(6) Urlaub

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Natürlich hatte er versucht mich anzurufen. Was auch sonst? Also war mein Handy seit vier Tagen einfach nicht mehr am Ladekabel gewesen. Super, für Thomas idiotische Blödheit musste mein soziales Leben drauf gehen. Das war das einzigste Leben was ich momentan besaß. Ich meine außer meiner Bett-Kühlschrank-Bad-Beziehung machte ich momentan herzlich wenig. Jawohl uns auch hier war er aufgeschlagen. Mittlerweile tat mir meine Aktion um ihn zu vertreiben mehr als leid. Ja, ich hatte ihm eine Ohrfeige verpasst. Ich geh mich schon vergraben. Sofort danach war er abgedampft und ich hatte mich heulend im Bett verkrochen. Mal hatte ich schon seit zwei Tagen nicht mehr gesehen. Ich kam einfach nicht mehr aus meinem Zimmer. Filme, Chips und Cola hieß es Abends statt Filme, Bett und Tommy. Aber zurückgehen würde ich nicht. Der Arsch hatte mir verdammt wehgetan. Das konnte er sich überhaupt nicht vorstellen.

Als die Tür aufsprang, lag ich wie immer mit rot verheulten Augen, halb auf dem Bett und mit dem Kopf auf dem Boden. Die Decke übers Gesicht gezogen. Auch wenn es darunter nach zehn Minuten echt heiß wurde - vor allem wegen dem vielen Blut in meinem Kopf - blieb ich regungslos liegen. Ich hatte keine Kraft mehr. Thomas! Thomas! Thomas! Warum muss er mir so im Hirn rum spuken? In solchen Momenten machte er mein Leben echt zur Hölle. Aber in anderen - die definitiv überwogen - da fühlte ich mich einfach... Beschützt.
Die Schritte hallten über das Parket. ,,Mal warum störst du mich beim Leiden?", fragte ich genervt. ,,Wohl eher beim verrotten", antwortete sie sarkastisch. ,,Ha ha ha." ,,Das meinte ich völlig ernst süße! Du musst jetzt ehrlich wieder in ein normales Leben zurückfinden." Meine Decke wurde mir vom Kopf gerissen. Mal versuchte mich an den Schultern hochzuziehen und zurück auf die Füße zu stellen. Aber sobald sie mich los ließ, schmiss ich mich zurück aufs Bett. Meine Freundin seufzte und setzte sich neben mich. ,,Ach komm schon. Sagt dir das Wort Leben noch was? Aura. Du hast so viel verpasst. Du glaubst nicht was in den Medien abgeht." Ich wollte davon nichts hören. Also drehte ich mich auf die Seite und quetschte mir ein Kissen auf die Ohren. ,,Lass mich einfach in Ruhe!" Ich zuckte zusammen als sie mir ihren Finger in die Hüfte bohrte. Wütend schlug ich ihre Hand weg. ,,Hackt's?" ,,Wow was n' mit dir los? Hey, komm mal her." Sie zog mich unter den Achseln zu sich auf den Schoß und tätschelte behutsam meinen Kopf. ,,Und was wird das?", fragte ich leicht gereizt. Ich wollte eigentlich nicht so undankbar sein aber meine Gefühle spielten momentan Achterbahn. ,,Psst. Genieß es." ,,Das du mir den Kopf streichelst?" Ich setzte mich auf und schlug meine Beine in den Schneidersitz vor sie. ,,Du bist echt verrückt." ,,Weiß ich doch", grinste sie. ,,Aber ich kenn da noch jemanden." Vielsagend sah sie mich an. Doch dann wurde ihr Blick ganz traurig.
,,Aura was ist los mit dir? Thomas, ja das weiß ich aber was genau ist passiert? Lass mich an dich ran ich muss dir doch irgendwie helfen können. Reiß die Mauer ein und lass mich dir helfen. Dafür ist eine Freundin da." Kaum zu glauben aber diese mageren Worte entzogen mir ein Träne. Sie war meine einzige Freundin seit verdammten sieben Jahren. Das ist doch kompletter Wahnsinn. Ich habe seit Jahren unter Jungs gelebt. Nie eine echte Freundin gehabt. Ja nicht mal eine unechte. Mal sprang auf einmal auf und rannte zur Tür. Dabei schrie sie noch etwas. ,,Ich sorge schon dafür das es dir wieder besser geht!" Dann knallte die Tür zu. ,,Hä?", sagte ich zu mir selbst. Was war denn das jetzt? Dieses Mädel machte mich noch verrückt!

