Lina steigt ab und greift in die Hecke hinein. Einige Momente ist es still, weil sie alles abtastet, doch dann erklingt ein lautes "Klick" und die Hecke schiebt sich beiseite. Ich schaue meine beste Freundin erstaunt an, die jedoch nur mit den Schultern zuckt und Calimero durch das erschienene Tor führt. Ich folge ihr auf Tracy und bemühe mich leise zu sein. Zum Glück haben Calimero und Tracy keine Hufeisen, sonst hätte man uns schon bemerkt.

Wir lugen um die Ecke und ich entdecke ein großes, heruntergekommenes Gebäude, in dem man sich lieber nicht mehr aufhalten sollte, da sicher Einsturzgefahr herrscht. Jedoch bin ich mir fast sicher, dass es sich hierum um den Stall handelt, was mich kein Stück beruhigt.

"Ich finde, du solltest hier mit den Pferden warten und ich gehe alleine rein. Es kann nämlich sein, dass der Pferdehändler dich kennt oder zumindest ein Bid von dir hat. Mich kennt er sicher nicht. Ich gebe mich als Interessentin für Black Champion aus und schaue, dass er ihn nicht verkauft, bis die Polizei hier ist, die wir rufen werden, wenn wir zurück am Hof sind. Verstanden? Bleib hier und WARTE auf mich, Emma." erklärt mir Lina und schaut mich eindringlich an. Ich lächle kurz, da es mich einfach freut, dass sie immer für mich da ist und die Einzige ist, die mich wirklich kennt.



LINAs POV

Ich deute Emmas Lächeln einfach mal als Ja. Kurz nehme ich noch ihre Hand, die ich aufmunternd drücke, bevor ich mich mit aufrechter Haltung und gespielt interessierten Blick in Richtung des Stalles begebe. Wie erwartet hält mich kurz bevor ich das Gebäude erreiche, jemand auf.

"Kann ich Ihnen helfen?" fragt mich ein ziemlich schmierig aussehender Typ mit einem perversen Blick.

"Ich würde gerne ein Pferd kaufen und eine Freundin von mir hat Sie mir empfohlen. Könnte ich mit Hans von Blumenstrauch sprechen?"

"Ich bin sein Sohn, Robert von Blumenstrauch. Er ist unterwegs. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, könnte ich Sie in den Stall begleiten und Ihnen unsere besten Pferde zeigen. Haben Sie besondere Wünsche?"

"Oh ja, das ist auch in Ordnung. Ich würde gerne einen Rappen kaufen. Die Rasse des Tieres ist mir egal, jedoch sollte es ein Hengst oder Wallach sein." antworte ich gekünstelt, was dem schmierigen Mann jedoch nicht aufzufallen scheint.

"Natürlich, folge mir." grinst er und schiebt mich vor sich her in das Gebäude. Mir entgeht nicht, dass seine Hand etwas tiefer liegt, als sie sollte, weshalb ich schneller gehe und seine Hand sich von meinem Körper entfernt. Ich muss später gleich duschen gehen, damit ich dieses Erlebnis vergessen kann.

Er bleibt vor einer Box stehen, in der sich ein bildschöner Araber aufhält. Jedoch ist er verdreckt und hat seine Augen ängstlich aufgerissen.

"Obwohl ich gesagt habe, dass mir die Rasse egal ist, möchte ich keinen Araber. Die Kopfform gefällt mir nicht." antworte ich und gehe die Boxen weiter ab. Hinter mir höre ich die Schritte des Mannes.

"Okay, dann schau dich  alleine um und ruf mich, falls dir ein Pferd gefällt."

Ich gehe einfach weiter ohne zu antworten und schaue mich nach einem schwarzen Pferdekopf mit weißer Blesse um. Leider werde ich hier nicht fündig.

"Entschuldigung?" rufe ich laut.

Sofort kommt der schmierige Typ von vorhin angerannt. Warscheinlich hat er mich sowieso die ganze Zeit beobachtet.

"Ja?"

"Haben Sie noch andere Pferde? Ich habe hier nichts gefunden, was mir gefällt, aber ich möchte heute unbedingt hier ein Pferd für mich finden." frage ich ihm zuckersüß und klimpere noch dazu verführerisch mit den Wimpern.

"In dem anderen Abteil des Stalles befinden sich nurnoch die Pferde, die demnächst abgeholt werden. Tut mir leid, aber wir zwei könnten ja..."

"Wohin abgeholt?"

"Naja, entweder die Pferde wurden schon gekauft und die zukünftigen Besitzer holen sie bald ab oder sie werden gesch...auf den Gnadenhof gebracht."

"Könnte ich diese Pferde trotzdem einmal sehen?" sage ich wieder wimpernklimpernd.

"Äh klar."

Er zeigt mir einen kleinen Abschnitt des Stalls, in dem sich fünf Pferde befinden. Unter ihnen, ein Rappe mit weißer Blesse.

Ich gehe schnellen Schrittes auf die Box des Rappen zu. Und tasächlich. Unter dem Haufen von Schlamm und vertrocknetem Blut kann man die weißen Abzeichen von Black Champion erkennen. Es ist gut, dass Emma nicht dabei ist und ihn so sehen kann, denn er sieht wirklich schrecklich aus. Die kurze Zeit, die er schon hier ist, hat er ziemlich abgenommen und sein Fell ist glanzlos und struppig. Anscheinend wurde er auch misshandelt und geschlagen, denn vereinzelt kann man auch größere Wunden, warscheinlich von Peitschen und scharfen Stöcken, an seinem Körper entdecken. Außerdem ist der Glanz aus seinen Augen verschwunden und er sieht gebrochen aus. Es ist ein wahnsinnig schlimmes Bild. Wenn es mich jetzt schon so trifft, will ich mir garnicht vorstellen, wie es Emma gehen würde.

"Was ist mit diesem Pferd?" frage ich den Mann und hoffe, dass meine Stimme dabei nicht zittert.

"Bisher wollte ihn keiner haben, aber gestern ist eine Frau gekommen, die ihn nur einmal kurz angesehen und meinem Vater dann das Geld in die Hand gedrückt hat. Ich finde, dass der Gaul hier einfach nur hässlich ist."

"Wieviel hat sie für ihn bezahlt?"

"20 000 Euro."

"Wie bitte?"

"Ja, das war der Wahnsinn. Sie meinte, dass er ihr bekannt vorkommen würde und er großes Potenzial hätte. 20 000 Euro hat hier noch niemand für ein Pferd bezahlt. Unsere Tiere sind gut, keine Frage, aber ich wusste nicht, dass manche so viel wert sind."

"Bitte lass ihn mich kaufen. Ich kann nicht ganz so viel bezahlen, aber um die 15 000 hätte ich auch. Er ist mein Traumpferd und ich wäre wahnsinnig unglücklich wenn ich ihn nicht bekommen würde. Bitte."

"Ähm, ich würde ja gerne, aber..."

"Aber er ist nicht dafür zuständig zu entscheiden, wer den Gaul kauft. Der jenige, der am Meisten bietet, bekommt ihn auch. Und du kannst uns wohl nicht soviel geben, wie die erste Käuferin." ertönt plötzlich eine andere Stimme hinter uns. Ich drehe mich um und entdecke ein kleinen, stärkeren Mann mit schwarzen Haaren und Bart. In der Hand hält er Peitsche und ein weißes Handtuch, mit dem er die Peitsche abwischt.

Das Handtuch färbt sich blutrot.

Reitinternat Sunshine 2-Pferde fliegen ohne FlügelWhere stories live. Discover now