30. Sitzung

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Ich sollte anfangen mir meine Hoodies ein paar Größen größer zu kaufen – nicht weil ich fett werde oder eins von diesen abgemagerten Teenager-Weibern bin, mit Pulli's in Übergroße, wieso auch immer die das tun. Nein, schlicht und ergreifend weil die Kapuzen zu klein sind und den kompletten Pullover anspannen. Keine sonderlich tolle Sache. Aber immerhin passt meine Ray-Ban wie angegossen.

„Hat der Carter einen Kater?", grinst Jacqueline schadenfroh, als ich die Praxis betrete. Sie selbst sitzt auf dem Ikea-Schreibtischstuhl hinter dem Empfangstresen und macht irgendwas am Computer – vermutlich nichts.

„Der Witz ist schon seit Jahren nicht mehr witzig. Aber süß, dass du mich mit schlechtem Humor zurück gewinnen willst."

„Du musst ja wirklich sehr gestört sein, dass Elisabeth zwischen diesem Termin und deinem letzten nur das Wochenende gelassen hat."

„Ich hab mich hochgevögelt. Von der unfähigen Arzthelferin oder Krankenschwester – oder was auch immer du eigentlich hier machst – zur entzückenden Ärztin und na ja, du weißt ja wie toll ich im Bett bin. Auf so etwas will man nicht lange verzichten."

Trotz Sonnenbrille und Kapuze bin ich mir ziemlich sicher, dass das arrogante Lächeln extrem gut rüber kommt – wie immer halt.

„Du bist lange nicht so gut wie du glaubst, Jack."

„Und allein die Aussage ist Beweis dafür, dass das nicht stimmt. Also, Wartezimmer oder kann ich reingehen?"

Miss Spears wirft einen Blick auf einen Terminkalender vor ihr.

„Kannst reingehen."

Die Hände werden in die Hosentasche geschoben und die Ignoranz gegenüber der gesamten Menschheit wird erneut angeschaltet – die war auch nie wirklich aus, stand eher auf Standby. Schlimm genug, dass sich das Ex-Supermodel anscheinend so viele Sorgen um mich macht, dass sie so wenig Abstand zwischen den Terminen zu lässt. Das Letzte was ich jetzt gebrauchen kann ist schwach zu wirken. Allerdings wird mein Psycho-Doc extrem enttäuscht werden – ich hab in den letzten vier Tagen genau zwei Mal die Wohnung verlassen.

„Oh Gott, Jack. Sie sehen schrecklich aus."

Ich rieche vermutlich auch schrecklich. War nämlich auch nicht duschen – deswegen die Kapuze. So sieht niemand meine absolut beschissene Frisur. Immerhin kann ich keine Pickel bekommen, oder eine Änderung meines Hauttons.

„Ja, das ist natürlich ein Problem. Dabei wollte ich heute noch an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen – Prinz Charming werden wird wohl nichts mehr."

Sie lächelt.

„Und gewohnt sarkastisch. So haben Sie die letzten Wochen über kein einziges Mal gewirkt, obwohl es Ihnen anscheinend nicht gut geht."

Ich zucke mit den Schultern und lasse mich endlich auf dem Stuhl nieder. Wie wäre es eigentlich mal mit einer neuen Einrichtung für diesen Raum? Bunte Wände, eine blühende Zimmerpflanze, ein Glasschreibtisch und eine Couch. Im Ernst, so klischeehaft das auch ist. Eine Couch ist dreitausend Mal bequemer als diese beschissenen Stühle. In der Klapse hatten die eine Couch, vielleicht hätte ich mich einweisen lassen sollen? Dann könnte ich jedes Mal in einer Sitzung auf der Couch einschlafen, anstatt das ungestillte Verlangen zu haben, danach die Schuhe auf den Schreibtisch zu legen.

„Ich hasse die Menschheit, deswegen habe ich beschlossen mein Bett nicht mehr zu verlassen – vorzugsweise für immer. Blöderweise habe ich eine kleine Schwester und einen besten Freund, beides nicht sonderlich hilfreich. Ich wurde in den Zoo geschleppt und weiß jetzt ungewollt wie die fünfte Staffel Gossip Girl endet. Ich und Chuck Bass wären vermutlich Freunde fürs Leben."

Jack Carter Ist UnsterblichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt