Als er die Schmiede hinter sich gelassen hatte, verlangsamte er seinen Schritt. Er zögerte es hinaus, in der belebten Mitte des Dorfes anzukommen. Zwar war um diese Zeit bei weitem nicht mehr so viel los wie morgens, doch noch immer hielten sich genügend Menschen dort auf. Und es brauchte nur einer von ihnen das Mal sehen, dann war alles vorbei.

Marlon schaffte es tatsächlich, ohne großes Aufsehen an den Leuten vorbeizukommen. Kaum einer bemerkte seine Anwesenheit Es dauerte nicht lange, bis er den Bäcker erreichte. Obwohl der ihn beinahe wie jeden anderen Kunden behandelte, versuchte er, das Gespräch so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.

»Sag, wie geht es Olaf. Er kommt ja kaum noch aus der Schmiede gekrochen, lässt immer nur dich hierherkommen«, heuchelte der Bäcker Interesse

»Er ist nicht mehr so gut zu Fuß. Er ist bestimmt ganz froh, jemanden zu haben, der die Laufarbeiten für ihn macht.« Marlon packte das Brot in einen Sack und tat, als brauchte er dafür besonders lange, nur um den Bäcker keinesfalls in die Augen sehen zu müssen.

»Bestell ihm meine besten Wünsche«, sagte der, und obwohl er ziemlich ernst klang, glaubte Marlon ihm nicht. Wenn ihm so viel an Olaf lag, weshalb kaufte er seine Brotmesser niemals bei ihm?

Marlon nickte mit brummendem Geräusch und drehte sich dann um, um endlich zu gehen. Allerdings hielt ihn etwas auf. Er wusste nicht genau, warum er stehen blieb, bis er Hannah in der Ferne bemerkte. Er konnte sich noch nicht einmal erklären, wie sie es geschafft hatte, seinen Blick einzufangen, ohne überhaupt in seine Richtung zu sehen. Sie hatte ihm den Rücken zugekehrt und unterhielt sich mit Nelo. Sie gestikulierte wild, was ihrer zierlichen Erscheinung etwas Unnatürliches gab.

Marlon wusste nicht, was ihn vorantrieb. Er steuerte direkt auf Hannah zu, ohne zu wissen, was er sagen wollte. Er wollte sich nicht entschuldigen, sie nicht in die Arme schließen und auch nicht von ihr verabschieden.

Eigentlich reichte es ihm, sie aus der Ferne zu betrachten und sich den Geruch ihrer Haare und ihre sanften Hände auf seinen Wangen vorzustellen. Immerhin hatte er für sich selbst beschlossen, die Beziehung zu beenden.

Trotzdem ging er auf sie zu. Er legte sich keine Worte zurecht. Zum ersten Mal in seinem Leben überließ er es dem Zufall, was aus seinem Mund herausquoll, wenn er vor ihr stand. Er wollte sein Herz sprechen lassen, wenngleich er wusste, was es sagen würde.

Je näher er ihr kam, umso mehr beschleunigte sich sein Puls. Das Blut schoss ihm in den Kopf, die Arme und die Beine. Er war bereit für eine Flucht, selbst wenn er nicht vorhatte, wegzulaufen. Sein Bauch kribbelte vor Aufregung, aber das hielt ihn nicht ab. Seine Beine trugen ihn voran, ohne dass er sie kontrollieren konnte.

Mit den immer stärker werdenden Gefühlen häuften sich auch die Bilder vor seinem inneren Auge. Wieder plagte dieser Drache seine Gedanken. Mit gefletschten Zähnen und weit aufgerissenen Augen starrte er Marlon entgegen. Mit jedem Schritt wurde das Bild klarer, die Wirklichkeit verschwommener.

Anders als beim letzten Mal schien sich der Drache nun allerdings zu entfernen, je weiter Marlon ging. Er beschleunigte seinen Schritt in der Hoffnung, das Bild verblasste irgendwann, doch die Kopfschmerzen wurden nur schlimmer.

Marlon nahm verzerrte Stimmen wahr. Wieder verstand er nichts von dem, was sie ihm sagten. Sie wirkten verzweifelt und hilflos, nahezu panisch. Der Klang der Geräusche war beinahe unerträglich und er hielt die Hände an die Ohren, um zumindest die äußeren Einflüsse zu verringern. Aber das Gewirr aus Realität und Vorstellung war schwer zu trennen. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen. Er musste seine Gedanken sortieren und irgendwie die Eindrücke, die ihn überfluteten, ordnen. Er versuchte, die Bilder und Schmerzen in den Griff zu bekommen und atmete tief durch, bevor er die Augen öffnete und weitergehen wollte.

Der GezeichneteWhere stories live. Discover now