Kapitel 7

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POV Tim
Berlin, Januar 2012
Ich hatte keine Ahnung, wo ich überhaupt anfangen sollte, Lukas zu suchen. Die Stadt war so riesig, so hässlich, so grau, so voll. In Bielefeld hätte ich ihn sicherlich schneller gefunden. Orientierungslos und mit einer Zigarette im Mund lief ich die Straßen entlang, sah mir die Menschen an, in der Hoffnung, dass ich vielleicht seinen Typus finden würde. Vielleicht sollte ich einfach wieder zu dem Weihnachtsmarkt gehen. Also dorthin, wo der Markt im November war. Kurz darauf machte ich mich auf den Weg zum Markt, wo nun nur ein paar Teenager am Abhängen waren.
„Dreck", murmelte ich und warf den Kopf in den Nacken. Die Sonne blendete wie Sau und die Teenager machten Lärm. Es war nicht gerade meine beliebteste Szene. Um wieviel Uhr hatten wir uns hier getroffen? 16Uhr? Und jetzt war es...15 Uhr. Ich ging zu einem Kiosk und kaufte mir zwei Flaschen Bier. Wenn ich schon warten musste, dann wenigstens nicht nüchtern.

Berlin, jetzt

„Hast du dann einfach gesoffen?"
„Ja."
„Aber du hattest ja noch nicht wirklich nach mir gesucht, oder?"
„Nee...Ich bin halt nicht so...aktiv. Ich mag es nicht, zu viel Arbeit auf einmal zu haben. Weißt du ja. Irgendwie...hatte ich mir das Ganze einfacher vorgestellt."
„Wie denn?" Lukas lächelte mich an und ich konnte seine süßen Hasenzähne sehen. Ich fuhr ihm über den Schnurrbart und seufzte dann.
„Romantischer."
„Wie denn?", fragte er nochmal.
„Ich weiß nicht...vielleicht, dass du am Bahnhof gewartet hättest."
„Aber ich wusste doch gar nicht, dass du herkommen würdest."
„Nee, aber..."
„Noch nicht mal eine Frau hätte das fühlen können, Tim."
„Ja, ich weiß...aber...das hatte ich mir halt erhofft." Ich sah traurig auf den Boden, als die Gefühle von damals wieder hochkamen.

Bielefeld, Januar 2012
Ich war so frustriert mit mir selber – wie hätte ich nur denken können, dass ich Lukas in Berlin finden würde. In Berlin. Einer riesengroßen Stadt. Natürlich hatte ich ihn nicht gefunden. Ich hatte drei Tage in Berlin verbracht – mehr Zeit hatte ich mir selber nicht geben wollen. Ich hatte jeden Teil Berlins durchforstet, wo ich Lukas vermutet hatte. Neukölln, Friedrichshain, Kreuzberg, Mitte. Sogar am Prenzlauer Berg war ich – wer weiß, vielleicht Lukas ja einer dieser reichen Schnösel? Ich war in den ganzen Bars, wo es live Musik gab, ich war in Kunstgallerien, ich war sogar in Büchereien, Bücherläden, eben überall, wo man so jemanden wie Lukas finden könnte. Der Gedanke, dass er in einer Gegend war, während ich in einer anderen, ließ mich nicht los. Irgendwann, nach zwei Tagen fand ich mich selber in einer Bar wieder. Ich hatte ein paar Gramm Gras gekauft, hatte ein paar Pillen Ecstasy in meiner Jackentasche und doch war ich todunglücklich gewesen. Am nächsten Tag war ich wieder nachhause gefahren und hatte mich erstmal abgeschottet.

Berlin, jetzt
„Was hast du beim zweiten Mal gemacht?"
„Das zweite Mal war...ein paar Monate später. Anfang März, glaub ich."
„Was hast du da gemacht, um mich zu finden?"
„Ich hatte ein Treffen mit Basti organisiert. Ich hatte gehofft, dass er dich vielleicht schon kannte."
„Hmmm...du musst aber ganz schön verliebt gewesen sein, dass du mir ständig nachgefahren warst!" Ich lächelte meinen Freund an und strich ihm über den Oberschenkel. Oh ja. Ob das wirklich so logisch war, dass ich mich in jemanden verliebt hatte, den ich gerade mal ein paar Minuten lang kannte? Naja.
„Ja. Aber ich konnte einfach nicht anders. Der Gedanke, dass ich dich nie wieder sehen würde, ließ mich einfach nicht los, Lukas. Ich war so verliebt in dich, mir war es egal, dass ich dich nicht so gut kannte, ich wollte nicht aufhören, bis ich dich finden würde."
„Das ist so süß, Timi." Wir küssten uns und lächelten beide in den Kuss hinein.

Berlin, März 2012
„Alter, Tim, was willst du?"
„Ich wollte nur ein paar Sachen besprechen."
„Muss das jetzt sein?"
„Ja. Außerdem wollte ich dich was fragen." Basti starrte mich schlecht gelaunt an und ließ mich dann in seine Wohnung, die so richtig typisch Basti war – weiß, mit ledernen Möbeln, bonzenmäßig halt.„Ok, mach's aber kurz! Ich erwarte Damenbesuch. Und zwar jeden Moment." Er machte eine Handbewegung, dass ich mich setzen sollte und setzte sich dann mir gegenüber.
„Ok...ähm...ich hab' da jemanden kennengelernt, und..."
„Ich werd' dir garantiert nicht mit deinen Sexproblemen helfen!"
„Das will ich auch gar nicht! Eher...ich glaub...ich hab' mich in ihn verliebt und..."
„Sag's ihm halt einfach. Mensch, Tim, ich bin echt nicht der richtige Typ für deine Dr. Sommer Fragen! Weißt du doch."
„MANN! Ich wollte nur wissen, ob du jemanden namens Lukas kennst."
„Lukas?"
„Ja, blond, zirka 1,90 groß, Bart, also Schnurrbart."
„Und sonst so?"
„Sexy?"
„Alter!"
„Nein, Basti, ich weiß echt nicht mehr von ihm. Ich weiß nicht, was er macht, ich weiß nicht, wo er wohnt..." Basti antwortete nicht. Er starrte konzentriert auf den Boden. Wir saßen einige Minuten so da, bis ich es nicht mehr aushielt.

„Basti, Mann, kennst du ihn jetzt oder nicht?"
„Macht er Musik?"
„Weiß ich nicht."
„Du machst es einem aber auch schwer! Also, ein angeblich süßer Typ – " er warf mir einen angeekelten Blick zu – „1,90 groß, blond, Künstler?"
„Ja, so wie er geredet hat, klang er schon so als würde er irgendetwas in dem Bereich machen." Basti schüttelte nur den Kopf.
„Ich kenn echt niemanden, der so ist, Tim. Tut mir leid."

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