Kapitel 48

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Kurz darauf ließ er mich dann auch schon tatsächlich runter. Ansonsten wäre mein Kopf von der verdrehten Position noch so rot wie eine Tomate geworden.
Cass setzte mich auf einer Bank am Waldrand ab und ich sah mich um nachdem das Blut wieder aus meinem Kopf heraus war.
Die Blätter der Bäume wiegten sich über uns im Wind hin und her und die Sonne schien einem ins Gesicht.
Wir waren von Natur umgeben und es herrschte fast komplette s
Stille.

Genießerisch schloss ich die Augen und lehnte mich an Cass.
Er schlang einen Arm um meinen Körper und ich streckte seufzend die Beine aus und rutschte hinunter. Mein Kopf lag auf seinem Schoß, während ich dem sanften Vogelgezwitscher lauschte.
Ich war gerade so überglücklich.
Plötzlich, woher auch immer, schoss mir der Gedanke in den Kopf, dass hier ein schöner Ort zum sterben wäre.
Ruhig, im Freien, bei Cass.
Denn jeder musste irgendwann sterben und den Gedanken, in einem Bett zu sterben fand ich schon immer scheußlich.

Damals, während Connor mich vergewaltigt hatte, hatte ich mir gewünscht lieber zu sterben. Es war grausam und ich hatte mich noch Wochen, Monatelang danach beschmutzt gefühlt. Die Wunden, die er in meine Seele gerissen hatten, waren bis heute noch nicht verheilt.

Ich öffnete meine Augen und blickte genau in Cass' s, die mich die ganze Zeit gemustert hatten.
"Danke..." flüsterte ich fast laut los, hob meinen Kopf an und küsste ihn.

"Wofür?"

"Dafür, dass es dich gibt."

---

Am Abend drückte ich mich ständig an der Seite von meiner Mum herum, aber ich brauchte ewig um den Mut aufzubringen, sie das zu fragen.
"Du denkst ja immer, dass Jungs in meinem Alter nur schlechte Absichten im Kopf haben, stimmts?" fing ich vorsichtig an.
Völlig überrumpelt von dem Thema, nickte sie kurz.
Ich sah auf meine Füße. Ich hatte Cass versprochen, dass ich irgendwann meiner Mum sagen würde, dass ich in einer Beziehung mit ihm war und da war es ein langer Weg dorthin, sie vorzubereiten.
"Würde es etwas ändern, wenn du den Jungen schon von klein auf kennst?"

"Nein. Menschen ändern sich nicht. " gab sie sofort fest von sich.
Dieser Ansicht war ich ganz und gar nicht.
Misstrauisch beäugte sie mich. "Aber was soll die Anspielung, Liz?"
"Nichts." sagte ich schnell. "Nichts..."
Na super Liz, total unauffällig....

Bevor meine Mum noch weiter darüber nach dachte, ließ ich das Thema ruhen und machte mich vom Acker.

'Pan 3-Die verborgenen Insignien des Pans' wartete schon auf mich.

Am nächsten Tag stand mir aber noch ein viel schwierigeres Gespräch bevor.
Sam verhielt sich nach der Begegnung mit Cass am Vortag etwas seltsam.
In der letzten Stunde warf ich ihm einen Zettel auf den Tisch.
Ich hatte nur schnell darauf gekritzelt, dass ich nach dem Unterricht bei der Eiche auf dem Schulhof mit ihm reden musste.
Als er es gelesen hatte und den Zettel in die Hosentasche verschwinden ließ, nickte er mir kurz kaum merklich zu.

Als Sam dann letztendlich vor mir stand, wusste ich nicht wie ich anfangen sollte und war furchtbar verlegen.
Er sah mich abwartend an, ich war jetzt diejenige, die auf ihn zu gehen musste.
Also holte ich tief Luft und sah überall hin, nur nicht in seine Augen.
"Sam...stehst....du auf mich..?" fragte ich zögerlich.
Sam öffnete seinen Mund um zu protestieren, aber ich kannte ihn gut, genauso wie er mich kannte. Er schloss wieder seinen Mund und sah auf den Boden, als er meinen Blick bemerkte.
Ich wusste, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.
Ich hatte nur nicht erwartet, dass er es gleich zugeben würde.

Es fühlte sich nicht ganz wie Verrat an-eher total unwohl, wenn ich dachte, dass Sam mindestens schon Monate auf mich stand und ich immer unbeschwert wie ein Kumpel mit ihm herum gealbert hatte.

"Ich konnte nichts dagegen tun. Ich fand dich innerlich schon immer ...schön...genauso wie von außen. Trotz das du so viel mit gemacht hast, war ich immer stolz darauf, wie stark du bist und das du mir vertrautest." erklärte Sam und schien sich mindestens so unwohl in seiner Haut zu fühlen wie ich.
Das bestätigte so ziemlich alles. Zumindest seine Wut und Eifersucht auf Cass. Das Theater mit dem Schulball,wo er so eingeschnappt war und warum er anfangs schon wollte, dass ich mich von Cass fern hielt.

"Wie lange schon?" hauchte ich fast nur. Ich musste es wissen.
Sam sah mich traurig an. "Fast seit ich dich kenne."
Mein Mund klappte fassungslos auf.
Sam redete unbeirrt weiter und er schien sogar erleichtert, dass er das alles endlich aussprechen konnte.
"Nicht mehr leugnen konnte ich es vor etwa ein ein einhalb Jahren.
Als ich erfuhr, was Connor dir angetan hatte, hätte ich ihn am liebsten weich geprügelt. Ich hatte das enorme Bedürfnis dich zu beschützen. Da fing es an. Ich habe dich immer bewundert. Meine Gefühle für dich wurden immer stärker, aber ich wusste, dass du nach dieser Tragödie nichts mit Jungen zu tun haben wolltest. Außer mit mir. Da konnte ich nicht mit sowas heraus platzen. Ich wusste wie du wegen Connor gelitten hattest.
Es hätte alles zerstört.....
Und auch das Jahr danach-ich konnte unsere Freundschaft deswegen nicht aufs Spiel setzten. Ich konnte mehr oder weniger die Gefühle für dich unterdrücken. Und dann kam Cass."
"Deswegen warst du immer so komisch, als ich von ihm schwärmte...." fügte ich zusammen.
Sam nickte, seine Kieferknochen presste er fest aufeinander.
"Ich konnte ständig nur noch verbittert daran denken, warum du nicht so für mich empfinden konntest. Das ich nicht er war. Das schürte meinen Hass auf ihn.
Ich hatte mich all die Monate zurück gehalten, da ich ja am besten wusste wie empfindlich du auf solche Annäherungen reagieren würdest. Aber Cass konnte dir plötzlich näher kommen. Da konntest du deine Ängste überwinden. Das brachte das Fass zum Überlaufen...
Ich versteckte meine Gefühle so lange, da ich dachte das du nie auf sowas drauf ein gehen würdest und dann kam er. Als ich letztens, an den Tag wo du mir in der Kantine gewunken hast, erfahren hatte, das ihr ein Paar sei würdet, war ich so wütend."

Traurig sah ich ihn an. Ich wollte ihm nicht diesen ganzen Schmerz zu bereiten. Aber bevor Cass es mir nicht sagte, hätte ich nie den Schimmer einer Ahnung gehabt, dass Sam mehr von mir wollen würde.
Er hatte wirklich unsere Freundschaft vor seine Gefühle, vor sein Verlangen, gestellt.
Und dafür liebte ich ihn.
Als den aller besten Freund.
Aber mehr auch nicht.
Ich hätte nie mehr empfinden können.
Cass und ich gehörten zusammen.

Als ich Sam da so gebrochen und niedergeschlagen vor mir stehen sah, griff ich mitfühlend, aber auch unglaublich unsicher nach seinen Händen.
Er schüttelte sie ab. In seinen Augen stand der Schmerz.
"Du kannst dir nicht vorstellen wie sowas ist....wenn deine Liebe nicht erwiderte wird. Was hat er, was ich nicht habe!? Sags mir!" schnaufte er verzweifelt.
Als ich sprachlos, wie ein Häufchen Elend vor ihm stand, fuhr er verbittert fort:
"Das schlimmste war, euch beim Küssen zu zu sehen."
"Es tut mir leid..." flüsterte ich mit rauer Stimme und konnte mir so etwas nicht einmal ansatzweise vorstellen.
"Es ist nicht deine Schuld. Niemandens. Ich kann nichts dafür, dass es sich so entwickelt hat. Ich wollte mich nicht in dich verlieben. Ich wusste, dass das nur ganz schlecht enden konnte. Musste."
Sam drehte sich abrupt weg.
"Sam!!" rief ich ihm verzweifelt nach, aber er drehte sich nicht mehr um und antwortete auch nicht.

Ich hatte meinen aller besten Freund verloren.

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