unangenehm die Blicke von geschäftig umherlaufenden Autobots auf sich. Mit gesenktem Kopf erreichte er gemeinsam mit seinem Hund das Tor, auch wenn er nicht wusste, weshalb er sich fühlte, als würde er einen Fehler begehen. Es war immerhin sein gutes Recht, zu gehen. Doch noch bevor er Lucas' Nummer wählen konnte, kam ein dunkelblauer Sportwagen auf ihn zugerast und bremste direkt vor ihm ab, den Weg zum Ausgang versperrend und mit quietschenden Reifen, die schwarze Spuren auf dem brüchigen Asphalt hinterließen. Skymark begann fast sofort, sich mit verschränkten Armen vor ihm aufzubauen. Ernst sah er zu ihm hinab, was Phil veranlasste, zu schlucken.
"Philias, ich weiß wie verwirrend die derzeitige Situation ist. Du wirst Antworten bekommen, das verspreche ich dir! Aber du musst mir vertrauen, wenn ich dir sage, dass du hierbleiben musst. Die Decepticons haben gestern Nacht mitbekommen, dass wir etwas vorhaben, und die Wahrscheinlichkeit, dass sie herausfinden werden, was, ist sehr groß. Sie sind nicht dumm. Wenn du in ihre Hände gelangst, bedeutet das nicht nur Leid für dich, sondern auch Gefahr für diesen Planeten. Es steht dir frei zu gehen, du bist kein Gefangener, aber wenn du das tust, kann niemand mehr helfen."
Phil senkte seinen Kopf und kickte frustriert mit seiner Schuhspitze gegen den Boden. Skymarks Worte jagten ihm Angst ein, er fühlte sich wie eine laufende Massenvernichtungsbombe. Doch konnte er sein Leben einfach so zurücklassen? Seine unwissenden Eltern, seine Freunde, insbesondere Lucas, der vermutlich inzwischen davon ausging, dass Phil tot oder im Knast war, und sein Zuhause? Er schloss seine Augen und atmete einmal tief ein. Alle ihm einfallenden Möglichkeiten spielten sich in Lichtgeschwindigkeit vor seinem inneren Auge ab. Als er den Blick wieder auf Skymark richtete, war seine Entscheidung gefallen, obwohl sie Übelkeit in ihm aufkommen ließ.
"Okay, ich bleibe. Aber nur bis alles vorbei ist und wenn ihr mich ab sofort Phil nennt." Er hasste den Namen Philias, und das hatte ihn seit der seiner Entführung schon die ganze Zeit gestört.
Skymark nickte. "Es freut mich deine Bekanntschaft zu machen, Phil."
Nachdem Phil darauf kurz genickt hatte, begleitete der Autobot ihn langsam mitsamt Josto zurück zu dem Motel. Sie sprachen kein Wort auf dem Weg. Phil spürte, dass sein Leben sich gerade für immer veränderte und wusste nicht, was man in solch einem Moment am besten sagen sollte. 'Auf eine gute Zukunft'? 'Hoffentlich sterbe ich nicht'? 'Lass uns Freunde sein, wenn wir nun schon die nächste Zeit miteinander verbringen müssen'?
Bei dem Motel angekommen, wandte Skymark sich ihm noch einmal zu. "Ab jetzt wird Revolt für deine Sicherheit sorgen. Optimus und ich werden nach der Matrix der Führerschaft sehen und deshalb für einige Tage unterwegs sein."
Phil stockte. "Revolt soll auf mich aufpassen? Der Revolt, der mich anguckt, als sei ich eine Fliege auf seinem verdammten Steak und als hätte ich seine Eltern bei lebendigem Leib verbrannt? Erstens brauche ich keinen Leibwächter, und zweitens schon gar nicht ihn. Er ist der Letzte, dem ich mein Leben anvertrauen würde!"
Phil meinte, einen Anflug von Mitleid in Skymarks Blick zu erkennen. "Ich kann deine Missgunst verstehen, aber so lauten Optimus' Anweisungen. Auch ich denke nicht, dass diese Situation ideal ist. Doch wir alle müssen zum Wohle dieses Planeten Opfer erbringen"
Phil stieß unzufrieden die Luft aus. 'Ohne Opfer gibt es keinen Sieg'. Den Spruch hatte er sich schon oft anhören müssen. Seine Eltern bezeichneten ihn als 'Familienmotto' und rezitierten diese Worte stolz in jeder erdenklichen Situation, wie ein Gedicht, egal ob es gerade passte oder nicht. Erst wollten sie ihm mit diesen Worten als Kind Erbsen schmackhaft machen, dann zum Lernen für die Schule motivieren und erst vor kurzen meinten sie, dass sie ihn mit dem Spruch dazu bringen könnten, endlich seinen Rupert-610 gegen ein funktionierendes Modell einzutauschen.
"Ich hoffe, Optimus weiß, was er tut", sagte er leise. Ihm war bewusst, dass Skymark recht hatte. Was war sein Leben gegen das der gesamten Menschheit? Trotzdem sträubte sich in seinem Inneren alles bei dem Gedanken, fürs erste nicht mehr in seinen normalen Alltag rückkehren zu können, nur um von einem Alien bewacht zu werden das ihm vermutlich am liebsten den Kopf abreißen wollte.
"Das tut er". Skymark richtete sich wieder auf, bevor er anerkennungsvoll nickte. "Auf Wiedersehen, Phil. Du bist ein Witwicky, und wenn du auch nur im Ansatz nach Sam kommst, wirst du das Schaffen. Daran gibt es keinen Zweifel."
"Hmh", machte Phil und drehte sich unglücklich dem Motel zu. Er seufzte beim Anblick der heruntergekommenen Fassade. Dann trottete er zusammen mit Josto durch das Gartentor und den mit Unkraut überwuchernden Garten zum Eingang. Er bestand aus einer automatischen Schiebetür, und zu Phils Überraschung funktionierte sie noch einwandfrei als er hindurch trat. Skymark war bereits wieder auf dem Rückweg zum Hauptteil der Basis, sodass er nicht mehr mitbekam, wie Phil beim Betreten der kleinen Lobby wie angewurzelt stehen blieb. Die gesamte Einrichtung war sicherlich hundert Jahre alt, und die Luft so staubig, dass sie ihn erst einmal in einen so starken Hustenanfall versetzte, dass seine Augen tränten. Bei jedem Atemzug kratzte es in seiner Kehle. Er wusste natürlich, dass das Haus nach dem Verschwinden der Menschen vermutlich nicht mehr auf dem Laufenden gehalten wurde, doch erst jetzt wurde ihm bewusst, was genau das bedeutete.
Es dauerte mehrere Minuten, bis sein Körper sich an die Luft gewöhnt hatte, was jedoch einen immer wieder zurückkehrenden Hustenanfall nicht stoppen konnte. Er zog sich den Kragen seines Hoodies über die Nase, um den gröbsten Staub beim Einatmen herauszufiltern, obwohl er sich geistig schon einmal damit abfand, dass er sich schon mit dem ersten Schritt ins Innere des Motels zu einer Zukunft mit Asthma, Stauballergie und Lungenkrebs verdammt haben musste. Langsam drehte er sich um seine eigene Achse, um sich einen Überblick über den Raum zu schaffen. Die unheimliche Stille wurde nur von seinen eigenen Schritten und einem gelegentlichen Niesen von Josto unterbrochen. Eine breite Rezeption war direkt gegenüber der Eingangstür erbaut worden. Zu seiner Rechten war eine weitere automatische Tür, dessen Glas jedoch im Gegensatz zu der am Eingang mit milchiger Folie beklebt worden war. Links neben der Tür war ein kleiner Wartebereich. Ein runder Glastisch, der vermutlich mal modern war, stand vor einer L-Förmig angeordneten Bank, dessen einzelne Sitzplätze mit Armlehnen voneinander getrennt waren. Ein paar verdorbene Pflanzen, die im Laufe der Jahrzehnte zu einem großen Teil zu Staub zerfallen waren, standen verteilt im Wartebereich. Phil schlenderte, gefolgt von Josto, zum Gebäudeplan, der im Raum zwischen der Rezeption und dem hässlichen Glastisch aufgestellt war. Mangels Beleuchtung ließ sich die Karte nur schlecht entziffern, doch nach kurzer Zeit gewöhnten sich seine Augen an die Lichtverhältnisse. Laut dem Plan befand sich hinter der beklebten Tür ein Korridor, von welchem aus man auf der linken Seite einen angrenzenden Speisesaal betreten konnte. Folgte man ihm weiter, gelang man in ein Treppenhaus mit einem Aufzug. Bog man dort jedoch rechts ab, anstatt der Treppe zu folgen, wurde der Korridor fortgeführt. Auf einer Seite des Ganges gab es dem Plan nach einen Technikraum, auf der anderen war eine Art winziger Einkaufsladen. Am Ende befand sich zu guter Letzt ein Fitnessstudio. Die beiden Stockwerke darüber waren identisch strukturiert und bestanden lediglich aus Zimmern, in denen vermutlich vorher die auf der Basis stationierten Soldaten schliefen. Außerdem gab es jeweils ein Aufenthaltsraum pro Etage. Phil warf noch einmal einen Blick durch die Lobby, bevor er sich dazu entschloss, eines der Soldatenzimmer für sich selbst zu beschlagnahmen. Mit seiner freien Hand gab er Josto ein Zeichen, dass es weiter ging und hoffte, dass auch die restliche Technik im Gebäude funktionierte. Der Korridor zur Treppe war durch viele Fenster gut beleuchtet, jedoch nicht weniger staubig, was er nach einem vorsichtigen Atemzug ohne abgedeckte Nase schnell feststellte und seinen Arm schnell wieder an Ort und Stelle schnellen ließ. So zügig wie möglich eilte er durch den Gang, bis der Raum plötzlich größer wurde und eine breite Treppe aus Stein erscheinen ließ. Kurz überlegte er, sich den Rest des Erdgeschosses anzuschauen, verwarf diese Idee allerdings schnell wieder als Josto erneut nieste und ihn daran erinnerte, dass er vermutlich erst einmal einen der auf dem Plan angezeigten Balkone aufsuchen sollte. Also stieg er jeweils zwei Stufen auf einmal hinauf, bis er einem weiteren Korridor entgegenblickte. Er entschied sich, den nächstbesten Raum zu öffnen, und fand ein staubiges, jedoch sonst sehr ordentliches Zimmer vor. Direkt auf der linken Seite befand sich ein weiterer Raum, der sich nach einem kurzen Blick hinein als kleines Badezimmer herausstellte. Dann öffnete er erst einmal die Tür zu dem kleinen Balkon, der wie von der Karte versprochen scheinbar an jedem einzelnen Zimmer existierte. Gemeinsam mit Josto nahm er erst einmal einen tiefen Atemzug, der sich anfühlte wie Wasser nach einem Marathon in der Wüste. Eine ganze Weile verharrte er dort, die warme Sonne des Spätsommers in seinem Gesicht und den entfernten Stimmen der Autobots lauschend, die gelegentlich zu ihm herüber geweht wurden. Von seinem Zimmer aus konnte er direkt auf den Eingang mit dem verwilderten Vorgarten hinabblicken und hatte auch so insgesamt eine gute Sicht auf die Hallen sowie das Hauptgebäude der Basis. Er wusste nicht, wie viel Zeit er auf dem Balkon verbrachte, doch irgendwann wandte er sich wieder mit einem Seufzen dem Raum zu. Die Tür ließ er hinter sich geöffnet, einerseits um Josto die Freiheit zu lassen selbst zu entscheiden, ob er sich drinnen oder draußen aufhalten wollte, und andererseits, um so viel wie möglich von der staubigen Luft loszuwerden. Auch das Fenster öffnete er so weit es ging, bevor er sich dem Rest des Zimmers zu wandte. In der Ecke, die durch das Badezimmer entstand, befanden sich zwei Betten, scheinbar noch in derselben Bettwäsche wie vor fünfzig Jahren - oder wann genau auch immer die Menschen die Basis verlassen hatten. Daneben stand jeweils ein Nachttisch mit Leselampe und einer eingebauten Schublade. Ein kleiner Schreibtisch stand in der Zimmerecke neben zwei Kleiderschränken, und die Wand darüber wurde von einer kaputten Uhr geziert.
In den Schränken fand er ein frisches Set Bettwäsche, welches zwar leicht staubig, aber insgesamt sauber war. Die alten Sets schmiss er fürs erste unter den Schreibtisch, und die Bettdecke mit dem Kissen schüttelte er einmal kräftig über dem Balkongeländer aus. Gerade als die Decke seiner Zufriedenheit entsprach, begann Josto neben ihm zu knurren. Mit gerunzelter Stirn folgte Phil der Aufmerksamkeit des Hundes, die zu einem alten, schwarzen Mercedes gehörte und ihn prompt genervt aufstöhnen ließ. Verkniffen beobachtete er, wie Revolt vor dem Eingang zum Vorgarten parkte und keinerlei Anstalten machte, sich von der Stelle zu bewegen. Josto ließ ein Bellen ertönen, und Phil brachte ihn seufzend mit einem Handzeichen zum Schweigen. "Ich weiß", murmelte er. "Ich seh's genauso."
Mit einem letzten missmutigen Blick auf den Wagen unter ihnen klemmte er sich das Kissen unter den Arm und machte sich ans Beziehen eines der Betten. Als er fertig war, machte er es sich darauf mit dem Rücken zur Wand bequem und zog sein Handy aus der Hosentasche. Es zeigte mehrere Nachrichten von Lucas an, die er nach kurzem Überlegen öffnete, aber nicht beantwortete. Das war eine Art Code zwischen ihnen, der so viel bedeutete wie 'Mach die keine Sorgen, bin am Leben und in der Lage mein Handy zu bedienen, kann aber nicht reden'. Gerade wollte er den Chat wieder verlassen, da erschien das 'schreibt...'- Symbol auf dem Bildschirm, gefolgt von mehreren Nachrichten. Lucas musste gesehen haben, dass er online war.
'Omg'
'du absoluter Bastard'
'Ich dachte du bist tot man'
'schreib sobald du kannst'
'fick dich'
'bye'
Phils Mundwinkel zuckte, bevor er endgültig die App schloss. Josto sprang zu ihm auf das Bett, während er seine Lieblingsplaylist abspielen ließ. Er schloss mit einem tiefen Atemzug die Augen und kraulte den Hund auf dem Kopf, während ihm die ersten Akkorde seines Lieblingssongs in die Ohren schallten.
Wenigstens für eine kurze Zeit trug ihn die Melodie der elektrischen Gitarre fort von Aliens, Waffen, Verantwortungen und Schicksalen.

Transformers - Matrix [Band 1]Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora