Kapitel 8

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POV Lukas
Tim konnte seine Geschichte nicht weitererzählen, da Basti hinten im Studio rumbrüllte, weil es wieder irgendwelche technischen Probleme gab.
„Wir gehen besser wieder rein", meinte Tim. Er nahm einen letzten Zug seiner Zigarette, drückte sie aus und mir einen Kuss auf die Wange. Als wir in das Zimmer eintraten, saß Sudden am Computer und Basti lief mit hochrotem Kopf im Kreis herum.
„Basti, jetzt beruhig dich mal! Ich kann das wiederfinden, gib mir etwas Zeit." Sudden war völlig ruhig und klickte irgendwo auf dem Bildschirm herum.
„Goldkehlchen! Du kennst dich doch mit so was aus..." Ich rollte die Augen und ließ Tims Hand los, bevor ich mich zu ihm lehnte.
„Wir reden später." Als wir endlich die meisten Probleme beseitigt hatten, war es Zeit, für die Interview-Tusse bei uns vorbeizuschauen. Ich hatte absolut keinen Bock auf die Frau und die anderen Jungs schon gar nicht. Doch irgendwie rafften wir uns alle auf und schafften es, ein halbwegs professionelles (also, wie man es halt so von Trailerpark kennt) Interview abzugeben.

Mehrere Stunden später

„Mann, ich dachte echt, wir werden nie fertig!", stöhnte Tim auf. Es war mittlerweile elf Uhr abends und Tim und ich saßen in meinem Auto auf dem Weg zu mir nachhause.
„Dieses Interview war irgendwie...langweilig. Dass Basti es so geplant hatte, dass das Interview nach unserem Meeting kam, war echt Scheisse. Ich bin voll müde."
„Hmmm." Er gähnte auf und streckte sich so gut es ging im Sitz.
„Was willst du heute essen?" Typische Pärchenfrage...
„Ist n bisschen spät für Essen, meinst du nicht?" Ich zuckte die Schultern.
„Keine Ahnung, Steak?", fuhr er dann fort.
„Ok." Ich lächelte meinen Freund an und legte ihm meine Hand auf den Oberschenkel, welche er mit seiner streichelte, bis ich schalten musste. Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend.
„Du hast die Geschichte noch nicht fertig erzählt", meinte ich, als wir halbwegs durch unser Essen waren.
„Du kennst doch das Ende, Lukas."
„Ja, aber...ich will's nochmal hören. Bitte." Ich sah ihn mit Hundeaugen an, woraufhin Tim nur die Augen rollte.
„Ok. Aber nur, weil ich dich liebe. Du bist echt so ein Romantiker, Lukas!" Ich grinste nur und beugte mich über den Tisch um meinen Freund zu küssen.

POV Tim

Bielefeld, April 2012
„Willst du wirklich nochmal hinfahren?" Marcel war schon völlig genervt von meinem ständigen Hin- und Hergefahre zwischen meiner Heimatstadt und Berlin.
„Doch, ich glaub, diesmal werd' ich ihn finden, wirklich!"
„Und was macht dich da so sicher? Ey, Tim, ich glaub echt, du musst den vergessen. Was, wenn er ein totales Arschloch ist? Oder hetero?"
„Dann...dann...war's das Ganze trotzdem wert."
„Sicher?" Ich überlegte. Das Hin- und Herfahren machte mich ganz schön fertig. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich Lukas diesmal finden würde. Ich spürte es. Ich stand mit meiner Tasche am Bielefelder Bahnhof und wartete mit meinem besten Freund auf den nächsten Zug nach Berlin.
„Und was, wenn du ihn findest?"
„Dann...dann..."
„Tim, was wirst du ihm sagen? Meinst du nicht, dass der es vielleicht etwas seltsam findet, dass du dreimal in die Hauptstadt gefahren bist, um ihn zu finden?"
„Doch, vielleicht, aber..."
„Und was, wenn er dir das Herz bricht? Oder nur ficken will? Oder gar nichts von dir will? Oder dich nicht mal mehr erkennen wird?"
„Marcel, ich weiß, dass du dir Sorgen machst, und ich finde das auch toll, ich schätze das wirklich, aber ich muss das jetzt machen. Es lässt mich einfach nicht los." Bei meinem besten Freund schien nun der Groschen gefallen zu sein. Als der Zug einfuhr, legte er mir seine Hand auf die Schulter und sah mir in die Augen.
„Timi, ich wünsche dir viel Glück! Ich hoffe wirklich für dich, dass du ihn finden wirst."
„Danke. Das hoffe ich auch."
„Und komm ja nicht ohne Ehering zurück!" Ich lachte, umarmte ihn und stieg dann in den Zug ein. Die ganze Fahrt über war ich wahnsinnig aufgeregt. Wie ein Teenager. Ich werde ihn finden, sagte ich mir ständig, um wenigsten ein wenig runterzukommen. Wenn ich wenigstens kiffen könnte...nicht, dass ich dann Lukas finde und vor lauter Nervosität nur stammeln konnte und er dann gehen würde. Warum dachte ich eigentlich ständig, dass er mich nicht mögen würde? Naja, wenn man mich schon länger kannte, wusste man, dass ich ungern viel Arbeit auf einmal vollbrachte, ich hing gerne auf der Couch rum, schrieb meine Songs nicht auf, sondern immer im Kopf und andere Themen außer Drogenkonsum konnte man selten in meinen Songs finden. Irgendwann kam ich in der Hauptstadt an.

Berlin. Diese Scheissstadt. Ich mein, so schlimm war sie eigentlich nicht, doch ich liebte es, Berlin zu hassen. Jeder liebt Berlin. Sogar die Schwaben. Ich sah mich mürrisch um: alles was ich sah war Beton, Graffiti, Alkis, Junkies. Und wo soll ich jetzt die Liebe meines Lebens finden? Halt, hab' ich gerade Liebe meines Lebens gesagt? Tim Weitkamp, es geht bergab mit dir. Irgendwie hatte ich Hunger. Berlin hatte ja genügend Restaurants. Ich ging planlos eine Straße entlang und sah mir ein paar Restaurants an. Alles zu teuer. Wird wohl ein Döner sein müssen. Leicht missmutig und enttäuscht, dass ich keinen geldbringenden Beruf ausgewählt hatte, ging ich zur nächsten Dönerbude. Ich stellte mich an einen der Tische und begann zu essen. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie hungrig ich war und schlang das Teil runter.
„Einen Döner bitte, keine Zwiebeln, keine Tomate, viel Sauce." Ich drehte mich mit vollem Mund um, als ich eine Stimme hörte, die mir bekannt vorkam, ich sie aber nicht zuordnen konnte.

Berlin, jetzt

„Und da warst du."
„Da war ich. Vollkommen verkatert und in einem Zustand, in welchem sich die meisten nicht rausgetraut hätten."
„Ach, komm, der Dreitagebart stand dir doch wunderbar."
„Aber nicht die Mütze, die ich meiner ungewaschenen Haare wegen tragen musste."
„Ich fand dich trotzdem süß." Wir küssten uns lange und ich fuhr durch Lukas' Haare.
„Ich musste dreimal nach Berlin fahren um dich zu finden."
„Ist schon krass."
„Aber es war die Fahrt wert. Auf alle Fälle." Ich lächelte ihn an und strich ihm über die Wange.

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