Der Verrat

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"Wach' auf!"
Phil schreckte aus einem Traum. Irgendetwas über ein Autorennen, doch er verschwand schneller aus seinem Gedächtnis, als er sich mehr Details merken konnte. Verschlafen, doch mit pochendem Herzen blickte er sich um. Er war in einem eher spärlich eingerichteten Raum, der nicht aussah wie sein Zuhause. Vor seinem Bett stand ein Roboter. Doddle. Immerhin wusste er nun wieder, wo er war. Ein Blick aus dem Fenster sagte Phil, dass es mitten in der Nacht sein musste. Gähnend rieb er sich die Augen. "Was soll der Schwachsinn", murmelte er.
"Steh' auf und geh' zu Revolt!", sagte Doddle mit drängender Stimme. Er schien todernst. Beunruhigt befreite sich Phil aus seiner Decke und stand auf. Er hob den erstbesten Pullover auf, den er fand, und zog ihn sich über.
"Was ist los?", fragte er angespannt, während er sich ein paar Hosen und Socken aus dem Kleiderschrank fischte.
"Optimus und Skymark werd'n angegriffen, sie brauch'n dringend Unterstützung. Revolt wird dich weit weg von hier bring'n. Beeil' dich, die Basis is' schon leer und die Decepticons sollt'n dein'n Aufenthaltsort besser nicht kenn'n, falls das hier 'ne Falle ist."
Phil nickte und schlüpfte in ein sein Paar Schuhe. Alles andere ließ er zurück - es schien keine Zeit dafür zu sein, sich Wechselwäsche oder ähnliches einzupacken.
"Komm mit, Kleiner", forderte er Josto auf, der bereits nervös um ihn und Doddle herumlief. Das ließ dieser sich nicht zweimal sagen, und zusammen rannten sie die Treppe des Motels herunter, durch die Lobby und auf Revolt zu, der schon mit geöffneten Autotüren auf sie wartete. Kaum hatten Mensch und Tier ihre gewohnten Plätze eingenommen, da raste Revolt in halsbrecherischem Tempo los. Phil und Josto wurden unsanft in ihre Sitze geschleudert, doch diesmal störte Phil sich daran nicht. Angespannt und mit pochendem Herzen beobachtete er wie die Landschaft an ihnen vorbeizog, die Bäume nichts als eine Verschwommene Masse.
Lange fuhren sie so über Straßen, durch eine Kleinstadt, bauten beinahe einige Unfälle und achteten nicht auf die Verkehrsregeln. Doch das war Phil egal. Nervös presste er die Kiefer zusammen, und blickte immer wieder zurück, sich vergewissernd, dass sie nicht verfolgt wurden.
"Was ist eigentlich passiert?", fragte er nach einer Weile, nachdem er versucht hatte, sich mit drei tiefen Atemzügen zumindest ein bisschen zu beruhigen. Doch er bekam keine Antwort. "Revolt?", fragte er sich vorsichtig. Noch immer erhielt er keine Reaktion. Er begann, wieder unruhiger zu werden. Plötzlich hörte er eine unbekannte Stimme aus dem Radio.
"Wir haben Prime und den anderen. Ist der Mensch bei dir?"
"Ja. Ich bin bald bei der Basis", antwortete Revolt.
Sofort entwich alle Farbe aus Phils Gesicht. Blankes Entsetzen ergriff ihn und sein Herz pumpte wie noch nie zuvor. Revolt hatte ihn verraten. Und nicht nur ihn - auch die Autobots und die gesamte Menschheit.
Phil schwieg. Er wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Josto begann zu fiepen, und Phil griff ihm ins Fell - ob sich selbst oder den Hund zu trösten, wusste er nicht. Erst, als er in der Ferne mehrere Panzer auf sie zukommen sah, die in ihrer Mitte einige ihm bekannte Fahrzeuge führten, kam wieder Leben in ihn.
"LASS MICH RAUS!", rief Phil so laut er konnte und hämmerte gegen die Fensterscheibe neben sich. Doch nichts geschah, Revolt ignorierte ihn, und all die Decepticons mit den gefangenen Autobots schlossen hinter ihnen auf. Er wollte jedoch nicht einfach so aufgeben.
"LASS SIE GEHEN!", brüllte er wütend und schlug einmal kräftig auf das Lenkrad, was ihm selbst vermutlich mehr weh tat als Revolt und zu einem schönen blauen Fleck führen würde. Den Schmerz nahm er jedoch nicht wahr, dafür war sein Adrenalin viel zu hoch. Er wusste, dass er hoffnungslos ausgeliefert war, doch erst jetzt begann er zu ahnen, was das bedeutete. Mit jedem gefahrenen Meter sackte er mehr in sich zusammen. Sehr bald würde die Menschheit Geschichte sein, und dieser Planet ebenfalls. Lucas, seine Eltern - alle würden vernichtet werden. Josto krabbelte auf den Schoß seines Herrchens - zumindest so weit wie es mit seiner Größe möglich war - und Phil begann zitternd, ihn hinter den Ohren zu kraulen. Den Rest des Weges bekam er kaum noch mit, als wäre er in einem Traum. Einem grausamen, schrecklichen Alptraum.
Ein Autobot versuchte auf dem Weg auszubrechen und wurde an Ort und Stelle erschossen. Phil konnte nicht erkennen, wer das Opfer war - er hoffte bloß, es war einer der Bots, denen er nur im Vorbeigehen begegnet war und kaum kannte. Dann begann die Natur um ihn herum immer bewaldeter zu werden, und irgendwann bog die Karawane einfach in das Dickicht ab, wo die Panzer mühelos den holprigen Boden und das Gestrüpp durchschnitten. Irgendwann tauchte vor ihnen eine riesige Absperrung mit sehr vielen Warnungen auf, und Phil dachte an die Autobotbasis. Als sie auf das Gelände fuhren, verschwand der Rausch, in dem er sich befand, und er versuchte alles auf einmal im Auge zu behalten. Fluchtwege ermitteln. Bewachung einschätzen. Das konnte er. Er beobachtete, wie ein großer Decepticon auf sie alle zu kam und direkt vor der riesigen Gruppe von Fahrzeugen stehen blieb.
"Transformieren", befahl er mit einer gurgelnden Stimme, laut und bestimmt. Alle Decepticons taten wie befohlen und standen in einer versteifen Haltung auf ihren Plätzen. Lediglich Revolt blieb so wie er war, was den Decepticon allerdings nicht zu stören schien, denn er war damit beschäftigt, drohend auf die Autobots zu zugehen, die ebenfalls noch immer unverändert an Ort und Stelle standen. "Ich befahl euch, euch zu transformieren", sagte er bedrohlich und Phil hoffte, dass die Autobots reagierten. Er befürchtete ein Massaker.
"Wir nehmen keine Befehle von Decepticons entgegen", tönte es mutig aus der Reihe der Bots. Phil kannte die Stimme nicht, doch er wusste, dass dies die falsche Antwort gewesen war. Der Decepticon grinste selbstgefällig. "Das werdet ihr früher oder später tun müssen, denn entweder schließt ihr euch mir an, oder ihr werdet bis auf den letzten Rest, Stück für Stück, auseinandergenommen." Phil schluckte. Noch immer trat keine Regung in die Autobots. "Bringt sie weg", befahl der Decepticon mit Wut in der Stimme und seine Anhänger begannen, die Autobots vorwärtszutreiben. Nur noch Revolt blieb mit Phil und Josto zurück, und der riesige Transformer wandte ihnen seine Aufmerksamkeit zu. "Ich bin zufrieden mit dir, Revolt", sagte er, klang aber nur oberflächlich erfreut. "Bring ihn in seine Zelle." Josto begann zu knurren, doch auf Phils hektisches Kommando verstummte er wieder brav. Er wollte nicht herausfinden, wie freundlich der fremde Decepticon Hunden gegenüber gestimmt war. Revolt setzte sich in Bewegung und fuhr eine lange Strecke über das weitläufige Gelände, bis sie mehrere Hallen erreichen, ähnlich denen der Autobots. Auf eine von ihnen, die von außen besonders geschützt und ausbruchsicher schien, fuhren sie zu. Innen waren Zellen mit blauen Stäben anstelle von Eisenstangen, hinter welchen Phil Optimus und Skymark erkannte. Immerhin waren sie noch am Leben. Revolt parkte vor einem Käfig, der ganz eindeutig auf Menschen ausgelegt war. Die Zelle war so klein, dass sie in der überdimensionalen Halle kaum auffiel, und hatte ganz normale Eisengitterstäbe anstatt der großen Blauen, welche die beiden Autobots beherbergten. Revolts Türen öffneten sich und Phil war versucht, einfach loszurennen. Kurz wanderte sein Blick in Richtung des Hallentors. Sein Entführer schien das jedoch zu bemerken und schloss sie sofort wieder. "Denk nicht daran. Wir bekommen dich sowieso wieder. Es ist also eine Sache, ob du in deinem jetzigen Zustand hinein gehst - freiwillig - oder ob du dein Haustier nie wieder siehst und eventuell ein paar gebrochene Knochen besitzt."
Phil schluckte schwer. "Ich dachte, wir hätten gerade angefangen, etwas wie Freunde zu werden", sagte er leise. "Ich habe dir vertraut." Die Türen öffneten sich zur Antwort nur erneut, und gehorsam ging er gemeinsam mit Josto in seine Zelle. Wenn er wenigstens seinen Hund retten konnte, wäre ihm das erst einmal genug. Revolt fuhr ohne ein weiteres Wort davon, und per Steuerpult versiegelte ein Decepticon am anderen Ende des Raumes die Tür, um dann die Halle ebenfalls zu verlassen. Erschöpft und voller Hilflosigkeit ließ sich Phil mit dem Rücken an der Zellenwand nieder. Bald würde alles vorbei sein, und er konnte nichts tun.

Transformers - Matrix [Band 1]Where stories live. Discover now