6 ~ "Kleiner" Spaziergang

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And this is Thalia in my imagination... Okay, ich hör schon auf. 

Thalia

Ich wusste zwar nicht genau, worüber Luke und Piper heute morgen in der Küche geredet hatten (dafür war ich noch zu müde), aber ich hatte die düstere Ahnung, dass ich das Thema war. 

Luke lief ein paar Schritte hinter mir. Keiner sprach. Selbst wenn, ich wüsste nicht worüber. Ich hatte nicht das Bedürfnis, mit ihm zu kommunizieren. 

"Warum fährst du eigentlich nicht?", fragte er.

Schade. Ich hatte ihn schon fast vergessen. 

"Kein Führerschein", antwortete ich kurz angebunden.

"Warum nicht?", wollte er jetzt wissen.

Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um. "Das ist privat. Und jetzt hör auf, Fragen zu stellen." Meine Füße setzten sich wieder in Bewegung.

Luke seufzte frustriert auf. Gut so. Hoffentlich würde er bald von mir ablassen. Ich hatte keine Lust auf ein nerviges Anhängsel.

"Ich kenne dich kaum, aber ich kann jetzt schon sagen, dass du ein totaler Sturkopf bist und am Besten alles nach deiner Nase läuft. Doch das tut es nicht immer, akzeptier es. Ich werde nicht locker lassen, denn wenn ich eins gut kann, dann ist es, dass ich meinen Willen bekomme."

Er war mir gefährlich nahe gekommen. Reflexartig machte ich ein paar Schritte zurück. "Sicherheitsabstand", warnte ich ihn. 

Für einen Moment sah er mich verdutzt an. Das nutzte ich, um weiter zu laufen. Ich hatte in ungefähr einer halben Stunde meinen ersten Kurs, ich durfte nicht zu spät kommen. Es würde meinen Dad sonst in schlechtem Licht darstellen. Er und seine Kanzlei waren mir egal. Aber die Tochter musste natürlich perfekt sein, genauso wie der Sohn, die Stiefmutter und der Vater selbst. Schließlich war er die Verkörperung der Perfektion, da war es nur logisch, dass seine Sprösslinge auch perfekt sein mussten.

Dass rein gar nicht an meiner Familie perfekt war (eher das Gegenteil davon) interessierte keinen. Oder sie sahen es nicht, weil wir alle vier es zu gut versteckten. 

Wie auch immer, ich war ein gutes Stück vorangekommen. Ich hörte hinter mir Schritte, also war Luke wohl oder übel noch da. 

Apropos Luke: Seine Worte verwirrten mich. Was war sein Wille? Mich zu brechen oder mein Freund zu werden? Falls er sich letzteres erhoffte, konnte er lange warten. Ich wollte und brauchte keinen Freund, ich hatte es auch mein Leben lang wunderbar ohne geschafft. Okay, streicht das wunderbar, mein Leben war weit entfernt von wunderbar. Vor allem, seit mir diese Klette Luke an den Fersen klebte.

Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Noch knappe fünfzehn Minuten. Pipes, Jay und die Stolls dürften schon angekommen sein. 

Missmutig kickte ich einen Stein aus dem Weg. Warum hatte ich Jay gestern nochmal gesagt, er könne seine Freunde mitbringen? 

Und was war da eigentlich zwischen Pipes und meinem kleinen Bruder? Jeder sah, dass irgendetwas zwischen ihnen vorgefallen sein musste, so merkwürdig wie sie sich in der Gegenwart des anderen verhielten. Doch was verschwiegen sie? Und was war so peinlich, dass sie nicht offen darüber reden konnten? Vertrauten sie mir nicht genug?

So viele Fragen und keine Antworten. Eigentlich sollte ich daran gewöhnt sein, aber es war erschreckend, dass sie alle mit meinen engsten Vertrauten zusammenhingen. Es machte mir Angst, fast genauso sehr wie der Führerschein und Alkohol. 

"Über was denkst du nach?"

Innerlich bereitete ich mich darauf vor, ihn zu erwürgen. "Ich habe gesagt, keine Fragen", knurrte ich. 

Er seufzte. "Warum bist du so kratzbürstig? Du könntest so viele Freunde haben, wenn du dich den Leuten nur öffnen würdest."

"Meine Freunde reichen mir und sag mir nie wieder, was ich zu tun habe!", fuhr ich ihn an. "Wenn ich eins noch weniger leiden kann als dich, dann das."

Luke schnaubte. "Hör mir jetzt mal zu. Ich habe dir nicht befohlen, offener zu werden. Ich habe gesagt, es wäre besser und das ist ein Unterschied. Aber ich weiß mehr über dich, als du glaubst und kenne so auch den Grund, warum du so kratzbürstig bist und nur Leuten vertraust, mit denen du schon als Kind oder Jugendliche viel zu tun hattest. 

Ich will dir helfen, verdammt. Aber wenn du meine Hilfe nicht willst - und das sagst du mit deinem Verhalten mir gegenüber sehr deutlich - dann leb dein Leben so weiter, wie bisher. Aber du wirst irgendwann merken, dass das auf Dauer nicht klappt."

"Hilfe?", fragte ich ihn wütend. "Das klingt, als würdest du denken, ich sei eine Psychopathin!"

Ich sah, wie er mit Mühe versuchte, ruhig zu bleiben. "Sprich mich erst wieder an, wenn du akzeptierst, warum du so bist wie du geworden bist."

Damit drehte er sich um und lief die Straße weiter, die gleich zu unserer Uni führte.

Ich blieb auf der kleinen Straße stehen und starrte ihm nach. 

Luke Castellan wusste mehr über mich, als mir lieb war. Durch Jason wusste er wohl ziemlich viel über meine Familie und konnte sich alles zusammenreimen. Eine dritte Sache, die mir Angst einjagte. Er könnte jederzeit mühelos meine Blase platzen lassen. 

Er kannte mich.

~~~

818 Wörter, nicht ganz so lang wie sonst, aber damit ist die erste bewusste Konfrontation mit Thalia und Luke vollbracht.

Bitte beantwortet mir meine Fragen ehrlich. 

Hat euch der Sichtwechsel gefallen? Warum (nicht)? Wollt ihr noch irgendeine andere Sicht oder nur Piper?

Ist euch irgendein Fehler aufgefallen (Logik, Zeiten, Grammatik, Rechtschreibung, etc.)? 

Ja, das war es von mir auch soweit. Danke für eure Antworten! ^^

H.

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