3 - etwas Glückliches

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Meine Mutter hatte gesagt, ich sollte bei dem schönen Wetter an die Luft. Vitamin D tanken, genauso wie es empfohlen wird. Denn Sonne macht glücklich und da ich das offensichtlich nicht war, war es wichtig dass meine Glückshormone angeregt würden.
Jetzt saß ich hier schon eine viertel Stunde im Gras und war nicht ein kleines bisschen glücklicher als vorher. Außerdem war der Park voller Menschen, die zusammen hier waren und ich war allein.
Ich hätte natürlich jemanden fragen können, aber seit ich von der Schule beurlaubt war, hatte ich kaum, nein, gar keinen Kontakt mehr zu meinen früheren Freunden.
Zumal mich von ihnen sowieso keiner verstehen würde, das hatten sie noch nie. Dass ich keine Freundin gehabt hatte, als sie bereits hunderten von Mädchen die Herzen gebrochen hatten, war ihnen immer ein Rätsel gewesen. Genauso wie die Tatsache, dass ich lieber in meinem Zimmer saß, als auf Partys zu gehen. Sie hatten gesagt, ich hätte mich immer selbst ins Aus geschossen, aber das stimmte nicht. Ich war nicht schuld daran wie es mir ging, auch wenn mir das jeder einreden wollte.
Die Narben die ich trug, innerlich wie äußerlich waren nicht meine Schuld. Es hatte geschehen müsse, damit ich überhaupt noch gespürt hatte, dass ich am Leben war. Auch wenn mein behandelnder Arzt, meine Eltern und Isa alle samt anderer Meinung waren. Nur war Isa die einzige die mir das regelmäßig auf die Nase band und dann noch über meine Narben strich. Dabei und bei jedem anderen mal, wenn sie mich berührte, lief mir jedes mal ein kalter Schauer über den Rücken. Oft lachte sie mich auch einfach so aus, mitten in der Bewegung, wenn ihre Finger über die einst blutroten Linien wanderten, begann sie zu lachen. Ich konnte es ihr noch nicht einmal krumm nehmen, zu groß war die Angst, dass sie verschwinden würde. Vielleicht bot ich Isa deshalb auch nie die Stirn, vielleicht aber auch weil ich es tatsächlich nicht konnte.
„Hey, was machst du denn hier?" plötzlich stand Isa vor mir, sie erschien wie immer ohne dass ich sie bemerkt hatte. „Vitamin D tanken." antwortete ich genervt. Sie ließ sich zu mir ins Gras fallen, nur bei Isa sah so eine einfache Bewegung so grazil aus. „Ich wollte eigentlich Nachhause, mein Date hat mich versetzt." murrte sie. „Du hattest ein Date?" fragte ich überrascht. Normalerweise erzählten wir einander alles. Auch wenn es nicht so wirkte hatte Isa viel zu erzählen und besonders Nachts, wenn sie eigentlich gar nicht mehr bei mir sein sollte, aber es dennoch war, redete sie viel über ihre eigenen Gefühle. Allerdings hatte ich nicht gewusst, dass es noch andere Jungs, außer mir, gab die sich für Isa interessierten. Bisher hatte ich Isa auch nie in unsere sozial vielschichtige Gesellschaft ordnen können. Sie war einfach das hübsche Mädchen gewesen, deren bester Freund ein depressiver Schulschwänzer war, der mittlerweile wenigstens krankgeschrieben worden war. 
„Ich hätte ein Date haben sollen, aber der Kerl hat mich versetzt." erklärte sie und selbstbewusst fügte sie hinzu, dass sie diesen Kerl jetzt sowieso nicht mehr sehen wollte. Isa hatte keine Angst, alleine zu sein.  Es schmerzte mich, dass sie ein Date mit einem anderen Jungen gehabt hätte und es wahrscheinlich auch noch genossen hätte, ohne einen Gedanken an mich zu verschwenden.
Deshalb trug sie heute wohl auch ein besonders hübsches Kleid. Ich mochte es, wenn Isa Kleider trug, dass ließ sie weicher wirken und nicht so hart. Ihr Charakter war meiner Meinung nach schon hart genug, das musste sie nicht noch durch ihre Kleidung unterstreichen. Aber nach meiner Meinung fragte mich ja doch keiner, am aller wenigsten Isa. Sie hatte mich noch nie gefragt ob ihr etwas stand oder welche Schuhe sie anziehen sollte. Also keine dieser Fragen die für die anderen Mädchen die ich kannte wirklich von größter Wichtigkeit waren und sogar noch über der Frage, ob ihr Freund sie zum Abschlussball begleiten würde, standen. Isa war wirklich anders. Aber gut anders, nicht so anders wie ich. Denn sie passte ohne Probleme überall hinein, obwohl sie nicht mal überall hinein passen wollte.
