7 - etwas Schweres

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Isa hatte mich sofort alarmiert angesehen und dieser Blick hatte gereicht um mich aus meiner Starre zu lösen. Sofort waren wir aus dem Pool geklettert. Isa war eine gute Sportlerin, das wusste ich und sie rannte. Ich rannte, rannte so schnell ich konnte. Trotzdem schnappten sie mich, noch auf dem Gelände. Isa war verschwunden gewesen. Einfach weg, wie in Luft aufgelöst.
Einerseits war ich erleichtert gewesen, andererseits auch wütend. Sie war zwar in Sicherheit, aber sie hatte mich auch im Stich gelassen.
„Deine Eltern kommen gleich, Junge." wies mich die Polizistin die mich festgenommen hatte an. Die Uhr zeigte halb sechs. Um diese Uhrzeit würden meine Eltern nicht mal für gratis Essen aufstehen. „Verhören Sie mich nicht?" fragte ich die Polizistin auf deren Namensschild Shirley Spence stand. „Du bist minderjährig. Ich würde mich ohne die Anwesenheit deiner Eltern strafbar machen."
„Das geht natürlich nicht," murmelte ich sarkastisch und vorlaut wie Isa es getan hätte, „ein Gesetzeshüter der das Gesetz missachtet."
„Junge, du steckst ziemlich tief im Schlamassel, ich an deiner Stelle würde aufpassen, dass nicht noch Beamtenbeleidigung in deiner Kartei steht." wies mich Shirley Spence zurecht und erinnerte mich somit wieder daran wo ich stand, nämlich ganz unten, schließlich war ich der Täter. Nach dieser Aussage blieb ich still und wartete. Das Ticken der Uhr machte mich noch nervöser als die Tatsache, dass ich mich in ernsthaften Schwierigkeiten befand. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es mir trotzdem gut ging. Ich saß zwar in der Tinte, aber trotzdem war ich glücklich. Vielleicht weil ich abermals über meinen eigenen Schatten gesprungen war.
Natürlich war die Situation nicht gerade die Beste, aber trotzdem wusste ich dass Isa stolz auf mich war. Ehrlich gesagt war ich selbst verdammt stolz auf mich, obwohl ich erwischt wurde.
Fünfzehn Minuten später hörte ich meine aufgebrachten Eltern. Ein weiterer Polizist, Hagen Dempsie, geleitete die Beiden in das Verhörzimmer. Meine Mutter stürmte auf mich zu: „Wir waren ganz krank vor Sorge!" Ihr hättet doch nicht einmal bemerkt, dass ich weg war, dachte ich, behielt diesen Gedanken aber für mich und entschied mich dazu so schuldbewusst wie nur irgend möglich auszuschauen. „Wie kommst du auf solche Ideen?" fragte meine Mutter wieder während sie mich an sich drückte. Mein Vater legte ihr eine Hand auf die Schulter und sie atmete zur Beruhigung tief aus. Gemeinsam, händchenhaltend, nahmen sie neben mir Platz.
Jetzt folgt doch sicher wie in den Filmen die Miranda-Warnung, dachte ich und musste mich anstrengen ein Grinsen nicht zu unterdrücken. Tatsächlich begann der Hagen Dempsie mir meine Rechte zu verlesen: „Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht, zu jeder Vernehmung einen Verteidiger hinzuzuziehen. Wenn Sie sich keinen Verteidiger leisten können, wird Ihnen einer gestellt. Haben Sie das verstanden?"
Meine Eltern und ich nickten gleichzeitig.
„Brauchen wir denn einen Anwalt?" fragte mein Vater besorgt. „Ihrem Sohn wird nach §123 Hausfriedensbruch vorgeworfen. Dieser wird nur dann strafrechtlich verfolgt, wenn es einen Antragsteller gibt."
„Mit anderen Worten, wenn der Schwimmbadbesitzer, in welches Ihr Sohn eingebrochen ist, keine Anzeige erstattet, braucht er keinen Anwalt." schaltete sich die überaus freundliche Polizistin wieder ein. „Und wird eine Anzeige erstattet?" wollte mein Vater weiterhin wissen. Wer wird jetzt hier verhört, dachte ich belustigt, die Polizei oder ich?
„Der Schwimmbadbesitzer ist gerade informiert worden. Nachbarn haben uns alarmiert." gab Shirley Spence zurecht. Diese Information nahm meine Mutter mit einem Nicken hin.
Ein weiterer Kollege öffnete die Türe: „Der Besitzer ist da, er möchte erst hören was der Junge zu sagen hat und dann überlegt er sich ob er die Anzeige zurückzieht."
Anscheinend stand jetzt plötzlich doch eine Anzeige gegen mich aus. Konnte auch nicht jeder von sich behaupten.
Also klingelte mein Vater meinen Großonkel wach, der ein guter Anwalt war, zumindest seinem Kontostand zu urteilen nach.
Wenig später saß also auch mein Großonkel mit verschlafenen Augen neben mir und ich konnte endlich allen erzählen was passiert war und nicht nur meinem Verteidiger. Irgendwie klingt es cool 'mein Anwalt' zu sagen, dachte ich grinsend.
Ich begann die Geschichte damit, dass ich nicht hatte einschlafen können und erzählte von Isa. Ich hatte überlegt Isa nicht zu erwähnen, aber schließlich kam die Wahrheit immer ans Licht.
Meine Mutter schüttelte sofort verzweifelt mit dem Kopf. Nach heute hasste sie Isa sicherlich noch mehr.
„Es war so unglaublich heiß heute und wir konnten nicht schlafen. Wir haben auch nichts kaputt gemacht.", erzählte ich, „Wir wollten nur ein bisschen schwimmen."
Dass wir fast nackt gebadet hätten verschwieg ich ebenso wie die Tatsache, dass das ganze Isas Idee gewesen war.
„Und wo ist diese Isa jetzt?" fragte der Polizist mich als ich geendet hatte. Unwissend zuckte ich mit den Schultern: „Wir sind los gerannt, ich muss sie offensichtlich verloren haben."
„Gut, danke. Das wäre es dann fürs Erste." verkündete Hagen Dempsie ruhig. Meine Eltern wiesen mich dennoch an noch einen Moment sitzen zu bleiben während sie bereits hinausgingen. Ich hörte nur leise ihre Stimmen und wie meine Mutter die Worte Depressionen und Krankenakte verwendete. Wahrscheinlich berief sie sich darauf dass ich irre sei. Wenigstens würde ich so ohne Probleme frei kommen.
Tatsächlich öffnete sich nur wenige Minuten später die Türe und ich folgte meinen Eltern wortlos. Obwohl ich keine Anzeige bekommen würde, stand mir sicher noch eine Standpauke bevor, sobald wir Zuhause wären.
Isa hatte Recht, es war nicht immer einfach.

Wofür es sich zu leben lohntWhere stories live. Discover now