Hanna

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Sechsundzwanzig Augenpaare richten sich auf mich.

"Nun, vielen Dank, dass Sie uns auch mit Ihrer Anwesenheit beehren, Miss Collins!"

Okay, entweder ich entschuldige mich und gehe brav zu meinem Platz, oder ich lockere die Situation mit einem witzigen Kommentar auf. Eh klar, was ich mache.

"Nichts zu danken, ich weiß es ist eine Ehre für alle, dass ich hier bin, doch sie brauchen nicht gleich auf die Knie fallen!"

Die ersten Lacher sind auf meiner Seite und ich stolziere, die Augen der verkniffen aussehenden Lehrerin im Rücken, zu meinem Platz.

"Autogramme gibt es später", meine ich noch, bevor ich mich auf den Stuhl fallen lasse. Spätestens jetzt haben alle angefangen zu kichern, die es vorhin nicht getan haben, doch ich will es mir nicht mit der Lehrerin versauen, weshalb ich ihr immer gespielt aufmerksam und interessiert zuhöre und auch immer, wenn ich drankomme, ziemlich oft übrigens, die richtige Antwort gebe. Gott sei Dank muss ich mich nicht dir der Klasse vorstellen, obwohl ich schon ziemlich viel Übung darin habe, doch unangenehm ist es trotzdem.

Meine Sitznachbarin redet kein Wort mit mir und ich nehme mir vor, mich nächstes Mal wo anders hinzusetzen, neben einem stummen Fisch will nicht einmal ich sitzen!

Die zweite Stunde verläuft dann viel besser, ich komme nicht zu spät und es sind auch ein paar aus meinem Kurs da. Natürlich setze ich mich ganz weit weg von dem komischen Mädchen, neben einen Jungen, der schon etwas freundlicher aussieht. Der Professor scheint ganz nett zu sein, obwohl sein Dreitagebart etwas ungepflegt aussieht. Naja, niemand ist perfekt, oder?

Beim Klingeln verlasse ich dann schnell die Klasse und unaufmerksam, wie ich bin, renne ich direkt in jemanden hinein der mir entgegen kommt, und wir beide lassen erschrocken unsere Sachen fallen.

"Tut mir echt leid, das wollte ich nicht!"

Die Röte schießt mir ins Gesicht, als ich die Barbie-Freundin von Ryan vor mir sehe. Sie funkelt mich wütend an und helfe ihr schnell ihre verstreuten Bücher aufzuheben. Eher gesagt, ich hebe sie auf und sie betrachtet mich dabei böse.

"Kannst du nicht aufpassen, du Freak?!"

Ist das ihr ernst? Fast hätte ich wütend laut aufgelacht. Wahrscheinlich denkt sie, nur weil ich eine zerrissene Jans trage und sie einen 100 Euro Rock, ist sie etwas besseres und kann so mit mir reden!

"Besser ein Freak, als eine Mode-Bitch, die zu achtzig Prozent aus Plastik besteht! Bei dir sind ja nicht einmal die Titten echt!"

Ein paar der Zuschauer, die um uns herum stehen, ziehen scharf die Luft ein, doch die meisten lachen. Niemand macht ein Geräusch, alle warten auf ihre Antwort. Bevor Barbie jedoch Luft holen und eine Gemeinheit zurück schleudern kann, drehe ich mich um, sodass meine Haare ihr ins Gesicht peitschen und stolziere davon. Wahrscheinlich habe ich mir soeben an meinem ersten Schultag eine Feindin gemacht, doch das war es wert!

In der Cafeteria folgen mir einige Blicke und ich sehe mich unschlüssig nach einem freien Platz um, an den ich mich mit meinen Spaghetti setzen kann. Ein Tisch, mit zwei Mädchen direkt neben dem Eingang sieht ganz okay aus, und ich stelle mein Tablett auf den leeren Platz.

"Ist hier noch frei?"

"Klar, setz dich!"

Das Mädchen gegenüber von mir grinst mich frech an. Ihre kurzen Haare stehen wild vom Kopf ab und ich schließe sie sofort ins Herz. Ihre Freundin hat langes, schwarzes Haar und lächelt mich freundlich an. Wie anscheinend alle hier, haben auch die beiden längst von meinem Streit mit Barbie 2.0 gehört und sie gratulieren mir freudig. Dann stellen sie sich als Kylie, die mit der Kurzhaarfrisur, und Stephanie vor. Wir quatschen ein wenig über die verschiedenen Lehrer und Steph erklärt mir gerade, wie ich zur nächsten Klasse komme, da verstummt sie und starrt auf etwas hinter mir. Langsam drehe ich mich um und blicke direkt in Ryans Gesicht. Neben ihm steht natürlich seine Freundin, die mich hasserfüllt anstarrt. Schnell stehe ich auf, um wenigstens fast auf Augenhöhe mit ihm zu sein und verschränke genervt die Arme vor der Brust.

"Was willst du?"

"Sie an, ist da etwa jemand schlecht gelaunt?"

Er sieht mich höhnisch an und ich wundere mich nicht mehr über seinen kalten Ton, anscheinend ist er wieder zum großkotzigem Arschloch geworden, das er auch schon im Zug gewesen ist.

"Nein bin ich nicht, mir ist nur übel geworden als ich dich gesehen habe", antworte ich mit zuckersüßer Stimme und er runzelt verärgert die Stirn.

"Hör zu, Han, ich bin hier, weil sie", er deutet auf Barbie, "mir gesagt hast, du hättest sie beleidigt!"

"Erstens nenn mich nicht Han, das dürfen nur meine Freunde! Und zweitens, sie hatte es verdient, alle Barbie Puppen haben jemanden, der ihnen die Wahrheit ins Gesicht sagt!"

Ryan sieht für eine Millisekunde amüsiert aus, dann verfinstert sich sein Gesicht wieder, wahrscheinlich war das nur eine Halluzination.

"Woher weißt du ihren Namen?!", kreischt Barbie.

"Jeder kennt ihn, die Bitch hat sich schon einen Ruf gemacht!"

Autsch. Das war fies. Er beugt sich vor, sodass ich seinen süßen Duft riechen kann.

"Komm mir noch einmal in die Quere, Han, und ich mache dich fertig!"

Okay, das geht zu weit! Niemand redet so mit mir!

Bevor ich vor ihm in Tränen ausbreche, gehe ich lieber vor Wut in die Luft. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, greife ich auf meinen Teller und schleudere ihm eine Hand voll Spaghetti ins Gesicht.



Black and WhiteWhere stories live. Discover now