Meine innere Stimme schalt mich dafür, dass ich Isa noch nie von meinen Gefühlen erzählt hatte, aber wie konnte ich das auch? Nie würde Isa einen Jungen wie ich es war lieben, labil und langweilig. „Gut, dass du hier bist, Ian." dankbar lächelte sie mich an und gab mir einen Kuss auf die Wange. Sofort wurde ich rot und drehte mich zur Seite, dabei nuschelte ich: „Kein Ding."
„Weißt du, die meisten Typen wollen doch eh nur alle das eine und verpissen sich dann." erklärte sie mir, als ob ich das nicht selber wüsste. „Ich bin auch ein Kerl." stellte ich fest und versuchte dabei besonders männlich zu klingen. Allerdings hatte Isa für mich nur ein Lachen übrig: „Natürlich!" Ein bisschen ernster fügte sie dann hinzu: „Aber du eben nicht so ein Typ, mit dir würde ich Pferde stehlen." Liebevoll lächelte sie mich an und meine innere Stimme lachte mich aus. Ich musste nicht sonderlich glücklich ausgesehen haben, denn sie belehrte mich: „Ian, mach dich nicht runter. Du bist der Junge den sich jeder Vater für seine Tochter wünscht." „Na klar." antwortete ich ungläubig. Vielleicht störte es mich auch, dass sie ausgerechnet diesen Vergleich machen musste, schließlich hatte sie keinen Vater mehr, der mich für gut befinden könnte.
Vielleicht würde sie eines Tages einfach mit einem Schlägertypen zusammen kommen, bloß weil er ihr die Welt versprach, aber noch nicht mal einen Ring an ihren Finger stecken könnte. „Warst du eigentlich schon mal in einer Beziehung?" fragend drehte ich meinen Kopf in Isas Richtung, die mich erstaunt ansah und nachdachte. Die Art und Weise wie sie ihren Kopf beim Denken schief legte, ließ mich lächeln. Sie sah dabei so unschuldig aus und man vermutete nicht, was für ein loses Mundwerk sich hinter diesen Gesichtszügen verstecken konnte. „Irgendwie schon." antwortete sie schließlich. „Irgendwie schon?" hinterfragte ich ihre Antwort. Wie konnte man irgendwie schon eine Beziehung gehabt haben? „Er hat mich geliebt und ich schätze, ich ihn auch, aber hat nicht wirklich funktioniert. Wir waren zu verschieden." sie sprach von diesem Jungen mit solch einer Gleichgültigkeit, als sei ihre erste Liebe nichts besonderes gewesen. „Oh", machte ich ein wenig enttäuscht, „Ich dachte immer, dass die erste Liebe, so richtig, ich weiß auch nicht." Sie grinste: „So richtig kitschig ist und dich in die Sphären auf Wolke sieben katapultiert?" Ich nickte ein wenig peinlich berührt, sicher dachten nicht viele Jungs so über die Liebe. „Ich sehe das realistisch.", mit diesen Worten warf sie ihr Haar zurück, „Die erste Liebe muss dich nicht so richtig erwischen, aber deine Letzte sollte es." Wesentlich mädchenhafter fügte sie hinzu: „Liebe ist einfach ein Gefühl, dass dich nicht mehr loslässt, etwas das dich glücklich macht." Irgendwo tief drin war doch noch eine Romantikerin versteckt, ich hatte es gewusst.„Du findest schon irgendwann die Richtige.", ermutigte sie mich, „Auch wenn du vorher vielleicht erst mal ein paar Fehler machen musst." Es wäre perfekt gewesen, ich hätte einfach sagen müssen, dass ich dieses Mädchen schon gefunden hatte. Daraufhin würde sie wissen wollen wer es ist und ich würde auf sie zeigen und ihr meine Gefühle gestehen.
Zweifelslos wäre dies die perfekte Gelegenheit gewesen und zweifellos ließ ich diese perfekte Gelegenheit verstreichen.
Isa hatte Recht, Liebe war etwas fesselndes, glücklich machendes.

Wofür es sich zu leben lohntDonde viven las historias. Descúbrelo ahora