Engelchen sind fast immer freundlich

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Dienstag, 12.01.2016

Wir sitzen hier jetzt schon fast eine viertel Stunde und ich muss zwei, wie kleine Mädchen, tratschende Frauen und zwei Miesepeter ertragen. Vielleicht kann ich ja Tims Laune noch mehr vermiesen. „Soll ich was zu trinken holen?", frage ich ganz unschuldig. Maddy schaute mich an, als hätte ich vorgeschlagen ihr einen Schnuller zu geben und schüttelt den Kopf. „Ein Wasser bitte.", kam es von Tim und ich war überrascht, dass er das Wort bitte überhaupt kennt. „Das ist aber lieb von dir Engelchen! Wir nehmen beide einen Kaffee.", antwortete Mama für sich und für Kathrin. „Mit Milch oder Zucker?", fragte ich an Kathrin gerichtet, da ich schon weiß, wie Mama ihren Kaffee trinkt. Wäre auch schwer das nicht zu merken, denn Kaffee ist ihr Crystal Meth. „Mit Milch bitte.", lächelte Kathrin und ich lächelte zurück, ehe ich mich auf den Weg in die Küche machte.

Es wäre zwar sinnvoller gewesen, Tim zuerst sein Glas Wasser zu bringen, aber das haute mit meinem Plan nicht hin, also brachte ich Mama und Kathrin erst ihren Kaffee. „Danke.", sagten die beiden gleichzeitig und fingen dann an zu lachen. Die beiden sind schlimmer als Mädchen in der vierten Klasse, wie soll ich das denn aushalten? Ich hole schnell das Glas, gefüllt mit Wasser, aus der Küche und Vorfreude macht sich in mir breit. So viel Freude nur wegen einem ganz kleinen Racheakt ist mit Sicherheit nicht normal, vielleicht sollte ich mal zum Arzt. Im Wohnzimmer achtet keiner auf mich. Maddy und Tim waren damit beschäftigt unseren Müttern dabei zuzusehen, wie sie einen Lachflash hatten und dabei irgendwie wirkten, wie Aliens. Doch das war gut für mich, denn so zutun, als würde man hinfallen und das auch noch realistisch aussehen zu lassen, ist gar nicht so einfach.

Ein paar Sekunden später war fast das ganze Wasser, aus dem Glas, auf Tims weißem Shirt. Freude durchströmte meinen Körper, doch ich tat so, als würde mir das Ganze leidtun:„Oh mein Gott, das tut mir wirklich leid! Ich bin gestolpert und ich wollte das nicht, wirklich!" Dabei schaute ich ihn schuldbewusst und ein wenig verzweifelt an. „Ist nicht schlimm.", erwiderte er und schaute genervt auf sein Shirt. „Tim Patric, ist das etwa ein Tattoo?", fragte seine Mutter geschockt. „Mom, reg dich nicht auf, ja?", versuchte er seine Mutter zu beruhigen und dabei war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, dass er auf diese Situation nicht vorbereitet war. Ich wollte ihn so gerne auslachen, oder wenigstens grinsen, wie Maddy es gerade tat, doch ich musste weiterhin so tun, als täte es mir leid. „Wann hast du das machen lassen?", fragte seine Mutter wütend. „Ist doch nicht so wichtig. Ich bin doch eh fast 18.", versuchte er sich rauszureden und seine Argumentation dabei war schrecklich, so kriegt man Mütter nicht rum. „Das ist egal! Du hast nicht mal gefragt!", regt sich Kathrin weiter auf und Maddy verkneift sich das Lachen. „Als ob du ja gesagt hättest!", erwidert Tim, er kann wirklich nicht mit solchen Situationen umgehen. „Komm mit Tim, wir holen dir ein neues Shirt.", rettete Mama ihn leider aus dieser Situation.

Während Kathrin einen Lappen holte, um das Wasser, was auf dem Boden war, wegzuwischen, brach Maddy in schallendes Gelächter aus. Okay, eine Sache teilten wir: Schadenfreude. „Das hast du echt super gemacht. Sobald wir Zuhause sind, wird er richtig Anschiss kriegen.", lachte sie und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Eure Mutter wirkt gar nicht so streng.", spreche ich meinen Gedanken, etwas verwundert, laut aus und verbarg dabei, dass ich mich freute, dass er noch mehr Ärger kriegen wird. „Ist sie eigentlich auch nicht, aber Tim baut andauernd scheiße und sie denkt sie muss mal durchgreifen.", berichtete Maddy und prustete danach schon wieder los, als wäre der Gedanke daran, dass ihre Mutter durchgreift, das witzigste, was sie sich vorstellen kann. Es fiel mir  immer schwerer nicht auch zu lachen. Da kam auch schon Kathrin, mit einem Lappen ins Zimmer und begann das Wasser vom Boden zu wischen. „Ich kann das auch machen.", sagte ich, obwohl ich da überhaupt keinen Bock dazu hatte, aber immer freundlich sein, irgendwann zieht man einen Vorteil daraus. „Warum kann Tim nicht sein wie du?", seufzte sie und wischte einfach weiter die kleine Pfütze weg.

Annabelle [PAUSIERT]Where stories live. Discover now