Kapitel 25

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POV Tim
Berlin, jetzt
Lukas und ich saßen am Tisch und mampften uns durch die Brötchen, die ich mitgebracht hatte, während Jefferson Airplane im Hintergrund spielte. Ich sah von meinem Essen auf, als ich einen kurzen Blick auf meinen Freund warf und musste dann grinsen: Lukas' Art Gebäck zu essen erstaunte und amüsierte mich jedes mal. Er aß sein Brötchen indem er einen Bissen nahm und dann, während er kaute, das Brötchen etwas drehte, um den nächsten zu nehmen. Aber er biss nicht einfach in beliebige Seiten des Brotes, nein, er schien immer nach der besten Ecke zu suchen, indem er es in den Händen drehte, es inspizierte und dann schließlich reinbiss. Ich musste auflachen, weil es einfach so seltsam aussah.
„Was ist los?" Lukas sah mich total panisch an, und wischte mit der Serviette an seinem Mund herum.

„Gar nichts, mein Schatz."
„Sicher? Hab' ich irgendwas im Gesicht, oder..." Ich rollte die Augen und küsste ihn. Lukas warf mir einen ungläubigen Blick zu und widmete sich wieder seinem Essen, jedoch nicht ohne den Kopf zu senken, und somit sein Gesicht versteckend. Ich schmunzelte und schüttelte den Kopf, während ich daran dachte, wie er die anderen Jungs kennengelernt hatte, wie unsicher er damals noch war, wie er dachte, dass sie ihn als seltsam empfinden würden, obwohl er doch so ein liebenswerter Mensch war, dem keiner etwas übelnehmen konnte.

Berlin, Juni 2012

„Die sind selber seltsam – da können die sich nun wirklich nicht beschweren." Ich lächelte ihn an und strich ihm über die Wange. Lukas hatte einen extrem besorgten Gesichtsausdruck aufgesetzt und ich musste grinsen – der hatte doch keine Ahnung, wie lieb die Jungs sein konnten. Er hatte sicherlich schon viel über Basti gehört und hatte vielleicht sogar etwas Angst, aber jeder, der Basti gut kannte, richtig gut kannte, wusste, dass er eigentlich ein ganz lieber Kerl war, der nur nach außen hin so aggro und „furchterregend" war. Wir gingen auf Bastis Haustür zu und ich klingelte. Lukas sah sich nervös um und schien in seinen Taschen irgendetwas zu suchen.
„Was suchst du denn?"
„Nichts." Ich sah ihn von der Seite an und bemerkte, wie er seine Haare in seine Augen fallen ließ. Wahrscheinlich hatte er nach einer Kopfbedeckung gesucht, unter der er sich verstecken konnte.
„Es ist zu heiß, um ein Beanie zu tragen, das du dir ins Gesicht ziehen kannst, aber glaub mir – die sind echt nett. Du musst dich nicht verstecken. Basti weiß schon seitdem wir uns kennengelernt haben, dass ich auf Männer steh und er hat absolut kein Problem damit."
„Hmm, ok, wenn du das sagst...soll ich irgendetwas beachten?"
„Er kokst gerne." Lukas sah mich schockiert an.
„Was?"
„Basti liebt sein Kokain, unter anderem."
„Hätte ich jetzt nicht gedacht, dass du mit..."
„...mit Drogenabhängigen verkehre? Naja. Lukas, ich...ähm...vielleicht hätte ich dir das früher sagen sollen, aber ich kiffe nicht nur." Das kam aber jetzt blöd raus! Wir würden sicherlich später mal Probleme haben, wenn es ihn wirklich stört. Ich sah ihn von unten an und er ließ seinen Blick auf mir ruhen. Ich hatte absolut keine Ahnung, was gerade durch seinen Kopf ging. Vielleicht sollten wir meinen Lebensstil wannanders besprechen.
„Du musst ja nicht mitmachen", fügte ich hinzu. In dem Moment öffnete Basti die Tür.

„Timmähhh! Was geht, Alter?" Er schlug mir freundschaftlich auf die Schulter und musterte dann Lukas.
„Das ist Lukas, mein..."
„Jaja, weiß ich schon." Basti fuchtelte mit der Hand in mein Gesicht, woraufhin ich mich nach hinten lehnen musste, um einen Schlag zu vermeiden, und wendete sich dann an meinen Freund.
„So, so, Schnucki, du sollst also ganz schön talentiert sein, hmm?" Lukas wirkte vollkommen eingeschüchtert, obwohl er Basti zumindest körperlich um einiges überragte und Basti wie ein kleiner Giftzwerg vor ihm stand.
„Ähh...ja, also, hoffe ich mal."
„Hmm, hmm...Naja, werden wir ja dann sehen." Ich rollte die Augen. Basti war immer lieber zuerst ein Arschloch, als dass er zeigte, dass er jemanden gut fand. Wenn er dann sagte, dass ihm eine Zeile oder ein bestimmter Musiker ganz gut gefiel, dann war das schon ein Riesenkompliment. Lukas folgte mir ins Haus und plötzlich spürte ich, wie seine Hand nach meiner suchte. Ich nahm sie an und zog ihn näher an mich. Er musste wirklich Angst haben – so kannte ich ihn eigentlich gar nicht. Andererseits waren wir auch noch nicht so lange zusammen, als dass ich überhaupt wusste, wie er in solchen Situationen normalerweise reagierte.

„Lukas, das sind Sudden, Vortex und Skinny." Ich ließ Lukas' Hand los, bevor irgendjemand ein Kommentar loswerden konnte, während Basti die Crew vorstellte.
„Oder Steven, Igor und Marcel", korrigierte ich Basti, während sich die vier begrüßten. Basti ging dann gleich zur Sache: er zeigte Lukas ein paar DNP-Songs, ein paar alte Pimpulsiv- und Trailerpark-Songs und Lukas gab seinen Senf dazu. Ich beobachtete ihn wie konzentriert er arbeitete, wie geduldig er war und wie er immer selbstbewusster wurde. Es war echt faszinierend.


Berlin, jetzt
„Du, als ich beim Bäcker war...da waren so...Mädchen."
„Ja?"
„Ja, also...die haben über uns geredet." Lukas lachte auf.
„Wie, über uns?"
„Also, über den Kuss. Auf der Bühne. Und dann haben sie spekuliert, ob du Single seist oder immer die Mädchen in deinen Videos poppst..."
„Pfft. Die haben doch keine Ahnung." Er lächelte mich an und leerte seinen Kaffee.
„Nee, aber..."
„Ach, komm, Timi, dir ist doch normalerweise auch immer alles egal. Wieso kümmerst du dich dann um den Scheiss, den ein paar Teenager sagen? Außerdem haben die das ja auch nicht dir ins Gesicht gesagt, oder?"
„Nee, aber...ich war eher erstaunt über deren Ausdrucksweise."
„Ach?"
„Ja, das war ziemlich...heftig für deren Alter."
„Naja, wenn sie uns kennen, beziehungsweise Trailerpark hören, dann werden sie schon eine gewisse Art zu sprechen haben. Du bist doch sicherlich der Letzte, der sich um die Jugendsprache Sorgen macht, oder?" Er schmunzelte und strich mir über die Hand. Ich zuckte die Schultern und machte mich über mein Frühstück her.
„Sag mal, Timi..."
„Ja?"
„Hattest du nicht noch was für mich?" Lukas Augen glänzten und er lächelte sein wunderbares Lächeln, das, das ich so sehr liebte. Wie konnte man auf so einem Menschen böse sein? Wie konnte man so einen Menschen nicht lieben?


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