Kapitel 61

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Ich hätte nicht gedacht Cass so schnell wieder zu sehen. Am übernächsten Tag kam er mir entgegen, als ich gerade aus dem Bücherladen lief. Erst wollte ich einfach weiter gehen und ihn nicht beachten, aber er fing mich sowiso ab.

"Was machst du hier?" fragte ich.
Er fuhr sich mit den Händen durch die Haare und sah mich bettelnd an.
Bei dem Blick wurde ich fast schon weich, auch ohne, dass er was sagte.
"Ich hab dich hier her gehen sehen und gewartet, bis du wieder raus kamst...
Können wir noch mal reden? Bitte? Ich habe mich scheiße verhalten."
Ich sah weg. "Allerdings."
Schuldbewusst suchte er meinen Blick und sah mir in die Augen. "Und es tut mir leid. Ich wollte dich nie verletzen."
Ich verschränkte meine Arme um es ihm nicht ganz so einfach zu machen.
"Ich wollte schon vorgestern mit dir reden..."
Er ließ die Schultern hängen. "Ich weiß...."

Da ich das so aber nicht zwischen uns stehen lassen wollte, willigte ich dann doch ein und wir gingen schweigend ein Stück. Erst als wir uns auf eine Bank am Waldrand setzten, bemerkte ich wie weit wir nebeneinander her gegangen waren.
Hier würde uns niemand stören. Weit und breit sah man keine Menschenseele.
"Ich habe das gestern nicht so gemeint...Ich war einfach noch verletzt, dass du mir nicht vertraust hast und mir so viel verschweigst.."
Dazu sagte ich nichts, sonder rutschte ein Stückchen von ihm weg und murmelte: "Du bist ohne mich besser dran!"

"Nein, das bin ich nicht. " sagte er fest und sah mich eindringlich an, aber ich konnte ihm nicht in die Augen schauen.
Er griff nach meiner Hand, verschränkte unsere Finger miteinander und drückte sie leicht. Ich stierte auf unsere Hände und genoss die Wärme, die mich dabei ausfüllte.
"Ich brauche dich..." sagte er leise.

Ich löste meine Hand aus seiner und versuchte das verletzte Funkeln in seinen blauen Augen zu ignorieren. "Ich bin dir nur ein Klotz am Bein.."
"Das stimmt überhaupt nicht, rede dir das nicht immer ein! Du kannst mir von deiner Vergangenheit erzählen. Ich bin ein guter Zuhörer. " versuchte er mich mit ruhiger Stimme zu ermuntern.

Ich schüttelte nur den Kopf, ein Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet.
"Es gibt immer eine Lösung." versicherte Cass mir nachdrücklich.
Ruckartig sprang ich auf und sah ihn mit wässrigen Augen an.
"Nein für mich nicht. " Ich drehte mich weg. "Lass mich einfach in Ruhe."
"Das kann ich nicht" hörte ich Cass' Stimme hinter mir, aber ich drehte mich nicht um.
" Warum stellst du mich so vor die Wahl? Entweder ich erzähle dir alles, oder du machst mit mir schluss!? " Ich schüttelte seinen Arm ab, der sich von hinten auf meine Schulter gelegt hatte.
"Warum kannst du mich nicht verstehen?"
Er drehte mich mit Gewalt zu sich um und sah mir in die Augen.
"Wie soll ich dich verstehen, wenn du mir nicht einmal ansatzweise sagst, was passiert ist?
Ich will dir helfen!"

"Das kannst du nicht!", schrie ich ihn an, da ich diesen Druck nicht mehr aushielt. Cass hätte warten müssen, bis ich bereit dazu war, ihm alles zu erzählen, auch wenn ich wusste, dass das ziemlich viel verlangt war.
"Irgendetwas kann man imm-"

"Cass, ich wurde vergewaltigt!!! schrie ich dazwischen.
Sein Mund klappte betroffen zu.
Meine Augen wurden immer feuchter und ich sah ihn nur noch verschwommen. Meine Hände zitterten. "Vergewaltigt, okey!?"
Jetzt war es raus. So wollte ich ihm das nicht rüber bringen, aber es war gerade einfach zu viel.
Ich sackte zusammen und konnte nicht einmal versuchen die Tränen zu stoppen.

Kurz darauf schlossen sich warme Arme um mich und Cass zog mich näher an sich.
Weinend vergrub ich den Kopf in seinem Shirt, während er sanft über meinen Rücken streichelte, um mich zu beruhigend.
Ich hörte nicht, was er genau sagte, aber es waren beruhigende Worte.

Als ich das Gefühl hatte einigermaßen sprechen zu können, krächzte ich: "Ich hatte Angst es dir zu sagen...Es weiß fast niemand...." 
Cass zog mich sanft an den Armen hoch und verfrachtete mich wieder auf die Bank. Erst dann wagte ich einen Blick in sein Gesicht.
Er sah bestürzt aus und so gut wie ich ihn kannte, entdeckte ich auch die Wut in seinen Augen. Dagegen war es ein krasser vergleichen, wie er mich gleichzeitig auch unglaublich mitfühlend und liebevoll an sah.
Seine Arme, sein Geruch und sein Körper, gab mir halt, als er mich wieder in den Arm nahm und mich einfach stützte.

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