Gärten, Fragen und Antworten

158 9 0
                                    

Phil hatte sich am nächsten Morgen noch immer nicht ganz von dem vergangenen Tag erholt. Zwar hatte er eine ganz interessante Unterhaltung mit Hobble geführt, dennoch konnte er am Abend nur mit Hilfe einer geführten Meditation einschlafen, welche er auf YouTube gefunden hatte. Er hatte sich außerdem vorgenommen, beim nächsten Einkauf ein paar Kopfschmerztabletten mitzunehmen. Als er beim Aufwachen für eine ganze Weile die Decke angestarrt hatte, nahm er sich vor, den Vorgarten ein wenig vorzeigbarer zu machen - selbst wenn er der einzige war, der sich dafür interessierte. Das gab ihm etwas zu tun und er musste sich nicht mit Doddle herumschlagen. Revolt ignorierte ihn seit dem gestrigen Tag immerhin gekonnt, deshalb würde er vermutlich eine angenehmere Gesellschaft darstellen.
Da Phil nirgends eine Gartenschere fand, nahm er sich nach seiner morgendlichen Tasse Kaffee einfach eine große Bastelschere und ein Brötchenmesser aus der Küche mit. Das würde erstmal reichen müssen. Ein Paar Ofenhandschuhe nahm er für den Fall der Fälle ebenfalls mit. Gegen längere Stacheln würden sie nur wenig nützen, doch für Brennnesseln sollte es reichen.

So bewaffnet stand er nun im Garten und sah sich erst einmal um. Josto beschäftigte sich selbst, in dem er sein neues Revier zu markieren begann. Phil hatte noch nie in einem Garten gearbeitet, nur manchmal seine Mutter dabei beobachtet. Bis auf den asphaltierten Weg, der sich vom Eingangstor bis zu den automatischen Türen erstreckte, war alles von meterhohen Gräsern überwuchert. Ein paar Sträucher hatten sich unkontrolliert verbreitet oder waren über die Jahre komplett vertrocknet. Efeu hatte einen Baum überfallen, der nur noch wenige eigene grüne Blätter hatte. Letztendlich begann er, erst einmal die toten Sträucher zu Kleinholz zu verarbeiten. Sie waren nicht mehr zu retten, und die meisten Äste waren zart genug, um sich entweder abbrechen zu lassen oder mit dem Brötchenmesser zu durchtrennen. Er begann mit seiner selbsterkorenen Aufgabe erst eher ziellos, arbeitete sich jedoch bald in eine Art Rhythmus. Die abgetrennten Äste warf er neben sich, ab und zu schaute Josto nach dem Rechten und bekam im Gegenzug eine kurze Streicheleinheit, und nach einer guten Stunde war etwa die Hälfte des ersten Strauches zu einem kleinen Asthaufen geworden.
Es hatte etwas meditatives, und Gedanken an Aliens rückten erst einmal in weite Ferne. Für eine Weile vergaß er sogar, wo er eigentlich war - zumindest, bis Revolt sich plötzlich transformierte und Phil erschrocken zusammenfahren ließ. Ein paar Sekunden brauchte er, seinen Atem wieder unter Kontrolle zu bringen und debattierte, ob er etwas sagen sollte. Schließlich entschloss Phil sich, den Autobot zu ignorieren. Verkniffen presste er seine Lippen aufeinander, während er sich weiter seiner Arbeit widmete.
Eine Weile beobachtete Revolt die Situation, und Phil hatte es gerade geschafft, ihn erneut auszublenden, da unterbrach der Autobot die Stille. "Was genau tust du da?", fragte er mit ernsthafter Verwirrung in der Stimme. Ein paar Augenblicke hielt Phil inne und überlegte, ob er den Ölzweig entgegennehmen sollte, den Revolt ihm gerade entgegen zu reichen schien. Als er jedoch daran zurückdachte, wie der Bot zuvor Skymark vorgeschlagen hatte, ihn den Decepticons auszuliefern, entschied er sich dagegen. Er benötigte mehr als eine angenehme Autofahrt, um ihm eine Chance zu geben. Also brach und sägte er weiter Zweige ab, mit etwas mehr Kraft als nötig war. Nach ein paar Minuten erschien jedoch eine große metallene Hand in seinem Blickfeld, ergriff den Strauch, und zog diesen mitsamt seiner Wurzeln aus dem Boden.
Mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete Phil, wie Revolt den Strauch einfach in den an das Gelände grenzenden Wald warf.
"Zufrieden?", bemerkte dieser genervt.
"Woher willst du wissen, ob ich das Ding nicht da lassen wollte?", entgegnete Phil nicht minder genervt.
Revolt schnaubte. "Selbst ein Mensch wie du ist nicht so dumm."
Phil biss sich auf die Zunge, bis es weh tat, um nicht etwas Beleidigendes zu erwidern. Irgendwie, auf eine eher aggressive Art, hatte Revolt ihm immerhin gerade geholfen. Es schien nicht fair, daraus nun einen Streit entfachen zu lassen. "Gut" sagte er dann. "Danke für die Hilfe."
Revolt verengte seine Augen zu schlitzen. Ein Dankeschön schien er nicht erwartet zu haben. "Ich habe nicht dir, sondern mir geholfen. In dem Tempo wärst du nie fertig geworden. Jetzt kannst du wieder in das Haus gehen und ich habe meine Ruhe." Phil warf mit gerunzelter Stirn einen Blick auf den wüsten Vorgarten. "Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber das könnte zu einer zeitintensiveren Angelegenheit werden." Revolt folgte seinem Blick und gab ein entnervtes Geräusch von sich, eine Mischung aus Stöhnen und Knurren. Phil zuckte mit den Schultern, und schickte Josto, der sich gerade begeistert in dem durch Revolt entstandenem Erdloch wälzen wollte, mit einem Handzeichen zurück vor den Eingang, wo er vorher entspannt geschlafen hatte. "Du kannst ja gehen", sagte Phil, und leichte Verbitterung machte sich in ihm breit. "Im Gegensatz zu mir." Revolt schwieg ein paar Momente, bevor er antwortete.
"Ich habe meine Befehle, und die lauten, dich im Auge zu behalten."
"Gut", meinte Phil. "Dann kannst du mir ja genauso gut endlich erklären, warum ich hier bin. Und zwar mit mehr Worten als 'Du bist eine Gefahr für die Menschheit und die Decepticons wollen dich entführen'."
Sein Gegenüber entgegnete nichts und Phil wusste, dass Revolt einerseits klar war, dass er mit der Sprache herausrücken musste, aber ihm andererseits den Gefallen nicht tun wollte. "Danach werde ich auch für heute ins Motel gehen", fügte Phil hinzu, in der Hoffnung dies würde bei der Entscheidung helfen. Eine Weile kämpfte Revolt noch mit sich, doch dann gab er nach und setzte sich hin. Erleichtert warf Phil das Brötchenmesser auf den Boden und tat es ihm gleich.
"Was willst du wissen?", fragte Revolt zögernd.
Phil antwortete, ohne nachdenken zu müssen. "Was ist diese Matrix?" Kurz schien Revolt nachdenken zu müssen, wie er es erklären sollte.
"Die Matrix der Führerschaft ist eine Energonquelle. Jedoch eine sehr besondere, von der wir nicht genau wissen, was sie alles außerdem kann. Sie ist ein sehr mächtiges Artefakt, das für eine lange, lange Zeit verschollen war. Das Einzige, was wir wirklich über ihre Funktion wissen, ist dass es sich um eine Energonquelle handelt. Außerdem können nur Auserwählte sie benutzen, was einer der Gründe ist weshalb sie so unerforscht ist", erklärte Revolt.
Phil hob skeptisch eine Augenbraue. "Und woher wollt ihr wissen, dass ich 'auserwählt' bin?"
"Du bist ein Nachfahre Sams. Er wurde auserwählt, und somit auch alle Witwickys nach ihm."
"Und wer genau hat beschlossen, dass ausgerechnet wir diese Matrix benutzen sollen?"
"Das waren wohl die ersten Primes. Sie haben die Matrix vor vielen Jahrmillionen erbaut und vor hundert Jahren deinen Ururgroßvater gewählt."
Phil hatte inzwischen so viele Fragen, dass er gar nicht wusste, welche er als nächstes stellen sollte. "Die 'Primes'? So wie Optimus Prime?", fragte er schließlich.
"Ja. Optimus ist der letzte lebende Prime und der einzige außer dir und deiner Familie, der die Matrix benutzen kann."
"Er ist der letzte? Wie konnten die anderen dann Sam 'auserwählen', wenn Optimus der letzte ist? Ist einer gestorben?"
Revolt schien eine Bewegung zu machen, die wie ein Schulterzucken aussah. "Keiner weiß, wie das genau funktionierte. Die Kurzversion ist laut den Erzählungen der Anderen allerdings so, dass Sam starb und die Primes ihn, zusammen mit der Fähigkeit die Matrix nutzen zu können, wieder ins Leben zurückholten."
Nun hatte sich die Zahl der Fragen in Phils Kopf noch einmal verdoppelt. Samuel war tot gewesen? Und ein paar tote Transformer hatten die Macht gehabt, ihn einfach so ins Leben zurückzuholen? Ein paar Sekunden brauchte er, um seine Gedanken neu zu sortieren.
"Okay", begann er dann. "Du sagtest, die Matrix ist eine 'Energonquelle'. Was genau bedeutet das?"
"Energon ist unsere Kraft. Ohne sie kann kein neues Leben entstehen und das existierende stirbt. Es ist wie Sauerstoff, Wasser, oder auch Blut für euch. Es wird in unseren Spark aufgenommen, dem Herz der Transformer."
"Und weshalb ist das gefährlich? Klingt das doch ganz gut, oder nicht. Ihr habt die Matrix und könnt leben. Wo ist das Problem?"
"Das Problem seid ihr. Falls die Decepticons dich und die Matrix bekommen sollten, werden sie ihre alten Kräfte zurückerlangen und euch in ihrer Überzahl alle töten. Früher wollten sie lediglich die Existenz unserer Spezies sichern, heute ist es etwas persönliches."
Phil dachte über Revolts Worte nach, während er ein paar Grashalme zwischen dem Asphalt neben sich herus rupfte. Decepticons hatten es also gezielt auf die Menschheit abgesehen. Diplomatie schien dementsprechend also keine Option zu sein.
"Wenn euch so wichtig ist, dass ich in dieser Basis verrotte, weshalb habt ihr mich erst jetzt geholt?", fragte er dann, sich aus seinen Gedanken ziehend. Revolt starrte den Erdboden vor sich an, als wäre dieser für alles negative verantwortlich, was ihm je zugestoßen war. "Wir brauchten dich vorher nicht", sagte er mit kaum unterdrückter Wut. Sie schien ausnahmsweise nicht Phil gewidmet zu sein, deshalb ignorierte er den Tonfall. "Aber jetzt hat Optimus sich dazu entschlossen, die Matrix zu zerstören. Und da nur die Auserwählten die Matrix nutzen können, ist das jetzt dein Job."
Phil erwiderte erstmal nichts, sondern rupfte weiter nachdenklich Gras aus. "Also möchte Optimus euch alle aussterben lassen?", fragte er dann. Er beobachtete Revolt nun ganz genau. Dieser antwortete eine Weile nichts, sondern starrte einfach zurück. Innerlich schien in ihm ein Kampf statt zu finden, und Phil beschloss, ihm die Zeit zu geben, die er benötigte.
"Im Großen und Ganzen", begann der Autobot dann und wandte seinen Blick wieder dem Boden zu. "Ja. Es wird darauf hinauslaufen."
Phil nickte langsam. Josto kam angetrottet und machte es sich neben ihm gemütlich. Abwesend begann Phil ihn hinter den Ohren zu kraulen, während er sich alles soeben Gelernte durch den Kopf gehen ließ. Er konnte nun fast schon verstehen, weswegen Revolt ihm so abgeneigt war - er selbst würde vermutlich ähnlich reagieren, wenn er wüsste, dass sein Gegenüber indirekt für den Untergang der Menschheit verantwortlich sein würde.
"Revolt", ergriff er dann wieder das Wort. "Weshalb macht Optimus das nicht selbst, wenn er diese Matrix als Prime doch ebenfalls benutzen kann?"
Revolt schien nach einer Antwort zu suchen. "Ich weiß es nicht", meinte er dann knapp.
Erneut nickte Phil. "Hmh", machte er. Kurz saßen sie so schweigend voreinander, bis Revolt sich wieder transformierte und reglos vor dem Motelgelände stand. Phil saß noch eine ganze Weile still da, beobachtete gedankenverloren wie der Schatten des Zaunes vor sich über den Weg wanderte, und stand erst dann auf, als sein Hintern begann, taub zu werden. Gefolgt von Josto schlenderte er dann in die Lobby des Motels, und hoffte, dass Gedanken an Matrizes und Schicksale ihn für den Rest des Tages in Ruhe ließen.

Transformers - Matrix [Band 1]Where stories live. Discover now