Kapitel 40

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Vielleicht hatte Alison Recht, vielleicht hatte sie aber wirklich nachgeholfen, als sie zu Jack in den Traum ging. Auf jeden Fall beeilten meine beiden Brüder sich heute nicht so sehr wie die vergangenen Tage. Ben sah mich sogar einmal kurz an und vielleicht irrte ich mich, aber ich glaube, Ben hatte mir ganz leicht zugelächelt.

Jack hatte erst zur zweiten Stunde, ich aber zur ersten und so lief ich wieder alleine zur Schule. Bis zum Klingeln versteckte ich mich in der Bibliothek und setzte mich im Klassenzimmer auf meinen Stammplatz, hinten rechts. Meine Tasche stellte ich auf den Stuhl neben mir, damit sich niemand dahinsetzen konnte. Würde eh niemand wollen, aber sicher war sicher.

Den Schultag überstand ich irgendwie und mir gelang es sogar, Michael und Calum aus dem Weg zu gehen. Wenn ich etwas gut konnte, dann war es mich quasi unsichtbar zu machen. Oder wenigstens so unscheinbar zu sein, dass mich niemand wahrnahm.

Aber vielleicht wollte ich das auch gar nicht. Vielleicht wollte ich lieber reden, schreien, lachen, singen. Ja, ich möchte jetzt gerade mit jemanden reden.

Zuhause war es still. Erst dachte ich, dass ich alleine wäre, doch als ich nach oben lief, hörte ich, wie etwas zerbrach. Das Klirren kam aus Ben's Zimmer und ich lief los, wollte lieber schnell nachgucken, schließlich könnte es sein, dass er schlief und schlecht träumte. Dylan traute ich alles zu.

Doch Ben saß nur auf seinem Boden, wischte das Wasser auf, was aus der zerbrochenen Flasche kam und das fast die ganzen Zettel auf dem Boden vernichtet hätte.

>>Oh... Luke..<< murmelte er nur, sah mich an.

>>'Tschuldigung.<< nuschelte ich und sah auf die weißen Papiere. Darauf waren manche Zeilen geschrieben, manche gedruckt. >>Gedichte?<<

Ben sah zu Boden und nickte leicht. Natürlich wusste ich, dass er eine ganze Sammlung an Gedichten hatte und ich war mir sicher, dass er sie auch schon alle mehr als nur einmal analysiert hatte, aber es überraschte mich immer wieder, wie sehr er sich dafür schämte. Mit 19 sollte man doch ein gewisses Selbstbewusstsein haben.

>>Ja... ich hab mehrere mit Träumen gefunden und es ist gruselig, wie manche einfach total zu unserer Situation passten.<< Er nahm eins von den ganzen Gedichten und hielt es mir hin. Ich nahm es und las es mir durch.

Traumgewalten

Der Traum war so wild, der Traum war so schaurig
So tief erschütternd, unendlich traurig.
Ich möchte gerne mir sagen:
Dass ich ja fest geschlafen hab',
dass ich ja nicht geträumt hab',
Doch rinnen mir noch die Tränen herab,
Ich höre mein Herz noch schlagen.

Ich bin erwacht in banger Ermattung,
Ich finde mein Tuch durchnässt im Kissen,
Wie man's heimbringt von einer Bestattung;
Hab ich's im Traume hervorgerissen
Und mir getrocknet das Gesicht?
Ich weiß es nicht.

Doch waren sie da, die schlimmen Gäste,
Sie waren da zum nächtlichen Feste.
Ich schlief, mein Haus war preisgegeben,
Sie führten darin ein wüstes Leben.
Nun sind sie fort, die wilden Naturen;
In diesen Tränen find' ich die Spüren,
Wie sie mir alles zusammengerüttet,
Und über den Tisch den Wein geschüttet

>>Das 'Mein Haus war preisgegeben', damit kann man den Korridor vergleichen. Sobald du einen persönlichen Gegenstand hast und ein wenig Gehirn hast, steht dir alles offen. Uns kann jederzeit jemand sabotieren oder aus einem Traum einen Alptraum machen. Jeder kann dir alles einfach so schnell kaputt machen.<< sagte er, sah mich dabei an.

Ich nickte, setzte mich zu ihm auf den Boden und sah auf die weiteren Gedichte.

>>Manchmal finde ich es so schade, dass es den Korridor gibt. Ohne den Korridor würde es vielleicht viel weniger Alpträume geben und mehr schöne Träume, unbeschwerte.<< redete Ben weiter.

Superheroes || Cake Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt