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In meiner Hütte sitzend, lausche ich dem Wind, der den feinen Schnee vom Dach fegt.
Mein Name ist Amber. Ich bin 17 Jahre alt. Und das schon länger, als ich zugegeben mag.

Barfuß laufe ich über die Dielen und sehe auf die Uhr. Fünf Uhr morgens.
Wieder pfeift der Wind.
Ich stelle mich vor den Spiegel und betrachte mein Gesicht.
Blass, unverändert und goldene Augen sehen mir entgegen. Ich fahre mir kurz durchs Haar und betrachte mein Spiegelbild wieder.
Ich trage nicht mehr als einen grauen Pullover  und eine schwarze, zerschlissene Hose. Keine Jacke.
Und das im Winter. Man würde meinen, ich sollte mich wärmer kleiden, aber was würde das nützen?

Wann war das nochmal?
Ach ja, nächsten Monat, sage ich mir in Gedanken.
Dann werde ich mein Zuhause verlassen und zurück nach Washington gehen. Ich lebe in Alaska, seit vielen Jahren, in vollkommener Einsamkeit. Aufregend ist hier nicht gerade, aber sicher.
Ich sehe mich noch einmal kurz um. Dann öffne ich die Tür und schließe sie wieder hinter mir. Es beginnt gerade wieder zu schneien.

Da die Hütte auf Mount Denali liegt, wo sich, meines Erachtens nach, kaum jemand hin verirrt, habe ich hier meine Ruhe und kann ungestört jagen. Ich weiß auch genau, wo ich hin will. In den Wald. Dort findet man immer  wieder Tiere, die nach Nahrung suchen.

Im Wald angekommen, bleibe ich an einem Baum stehen und schließe meine Augen. Ich versuche eine Fährte auf zu nehmen und konzentriere mich solange, bis ich endlich etwas rieche. Vielleicht ein Reh.
Wie in Trance laufe ich durch den Wald und komme an einer Lichtung zum stehen.
Zu meiner Enttäuschung ist es kein Reh.
Sondern ein Wolf.

So wie er mich erblickt, verschwindet er im Dickicht. Statt ihm zu folgen, lasse ich mich in den Schnee fallen und versuche das Brennen in meinem Hals zu ignorieren.
Zwecklos.

Eine gefühlte Stunde später nehme ich wieder einen Geruch war. Dieses Mal weiß ich genau, dass es ein Reh ist. Es dauert nicht lange, es auf zu spüren und zu fangen.

Nachdem der Durst gestillt ist, mache ich mich auf den Rückweg, doch bleibe ruckartig stehen.
Es sind Stimmen zu hören. Schnell klettere ich auf einen nächstgelegenen Baum und lasse mich auf einem Ast nieder.
Zwei blondhaarige Frauen kommen vorbei. Sie bleiben stehen.
"Bist du dir sicher, Kate?", fragt eine, während sich die andere nickend umschaut.
"Ich habe sie in diese Richtung laufen sehen, sie ist noch hier", sagt sie.
Sie?
Die beiden müssen wohl mich meinen?

Ich versuche weiter zu lauschen, doch höre, wie der Ast mit lautem Knacken nachgibt. Wenig später lande ich vor ihnen im Schnee.

Ich springe auf und suche Abstand. Sie sehen mich gelassen an, dann nicken sie sich gegenseitig zu und beginnen zu lächeln.
"Was wollt ihr und wer seid ihr?", frage ich vorsichtig.
"Das erzählen wir dir später, komm erstmal mit", sagt die eine, Kate glaube ich.
Sie sind eindeutig Vampire. Goldene Augen, wie die meinen. Ich folge ihnen aus dem Wald heraus. Mir ist klar, dass man mit Fremden nicht mitgehen soll, aber ich habe schon eine Weile keine Vampire mehr zu Gesicht bekommen.

~Flashback ~

Ich gehe durch die Straßen meines Heimatdorfes, in der Nähe der späteren Stadt Washington D.C.
Die Nacht ist hereingebrochen, eine Kutsche kommt mir entgegen.

Ich habe den Tag bei meiner besten Freundin verbracht. Wir sprachen lange über den nächsten Monat. Da soll ich mit einem Jungen aus reichem Hause verheiratet werden, dem ich seit meiner Kindheit versprochen bin.
In unserer Kindheit ließ man uns oft zusammen spielen, damit wir uns mögen, vielleicht sogar lieben, lernen. Es war normal, der Geschäfte wegen zu heiraten, nicht aus Liebe.
Doch für uns war es nicht so,wir wurden sehr schnell Freunde. Als wir ins Teenager alter kamen, wurde schnell mehr daraus. Wir hatten uns verliebt und waren glücklich miteinander.