,,So!", schrie sie als sie mein Zimmer mit Schwung auftrat. Ja trat, denn sie hielt einen riesigen Koffer in der Hand. ,,Du meine Liebe", ächzte sie, ,,gehst auf Reisen!" Völlig perplex starrte ich sie an. ,,Reisen?" ,,Jap, reisen! Frag bitte nicht nach, pack einfach deinen Koffer bis drei." Sie schmiss den Koffer auf den Boden und wollte gerade verschwinden als ich sie zurückpfiff. ,,Erklärst du mir vielleicht mal was das soll?", fragte ich sie aufgebracht und leicht panisch. Sie schüttelte den Kopf. ,,Tu's einfach!" Dann war sie verschwunden. Wie benommen stand ich tatsächlich auf und wankte zu meinem Schrank um meine Sachen rauszusuchen und den Koffer damit zu füllen. Die Frage war nur mit was. Also streckte ich den Kopf aus der Tür und schrie nach unten ins Wohnzimmer: ,,Mal? Was muss denn mit?" Sofort folgte eine nicht besonders klare Antwort. ,,Ja normal halt!" Ganz toll. ,,Und wie lange?", fragte ich weiter. ,,Nimm einfach für eine Woche mit. Falls nötig kannst du ja noch was holen. Ich hab nämlich absolut keine Ahnung wie lange du weg bist!", schrie sie. ,,Wie du weißt es nicht?", rief ich verwirrt. Doch anstatt zu antworten wechselte sie das Thema. ,,Kannst du mal aufhören mich durch die ganze Bude hindurch anzuschreien!" ,,Dann komm hoch!" ,,Komm du dich runter!" Ok das brachte jetzt definitiv nichts mehr. Also zog ich seufzend meinen Kopf zurück und packte was mir gerade in die Hände viel.

,,Fertig?", fragte Mal mich, die in der Tür stand. Ich nickte nur und zeigte auf den zwar gefüllten aber immer noch offen stehenden Koffer. Sie schüttelte lächelnd den Kopf, wobei ihre Haare hin und her schwangen und zog den Reisverschluss mit einem Ruck zu. ,,Na dann. Auf auf." ,,Ja und wohin?" ,,Nach unten ins Wohnzimmer." Verwirrt schaute ich sie an während sie meinen Koffer nach unten wuchtete.

Immer noch ziemlich benebelt lief ich hinter ihr die Treppe runter. ,,Ach man. Ich werde dich vermissen", quasselte sie. Moment, was? ,,Wie jetzt, vermissen? Kommst du nicht mit?" ,,Oh ich glaube du willst mich garnicht dabei haben." Ich musste sie nicht fragen was sie damit meinte. Denn ich betrat das Wohnzimmer. Mein Blick fiel natürlich sofort auf die schwarze Reisetasche neben der Couch. Danach auf Thomas der darauf saß. ,,Was wird das hier?" Mal zuckte mit den Schultern. ,,Ich hab dich nicht mehr ausgehalten. Irgendetwas musste ich dich tun! Na gut ich lass euch dann mal alleine." Und schon verschwand sie in die Küche. Fassungslos schaute ich ihr nach. Dann schaute ich mit finsterem Blick zu meinem Freund, der gerade anfangen wollte zu sprechen doch ich hielt die Hand ausgestreckt um ihn zum schweigen zu bringen. Ein Wunder aber wahr, er verstummte augenblicklich. Ohne ein weiteres Wort rannte ich nach oben in mein Zimmer und schloss ab. Kurze Zeit später klopfte er gegen die Tür und versuchte mir zuzureden aber ich blieb stumm auf dem Bett sitzen.

,,Aura, komm schon. Sei nicht so stur!" Ein schriller Schrei entwich meiner Kehle. Erschrocken drehte ich mich zu Thomas um, der soeben durchs Fenster stieg. ,,Ey sag mal hast du sie noch alle? Wie bist du heut hochgekommen, verdammt?" ,,Die Hecke", antwortete er gelassen. ,,Aura bitte. Es tut mir leid! Ich hätte das nicht sagen dürfen. Ich war ein Idiot!" ,,Und was für einer!" ,,Ich weiß! Komm schon, lass mich mich entschuldigen. Komm mit mir. Du hattest recht. Du brauchst mehr Freiraum. Die Angst. Ich verstehe dich. Mir geht es nicht anders. Und deshalb fahren wir jetzt in den Urlaub!" ,,Urlaub?", fragte ich perplex. ,,Ja. Einfach drauf los. Quer durch's Land. Völlig egal wo hin. So lange du bei mir bist." Er kam langsam auf mich zu. Vorsichtig nahm er meine Hände in seine. ,,Selbst wenn, du kannst dich nirgends hin ohne Probleme zu bekommen." ,,Ach das klappt schon. Ich trage einfach eine dunkle Sonnenbrille und für's Hotel haben wir beide falsche Pässe. Übrigens wir heißen jetzt Hunter und Joline Parker. Für die Namen kannst du Dylan danken", grinste er. ,,Wieso sollte ich mitkommen?" ,,Weil es genau das ist was du willst!" Ja er hatte recht. Endlich konnte ich dem ganzen Mist entkommen. ,,Ach na schön. Was habe ich schon groß zu verlieren?"  

Die Angst der Schattengeister Where stories live. Discover now