Noah✅

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Der Tag verläuft nur schleppend. Harold beachtet mich kein einziges Mal und nach der Blamage heute Morgen habe ich mich auch nicht mehr getraut ihm zu nahe zu kommen.

Auch wenn ich enttäuscht bin, dass er mich so schnell vergessen hat, obwohl er sich nur an meinen Namen erinnern könnte, kann ich meinen Blick nicht von ihm nehmen.

Ich bin fasziniert von ihm. Fasziniert von der Art und Weise wie er seine Hände hinter seinem Nacken verschränkt aber mit den Ellenbogen noch immer die Tischplatte berührt, wie seine Finger über die Tastatur fliegen, wie sich seine Schultern unter seinem Pulli abzeichnen.

Ich höre der Vorlesung nur mit halbem Ohr zu, habe keine Ahnung über was der Professor redet weil das einzige was in meinem Kopf umherschwirrt die Frage ist, wer Harold ist.

Ich bemühe mich ihm hinterher zu kommen als er den Saal mit großen Schritten verlässt. Ich weiß selbst nicht warum es mir so wichtig ist herauszufinden was mit ihm los ist.

Hat er einfach zu wenig Selbstbewusstsein um sich zu zeigen? Hat er Verletzungen, vielleicht von einem Unfall? Irgendwas muss mit ihm sein, weshalb er sich so verhält.

Als ich ihn um die nächste Ecke gehen sehe verschnellere ich meine Schritte nur um kurz darauf gegen jemanden zu laufen.

"Wieso folgst du mir?", knurrt er und seine ohnehin schon tiefe Stimme wirkt dadurch nur noch angsteinflößender.

"Ich folge dir nicht.", stottere ich, bin zu abgelenkt davon, dass er noch immer so nah vor mir steht und so unerwartet erwischt hat.

Er lacht heiser auf und tritt einen Schritt zurück. Meine Augen die ich geschlossen hatte nehmen ihn jetzt ins Visier und wandern auf und ab.

"Ich kann zu hundert prozentiger Sicherheit sagen, dass deine Wohnung nicht in dieser Richtung liegt.", er hat sich gegen sie Backsteinmauer gelehnt und seine Arme vor der Brust verschränkt.

"Ich muss zur Bahnstation.", meine Stimme ist noch immer leise und unsicher und in diesem Moment gehe ich nicht darauf ein, woher er weiß wo ich wohne.

"Die ist auch nicht in diese Richtung. Also nochmal, wieso folgst du mir?", er stößt sich von der Wand ab und kommt wieder einen Schritt auf mich zu.

Sofort werde ich von seinem Duft eingehüllt und ich kann mich daran erinnern, dass mein Vater dieses Parfüm früher auch hatte.

"Ich weiß es nicht.", gebe ich schließlich zu weil mir keine weitere Ausrede einfällt. Ich kann ihm ja schlecht sagen, dass ich wissen will was er macht und dass ich es verletzend finde, dass er sich nicht an meinen Namen erinnern kann, nachdem ich ihm gestern ja irgendwie geholfen habe.

Auch die Frage, wieso er gestern diesen Umweg gefahren ist liegt mir auf der Zunge und trotzdem spreche ich sie nicht aus.

"Wann bin ich einen Umweg gefahren?", seine Stimme klingt verunsichert und verkrampfe leicht als ich bemerke, dass ich meine Frage doch laut ausgesprochen habe.

"Gestern?", mit gerunzelter Stirn stehe ich vor ihm. Er hat seine Hände in seinen Jackentaschen versteckt und als keine Antwort von ihm kommt rede ich einfach weiter.

"Du bist am Bahnsteig gesessen, auf dem Boden und dann habe ich dir geholfen und als du dann in der Bahn aussteigen wolltest, bist du doch geblieben nachdem du so einen Typen angestarrt hast und bist dann an meiner Station ausgestiegen.", ich verlager mein Gewicht auf mein andere Bein und spiele an meinem Armband.

"Ich musste da auch raus. Hatte mich wohl vertan.", mit jedem weitere Wort das seinen Mund verlässt, wirkt er unsicherer, tritt von einem Bein auf das andere und zupft an seinem Pullover.

Paranormal | H.S. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt