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»Zeitlos.« Skeptisch blickte ich auf das blau karierte Hemd, welches die Verkäuferin mir empfahl und behutsam glatt strich. »Sagen Sie, wozu brauchen Sie das Hemd denn?«

Stille. Was sollte ich sagen? Dafür, glücklich zu werden? Sie würde mich als Irrer bezeichnen. Der Blick der Frau verriet mir, dass sie in etwa das Gleiche dachte wie ich mir ausgemalt hatte. Unter ihrem verständnislosen Blick spürte ich, wie mein Kopf in etwa die Farbe einer überreifen Kirsche annahm und endlos versuchte, dieser äußerst unangenehmen Situation zu entkommen.
»Nun ja«, verwirrt hing sie das Hemd zurück an dem Haken und fuhr sich durch die Haare. Offenbar wusste sie auch nicht, was sie sagen sollte.

»Brauchen Sie es für Feierlichkeiten oder für die Arbeit?«
Bei letzterem zuckte ich zusammen, als hätte eine angriffslustige Biene mich gestochen, aber glücklicherweise merkte die Frau es keineswegs. Wahrscheinlich suchte sie gerade die richtigen Worte, um mich aus diesem Laden zu verbannen.

»Für eine Reise«, platzte es plötzlich aus mir heraus und unwillkürlich musste ich lächeln.

Verwirrt und wortlos führte sie mich in einen anderen Raum des Kaufhauses, in dem sich zahlreiche Rucksäcke, Zelte, Wanderschuhe und anderer Kram befanden. Ich fürchte, sie hat den Begriff ›Reise‹ etwas anders interpretiert als ich es getan hatte. Mit einem qualvollen Stöhnen lief ich also hinter ihr her und hörte mir ihre inhaltslosen Bemerkungen an, für die sie wenigestens wieder ihre Sprache fand. Nach dem sechsten ›Was halten Sie denn von diesem hier?‹ und einer gefühlten Ewigkeit hatte ich die Nase gehörig voll und überlegte, wie ich diesem ganzen Schlamassel am Einfachsten entkommen könnte. Wieder weigerte ich mich, der Wahrheit ins Auge zu blicken, das wäre viel zu riskant.

»Ansonsten könnte ich Ihnen noch dieses schöne Hemd anbieten. Es ist extra zum Wandern gedacht und atmungsaktiv. Was halten sie davon?«Grinsend betrachtete sie das Stück, als hätte sie es am liebsten selber gekauft. Schöne Voraussetzung für eine Verkäuferin ...

»Oh, es ist aber spät geworden! Entschuldigen Sie bitte, aber ich muss dringend nach Hause. Danke für Ihre Hilfsbereitschaft und auf Wiedersehen«, stotterte ich ohne auf ihre Liebäugelei einzugehen. Kurz und ... gelogen, in diesem Fall aber das Beste, was man tun konnte.

Verblüfft blieb die Verkäuferin mit dem grauen Hemd in der Hand stehen und sah mich an. »Kein Problem. Schönen Tag noch.« Schon strich sie wieder über den Stoff.Mit einem gezwungenen Lächeln auf meinen Lippen bewegte ich mich zur Tür und versuchte sie zu öffnen. Doch es gelang mir nicht.

»Oh, verzeihung! Sie müssen den Ausgang in der Sportwarenabteilung nehmen, dieser hier ist defekt«, erklärte sie, als ich das dritte Mal orientierungslos an ihr vorbeigelaufen war.
Leicht errötend dankte ich der Dame für ihren Einsatz und wünschte ihr einen schönen Tag, innerlich kochte ich jedoch.

»Und, Miss ...?«, ertönte ihre Stimme noch, als ich mich bereits umgedreht hatte.

Genervt drehte ich mich erneut um und schaute die Frau so gleichgültig wie möglich an, doch dieses Blitzen meiner Augen war mir nicht zu nehmen.

»Wenn Ihnen etwas demnächst mal nicht passt, dann sagen Sie es offen, denn, ich möchte Ihnen ungern zu nahe treten, aber Sie sind ein eher untalentierter Lügner.« Zwinkernd drehte sie sich um und lief schnurstracks in eine andere Abteilung. Eine Weile starrte ich ihr einfach hinterher und hörte ihre schwarzen Stöckelschuhe klackern. Diese Frau konnte wirklich gefährlich werden.


»Sehr geehrte Miss Taylor ..
»Liebe Miss Taylor ...«
»Gnädigste Miss Taylor ...«

Seufzend saß ich am Küchentisch und kritzelte alle möglichen Anreden auf das Briefpapier.

»So wird das nie was!«, rief ich enttäuscht und warf den Bleistift auf den Boden. Das alles hatte sowieso keinen Sinn. Solange ich nicht einmal die Adresse von Miss Taylor hatte, war alles umsonst. Frustriert lehnte ich mich zurück und verschenkte die Arme.

»Es sei denn ...«

Sag niemals nie!

Kampfbereit.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt