7. Hintermberg

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Es ist ein langer Fall, eher eine Rutschpartie als ein Sturz aus einer großen Höhe, aber das macht es für Anni nicht besser. Während alle anderen ihren Spaß haben und sich die Seele aus dem Leib brüllen, versucht sie verzweifelt einen Ausweg zu finden, bis sie ihre Hilflosigkeit einsieht und die Augen fest zusammenpresst.

"ICH HASSE RUTSCHEN!!", schreit sie aufs Geratewohl in die Dunkelheit, einfach nur um es den anderen mitzuteilen und sie an ihren Gedankengängen teilhaben zu lassen.

"ICH NICHT! WUUUUUHUUUUU!", hört sie Isabellas Stimme über sich ausgelassen rumkreischen.

"JETZT MAG ICH DICH NOCH WENIGER!", ruft sie erbost und mit noch immer krampfhaft geschlossenen Augen.

"KANN GAR NICHT SEIN! JEDER MAG MICH!", kommt auch prompt Isabellas Antwort zurück und erzürnt Anni.

"ICH BIN HALT EINE SPECIAL LITTLE SNOWFLAKE!!", schreit sie jetzt eher wütend als panisch.

"DANN FALL SCHÖN WEITER, SPECIAL LITTLE SNOWFLAKE!" Wenn Anni es nicht besser wüsste und diese Antwort schon erwartet hätte, dann hätte sie sich jetzt wohl zu einer Kugel zusammengerollt.

"AAAAAAAAAAAAH!!" Jetzt brüllt auch sie mit den anderen um die Wette, allerdings wohl aus anderen Beweggründen.

Nach einer scharfen Kurve, immer noch in völliger Dunkelheit, bildet sich ein harter Knoten in Annis Magen und es fühlt sich so an, als würde er sie noch schneller runterziehen, als sie ohnehin schon rutscht. Endlich wird es heller und eine sanfte Neigung der Röhre leitet Anni auf den Ausgang zu.

Ihr schon länger erwarteter Sturz ist weicher als gedacht. Trotzdem immer noch etwas unbequem, aber lange nicht so schmerzhaft wie Beton oder anderer Stein.

"AU!!!", schreit eine männliche, kratzige Stimme.

Was vielleicht daran liegt, dass sie auf jemanden draufgefallen ist. Auf jemand männliches. Jemand, den sie nicht kennt! Schnell springt Anni auf.

Nur Sekunden später fällt Isabella hinter ihr aus der riesigen Rutsche und, wie Anni ebenfalls, landet sie relativ weich auf einem alten, hageren und sehr knochigen großen Mann, der mit seinem verlotterten Aussehen wie ein Obdachloser wirkt.

"Isabella", bringt er grummelnd hervor und Sekunden später fliegt genannte Hexe im hohen Bogen durch die Luft. "WEN HAST DU HIER MITGEBRACHT? WER SIND DIE ALLE?", fängt er an rumzubrüllen und deutet mit einer schwingenden Bewegung seines Zeigefingers einmal auf alle aus der Gruppe.

Anni geht das gewaltig gegen den Strich. Sie ist gerade in einer verdammt dunklen Rutsche nur knapp am Tod vorbeigerutscht - dass der Mann da einen nicht ganz unwesentlichen Teil zu beigesteuert hat, ignoriert sie geflissentlich -, da muss sie sich doch nicht von einem abgerissen alten Drecksack unhöflich behandeln lassen!

"Es ist extrem unhöflich mit nacktem Finger auf andere Menschen zu zeigen", erklärt sie kontrolliert und mit einer so vorgetäuschten Ruhe, dass die anderen der Gruppe lieber in Deckung gehen und Abstand zu diesem hochexplosiven Gemisch namens Anni halten.

"Kim, komm mit", flüstert Pichu und schleift das Mädchen hinter sich her in den sicheren Schatten der Wand.

Den alten Mann schreckt sie aber nicht ab, was daran liegen könnte, dass er sie nicht kennt und nicht einschätzen kann.

"Das muss ich mir von dir nicht sagen lassen, du kleines, ungezieferverseuchtes Mädchen." Er sticht ihr mit seinem knorrigen, dürren Zeigefinger vor die Brust.

Mit gezwungenem Lächeln, das eher an ein Zähnefletschen erinnert, positioniert sich Anni anders, verlagert das Gewicht von ihrem linken Bein auf beide und sichert so ihren Stand. "Wenn ich sie höflichst daraufhin weisen dürfte, Sir, sie sind der Obdachlose, nicht ich."

Unser kleines, feines LochDove le storie prendono vita. Scoprilo ora