Kapitel 18

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Kapitel 18

Midael wartete geduldig auf die Ankunft des mächtigen Engels aus der Zeit des Anbeginns. Gabriels Anweisungen befolgend hatte er eine Elite aus seinen Streitkräften ausgewählt, die im Falle eines Angriffs eine direkte Konfrontation mit dem Größten Verräter selbst suchen sollten, um diesen möglichst schnell auszubremsen oder gar unschädlich zu machen. Doch Midael wusste, dass es ein erfolgloses Unterfangen werden würde.

Eine Gruppe junger Rekruten marschierte noch etwas ungelenk auf Befehl ihres Generals auf dem Innenhof der Militärakademie auf. Midael beobachtete sie einige Minuten, bis plötzlich das große Tor der Akademie aufschwangen, vollkommen lautlos, wie von einer unsichtbaren Kraft geführt. Augenblicklich erstarrten sämtliche Anwesenden in der Bewegung und starrten stumm zum Tor.

Ein erhabener, altersloser Mann stand dort, die silbergrauen Haare hingen in mehreren geflochtenen Zöpfen an seinem schmalen Körper herab. Aus seinem Rücken ragten insgesamt sechs Flügel in drei Paaren, jedes davon in einem anderen Farbspektrum. Blaues, gelbes und rotes Licht umspielte Metatron, als er majestätisch über den Innenhof schritt, um vor Midael stehen zu bleiben. Der Heerführer betrachtete den mächtigen Engel vor ihm und sah direkt in dessen ruhige Augen. Im endlosen Dunkelblau der Regenbogenhaut war keine Pupille zu erkennen, was es Midael unmöglich machte, herauszufinden, wohin der Engel blickte. Schließlich verbeugte sich Metatron.

„Midael", sagte er nur.

„Metatron, welche Ehre, Euch zu treffen", erwiderte der Heerführer höflich.

„Der Herr wies mich an, mich Eurer Truppe Auserwählter anzuschließen, um dem Himmel ein weiteres Mal zu dienen."

Seine Flügel schimmerten in buntem Licht, das sich nun ein wenig zu verdunkeln schien. Natürlich lagen sämtliche Blicke auf dieser Gestalt, die selbst einem Engel überirdisch erscheinen musste. Midael neigte respektvoll den Kopf. Metatron strahlte selbst auf einen halben Meter Entfernung eine angenehme Wärme aus, die den Heerführer schaudern ließ. Die pupillenlosen Augen schienen nun die Akademie zu betrachten.

Ein Raunen lief durch die Menge der Rekruten, bevor sie sich wieder ihrem Training widmeten. Midael erbot sich hastig, dem uralten Engel sein Quartier zu zeigen, das sich wie bei den übrigen Mitgliedern des Spezialtrupps direkt in der Militärakademie befand. Metatron folgte ihm schweigend und weiterhin schimmernd. Sämtliche Engel, die ihnen auf den Gängen begegneten, drehten sich zu Metatron um, der sich aber nicht darum zu kümmern schien. Seine sechs leuchtenden Flügel streiften ab und an die Wände, da sie deutlich breiter waren als die der gewöhnlichen Engel.

Das Quartier erschien Midael plötzlich zu schäbig für einen erhabenen Engel wie Metatron. Unsicher sah er zu diesem, doch Metatrons Gesicht – und natürlich auch Augen – blieb unbewegt.

„Dürfte ich Euch eine Frage stellen?", erkundigte er sich vorsichtig und deutete eine Verbeugung an, als Metatron an ihm vorbei ins Zimmer trat.

„Ihr dürfte jede Frage stellen, doch erwartet nicht, dass ich Euch auch auf jede antworten werde", gab Metatron gelassen zurück und sah Midael erwartungsvoll an – zumindest glaubte Midael das, die Augen, die nur aus Iris zu bestehen schienen, waren für ihn undurchdringlich.

„Ähm... danke", murmelte Midael ein wenig verwirrt. „Ihr seid einer der Engel aus der Zeit des Anbeginns. Ihr seid von Gott persönlich geschaffen worden und gehört zu den Begründern unserer Rasse."

Metatron nickte.

„Das ist wahr."

„Ihr wirkt so erhaben und stark – und ich kann mir nicht vorstellen, was Euch damals in die Tiefen des Himmels gezwungen haben könnte; aber sind alle Engel aus der Zeit des Anbeginns so?"

LUCIFER - The Fallen AngelWhere stories live. Discover now