Während wir uns unterhielten, fiel ihr Blick auf mein Kleid. Ich hatte es zur Verlobung erhalten.
Nach einer Weile verabschiedete ich mich wieder von ihr.

Ich freue mich sehr auf die Hochzeit. Was könnte dem jetzt noch im Wege stehen, denke ich lächelnd. Plötzlich werde ich in eine schmale Gasse gezogen. Nun erkenne ich die Gestalt eines jungen Mannes vor mir.
"Was wollt ihr von mir?", frage ich verängstigt, bekomme aber keine Antwort.
Er steht nur da und beobachtet mich. Langsam bewege ich mich von ihm weg und versuche, zu entkommen. Doch plötzlich steht er vor mir und packt mich erneut. Nun ist er mir noch näher. Mein Herz schlägt immer schneller, worauf er zu grinsen beginnt.
Ehe ich um Hilfe rufen, geschweige denn um Gnade bitten kann, spüre ich, wie sich seine Zähne ihren Weg durch meine Haut suchen. Kurz darauf wird alles schwarz.

Als ich wieder erwache, ist es noch immer dunkel.
Ich spüre, das erste Mal in meinem Leben, ein Brennen im Hals. Wie tausende Feuer, die mich von innen heraus zu verschlingen drohen.
Ich schrecke hoch und nehme etwas besonders stark wahr. Es ist Alkohol.
Ein Betrunkener.
Ich kann ihn nicht sehen, aber es riecht, als würde er direkt neben mir stehen.
Seltsam.
Er stolpert und fällt hin.
Leicht unbeholfen, steht er wieder auf und hält sich die Nase.
Sie beginnt zu bluten.
Als das merke ich nur durch den Geruch.

Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Der Geruch bringt mich fast um den Verstand. Mit jedem Tropfen, der auf dem Boden landet, wird der Drang stärker.

Ich schaffe es nicht mehr, mich dem zu entziehen und bewege mich in unmenschlicher Geschwindigkeit zu ihm, er kann sich nicht mehr wehren. Ich tue es dem Jungen gleich und beiße ihm in den Hals. Als das Brennen immer schwächer wird, merke ich erst, was ich da getan habe.

Nachdem ich meinen Durst gestillt habe, sehe ich auf den leblosen Körper und weiche erschrocken zurück. Ich laufe davon, schneller als gedacht.
Nach einer Weile bleibe ich stehen.
Wo ich mich befinde, weiß ich nicht. Endlich sehe ich eine Höhle und verstecke mich darin. Bald wird jemand den Mann finden und wissen wollen, was geschehen ist, sie werden den Schuldigen finden wollen.
Ich starre in die Luft, dann auf mein Kleid, es ist vollkommen blutverschmiert.

Es fühlt sich alles merkwürdig an.
Mir müsste kalt sein, dem ist aber nicht so. irgendwie fühle ich keine Temperatur.
Ich werde stutzig, lege die Finger an meinen Hals und versuche, meinem Herzschlag zu spüren.
Nichts.
Eigentlich müsste es nach diesen Geschehnissen doch so schnell wie noch nie schlagen.

Ich beuge mich vor und sehe geschockt in eine Pfütze vor mir. Meine Augen sind nicht mehr Blau, sondern rot.
Blutrot.
Was ist los mit mir?
Ich habe bestimmt Wahnvorstellungen. Das muss es sein. Das ist meine einzige Erklärung.
Der junge Mann muss ein Dieb gewesen sein und durch den Schreck muss ich das Bewusstsein verloren haben.
Doch was ist mit dem Blut auf meinem Kleid?

Ich weiß nicht, was ich machen soll. Langsam verlasse ich die Höhle, laufe los und höre nicht damit auf. So schnell wie möglich, fliehe ich aus Neu England.

~Flashback Ende ~

Viele, viele Jahre, um genau zu sein, fast 400 Jahre später, bin ich nun hier. Ich habe die meisten Staaten besucht und war auch in vielen anderen Ländern. Ich blieb immer nur ein paar Jahre. Bis ich vor Zwanzig Jahren nach Alaska kam.

Wir kommen an einem Haus an. Es hat einen modernen Baustil. Wie konnte ich nicht merken, dass sie auch hier leben?
Als wir es betreten, kommen uns ein Mann und eine Frau entgegen.
Auch sie haben goldene Augen.
Nun beginnen sie sich vorzustellen. Sie stellen fragen. Ich antworte schüchtern.
Es ist merkwürdig.

Nach einer Weile beginne ich meine Geschichte zu erzählen.

Das erste Kapitel ist fertig!!!!

Caro :)

After Dark - Bis(s) zur Unendlichkeit (BEENDET)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt