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Ann führte ein Tagebuch.
Jaja, Ann mochte das sehr.
Ich durfte es nie lesen.
Das war fies.

Sie sagte immer, da würden Dinge stehen, die kein Junge, besonders ich nicht lesen dürfte.

Wieso wusste keiner.

Ann schrieb regelmäßig rein.
Manchmal öffnete sie die Notizen auf ihrem Handy und fing an dort was reinzuschreiben, was sie später wieder in ihr kleines Tagebuch übernahm.

Es war rosa.
Und blau.
Aber hell.
Sehr hell.
Baby-rosa,
Baby blau.

Es war sehr schlicht gehalten und von außen kaum geschmückt, dafür wurden die langweiligen hellen Seiten von innen mit ihrer wundervollen Schrift verziert.

Du bist kein Künstler, wenn du gut zeichnen kannst. Du bist ein Künstler, wenn du dich und andere begeistern kannst, wenn du kreativ und auf deine eigene Art und Weise arbeitest.

Die Lehrerin antwortete auf die Aussage Anns nur sehr skeptisch.

>>Das tun Maler doch.<<

Ja. Jeder Maler ist ein Künstler, aber nicht jeder Künstler ein Maler.

Wir alle sehen, hören, machen und lassen. Wir alle schreiben und lesen und beschriften und setzen.

>>setzen? <<

Wir setzen Zeichen.

Ein Autor ist ein Künstler.
Ein Zeichner ist ein Künstler.
Ein Sprecher ist ein Künstler.
Im Prinzip kann jeder ein Künstler sein.

Ann war eine Künstlerin.
Sie wollte gut aufwachsen und später studieren.
Sie wechselte ihre Traumberufe immer.
Mal Ärztin.
Mal Krankenschwester.
Mal Lehrerin.
Mal Erzieherin.

Sie wollte was festes, so fest wie es nur ging, damit ihre späteren Kinder niemals an Hunger leiden würden, niemals zu wenig hatten, immer glücklich waren.

Sie wollte genug Geld für sie haben.
Geld.
Und Zeit.

Zeit ist wichtig, manchmal sind es milisekunden die alles entscheiden. Bruchteile von Sekunden die dein gesamtes Leben verändern.

Es gab eine Zeit, in der Ann zu sagen pflegte : Nimm' dir eine Sekunde.

Sie sagte das so oft.
Ich fragte dann irgendwann, wieso sie das tat.

Alles was du tust hat Einfluss auf dich, Einfluss auf andere. Vielleicht, ja vielleicht, wenn du mal bereust, sagst du dir selber >>hätte ich nur eine Sekunde länger nachgedacht<<. Es scheint jetzt vielleicht sehr unbedeutend, aber was deine Taten für Ausmaßen haben, weiß nur die Zukunft.
Die Zukunft und Gott.

Ann war gläubig.
Ann führte ein Tagebuch.
Ann war gut im Schreiben.
Ann war schlau.
Und Gott - sie war so wunderschön.

Ihr Name war Ann.On viuen les histories. Descobreix ara