A lot of shrugging and Fish'n'Chips ~5

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Ich sah vom Boden hoch, direkt in wie wunderschöne grüne Augen. Aber eigentlich wollte ich sie gar nicht wunderschön finden. Harry war ein Arschloch und ich wollte, dass er mich endlich in Ruhe ließ. "Was willst du?" fragte ich ihn barsch. Er zuckte nur mit den Schultern und sah mich an "Hast du geweint?" Schnell schüttelte ich den Kopf "Nein, wieso sollte ich?" Wieder zuckte er mit den Schultern "Wo willst du jetzt hin?" "Was geht dich das an?" entgegnete ich genervt und wollte an ihm vorbei, aber er machte nur einen Schritt zur Seite und stand mir wieder im Weg.

"Ich will dir doch nur helfen" meinte Harry jetzt. "Vielleicht will ich deine Hilfe aber nicht? Vielleicht will ich ja einfach nur in Ruhe gelassen werden" antwortete ich und versuchte es nochmal, aber er stellte sich mir wieder in den Weg. "Wenn ich dich in Ruhe lasse, bringst du dich um" sagte er ruhig und mit starrem Blick. "Ja und? Kann dir doch egal sein. Das war es bis jetzt doch auch immer" meinte ich bloß. "Es ist mir eben nicht egal. Also bitte, lass mich dir helfen" sagte Harry und sah mir direkt in die Augen. In dem Moment sah er wirklich so aus, als ob er es ernst meinte. Ich presste meine Lippen zusammen, sah wieder auf den Boden, so wie ich es immer machte, wenn ich nicht weiter wusste und zuckte mit den Schultern.

"Komm, ich bring dich zur Krankenschwester, damit sie dir eine Krankmeldung schreibt und dann bring ich dich nach Hause" sagte Harry und legte eine Hand auf seine Schulter. Ein Kribbeln breitete sich an der Stelle, an der er mich berührte aus und es erstaunte mich mal wieder, was für große Hände er hatte. Aber ich sagte nichts, sondern ging ihm einfach hinter her in das Büro der Krankenschwester.

Als die alte Dame uns bemerkte, sah sie mich sofort besorgt an "Du siehst aber gar nicht gut aus und blass bist du auch total." "Ihr geht es wirklich nicht gut und sie möchte nach Hause" sagte Harry für mich, obwohl er ja nicht mal wusste, ob ich wirklich nach Hause wollte. Die Frau nickte "Setz dich erst mal" und deutete auf einen Stuhl. Wie befohlen, setzte ich mich also und ließ eine Menge Fragen über mich ergehen, die ich entweder mit einem Kopfschütteln verneinte, oder mit einem Nicken bejahte. Irgendwann seufzte die Frau "Es wäre wohl wirklich besser, wenn du nach Hause gehst und dich hinlegst. Soll ich deine Mutter anrufen, dass sie dich holt?" Ich wollte gerade sagen, dass meine Mum auf der Arbeit war, da mischte Harry sich schon wieder ein "Ich könnte sie auch nach Hause bringen. Ich habe jetzt eh eine Freistunde."

Und schon wieder log er. Er hätte jetzt eigentlich genau so, wie ich, Englisch. Aber die Krankenschwester konnte das ja nicht wissen, glaubte es ihm und stimmte zu. Dann gab sie mir noch ein paar Tipps, wie zum Beispiel einen Tee trinken, eine Suppe essen, eine Wärmflasche und so etwas halt. Ich nickte und bedankte mich bei ihr. Sie füllte noch die Krankmeldung aus und schickte uns schließlich los.

Wir verließen also gemeinsam das Schulgebäude und anschließend den Schulhof. Es war ein seltsames Gefühl, diesen Weg zu zweit mit Harry und nicht, wie gewohnt, alleine zu gehen. Irgendwann nahm Harry plötzlich meine Hand und zog mich in eine Richtung. Ich war so überrascht, dass ich mich einfach hinter ihm herziehen ließ. Irgendwann blieb er stehen und ich erkannte, dass wir bei einer U-Bahn Station waren. "Wo willst du jetzt hin?" fragte er mich. Verwirrt sah ich ihn an "Warst du nicht derjenige, der gerade gemeint hat, dass er mich nach Hause bringt?" Harry zuckte mit der Schulter "Du willst jetzt doch eigentlich gar nicht nach Hause, oder?" Wieder presste ich meine Lippen zusammen und schüttelte mit dem Kopf.

Jetzt lächelte Harry mich plötzlich an und seine Grübchen kamen zum Vorschein "Dachte ich mir. Also, wo willst du hin?" Ich wusste es wirklich nicht, ich wollte eigentlich nur raus aus der Schule, also zuckte ich wieder mit den Schultern. Harry seufzte und zuckte ebenfalls mit den Schultern. Eine Weile lang standen wir einfach so da und sahen uns an. Bis es mir zu unangenehm wurde und ich auf den Boden starrte.

Harry nahm wieder meine Hand und ging los. Dieses Mal ging er langsamer, sodass ich neben ihm herlaufen konnte. Obwohl ich mir nicht ganz sicher war, ob ich das überhaupt wollte.

Wir liefen einfach so durch London und wir liefen durch Straßen, bei denen ich mir sicher war, dass ich sie zuvor noch nie gesehen hatte. Plötzlich verschwand das unwohle Gefühl in meinem Magen. Und auch wenn ich es mir erst nicht eingestehen wollte, so genoss ich es. Es gefiel mir, einfach neben Harry her zu laufen, durch Straßen, die ich nie zuvor gesehen hatte. Ich sah mir die vielen Häuser und Gebäude, teilweise auch Statuen an, während er meine Hand hielt und mir so ein Gefühl von Sicherheit verlieh.

Ich hatte mir nie erträumt, dass das einmal passieren würde. Vor allem nicht mit Harry. Er war ein Herzensbrecher. Alle Mädchen verliebten sich in seine braunen Locken, grünen Augen und in seine Grübchen und in seinen Charme. Aber jedes Mädchen, dass er nach einem Date fragte, ließ er nach ein paar Tagen einfach wieder fallen, wie eine heiße Kartoffel.

Er hatte das schon so oft gemacht, dass ich irgendwann das Zählen aufgehört hatte. Seine Kumpel bewunderten ihn deswegen, weil er es schaffte, jede, die er wollte abzuschleppen und forderten ihn auch oft heraus. War es das, was er hier machte? Hatten sie ihn herausgefordert, das hässliche Mädchen abzuschleppen und ihr dann das Herz zu brechen? Machte er das alles hier, nur wegen einer dummen Wette? Ich sollte mir nichts vormachen, wahrscheinlich war genau das der Grund.

Wahrscheinlich sollte ich jetzt einfach weggehen, die nächste U-Bahn Station oder den nächsten Bus suchen und nach Hause fahren. Verhindern, dass er mich so verletzen konnte. Aber ich tat es nicht. Ganz im Gegenteil. Ich hielt weiterhin seine Hand und ging weiter neben ihn her.

Irgendwann verstärkte er seinen Griff um meiner Hand und lächelte mich an "Das ist schön." Seine Grübchen verzauberten mich, aber auch sie brachten mich nicht zu einem Lächeln, also nickte ich einfach nur. Harry sah enttäuscht aus, aber er tat so, als wäre es ihm egal. Vor einem kleinen Imbiss blieb er stehen "Hast du Hunger? Ich gehe hier öfter her. Die haben hier das beste Fish'n'Chips in ganz London." Ich sah durch die Fenster. Es war nur ein kleiner Raum mit wenigen Tischen und Stühlen und einer Theke, bei der man bestellen konnte. Dahinter war noch eine Tür, die wohl zur Küche führte. Ich zuckte einfach mit den Schultern.

Harry schüttelte grinsend den Kopf "Ist das alles, was du drauf hast?" Verwirrt sah ich ihn an. "Na, du zuckst immer wieder mit den Schultern, anstatt eine richtige Antwort zu geben" sagte er lachend. Demonstrativ zuckte ich wieder mit den Schultern, was ihn wirklich zum lachen brachte. Seine Augen strahlten und er sah glücklicher aus, als ich ihn je zuvor gesehen hatte. Aber es fühlte sich nicht so an, als würde er mich auslachen, sondern ich weiß auch nicht, wie ich es erklären sollte. Irgendwie machte es mich glücklich, ihn so zu sehen und ich musste lächeln.

Plötzlich stockte Harry und sah mich einfach nur an. "Was?" fragte ich und sah mich erschrocken um. Harry lächelte "Du hast gerade gelächelt. Das solltest du öfter machen." Ich sah ihn fragend an. Das war wirklich alles? "Komm ich lad dich ein" sagte Harry und zog mich schließlich in den Imbiss.

Er bestellte zweimal Fish'n'Chips und wir setzten uns an einen kleinen Tisch neben dem Fenster. Man konnte gut das Geschehen draußen beobachten und es war gemütlich in dem Imbiss. Irgendwie fühlte ich mich wohl.

Als unser Essen kam sah ich auf den panierten Fisch und die Pommes. Eigentlich hatte ich überhaupt keinen Hunger. Aber Harry sah mich erwartungsvoll an. Ich wusste nicht, ob er einfach nur wollte, dass ich etwas aß, oder ob er wissen wollte, ob es mir auch so gut schmeckte, wie ihm. Aber egal, was es war, sein Blick brachte mich schließlich dazu, den Fisch zu probieren.

Und tatsächlich schmeckte es wirklich gut. Ich aß noch mehr und Harry grinste "Schmeckt gut, oder?" Ich nickte "Ja." Wir unterhielten uns ein bisschen, während wir aßen. Aber es waren riesige Portionen und ich aß nicht viel. Trotzdem schien Harry schon mit dem bisschen was, das ich gegessen hatte zufrieden zu sein.

Als er auch fertig war, bezahlte er und wir verließen den Imbiss wieder. Harry nahm wieder meine Hand, als wäre es selbstverständlich und wir gingen einfach weiter die Straßen entlang.

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