Kapitel 2 (+Trailer!)

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Das sogenannte Casting nahm mehr Zeit in Anspruch, als ich erwartete. Anscheinend hatte jedes Mädchen aus Kent beschlossen, heute so früh wie möglich zum Provinz Service Büro zu strömen. Und das Ergebnis dieses Entschlusses war eine Schlange, die mit Sicherheit länger als eine Meile war.

Zu meinem Glück hörte ich jemanden von vorne meinen Namen rufen.

Ich blickte auf und sah in einiger Entfernung einen Haarschopf, bestehend aus blonden Engelslocken. Natürlich war es niemand anderes als Adira, meine beste und einzige Freundin.

In Illéa gab es nur für Sechsen und Sieben richtige Schulen, in denen man als Klasse zusammen saß. Alle, die besser dran waren, bekamen Privatunterricht. Einerseits war es natürlich gut - wir wurden besser gebildet und der Unterricht war auf uns ausgerichtet. Andererseits gab es ansonsten wenige Möglichkeiten Leute kennen zu lernen, besonders wenn man ohnehin völlig ausgelastet war.

Adira war die Tochter einer guten Freundin meiner Mutter. Eine Zwei.

"Komm her." rief Adira mit ihren gewohnt zärtlichen, leichten Stimme.

Ich schüttelte meinen Kopf, auch wenn ich ihrem Vorschlag gerne nachgekommen wäre. Aber das wäre den anderen gegenüber nicht gerecht gewesen.

Sie rollte mit den Augen und bevor ich irgendwas dagegen tuen konnte, stand sie neben mir.

"Was machst du denn da?" obwohl ich wirklich verwirrt von ihrer Aktion war - sie hatte sich schließlich freiwillig wieder nach hinten gestellt - konnte ich ein Grinsen nicht unterdrücken.

Sie war wirklich unersetzbar.

"Wenn ich mich da vorne alleine langweile, kommt mir die Zeit ohnehin länger vor, als wenn ich sie hier mit dir verbringe." Adira zog mich in eine warme Umarmung und wisperte mir dann ins Ohr: "Ich hätte dich hier nicht erwartet."

Am liebsten würde ich ihr von Mums Krankheit erzählen und davon, dass ich nur hier war, um schnellstmöglich Geld für ihre Behandlung aufzutreiben. Doch ich hatte Mum versprochen jetzt noch niemandem davon zu erzählen. Noch glaubte sie daran, dass sie es ohne die Hilfe anderer wieder auf die Beine schaffen würde.

Ich versuchte zu lächeln, aber es sah vermutlich bloß wie eine schreckliche Grimasse aus. Keine Sekunde später spürte ich, wie mir Tränen in die Augen schossen.

"Naja es geht schließlich um den Prinzen." sagte ich rasch, wischte mit meinem Handrücken über meine Wangen und schluckte die Tränen hinunter.

"Oh das stimmt." auf einmal glitten Adiras hellblaue Augen in die Ferne.

Sie hatte mir schon oft davon erzählt, wie gut der Prinz doch aussah und wie lieb zu sein schien. An manchen Tagen konnte sie gar nicht aufhören von ihm zu schwärmen. Es war schon fast eine Schande, dass ich - als ihre beste Freundin - noch nicht einmal wusste, wie er mittlerweile aussah.

Als Dad vor sieben Jahren verstarb, waren Mum und ich auf uns alleine gestellt. Und damit kam auch schnell der finanzielle Zusammenbruch. Damals hatte Mum beschlossen unseren Fernseher zu verkaufen, um ein wenig Geld aufzutreiben. Seitdem habe ich die Königsfamilie nicht gesehen.

"Ria!" ich fuchtelte wild mit meinen Händen vor dem Gesicht meiner besten Freundin herum, um sie aus ihrem Tagtraum zu reißen.

"'tschuldige." sofort richtete sie ihren Blick wieder auf mich. "Ich habe mir grad nur vorgestellt, wie schön es doch wäre, Prinz Aramis persönlich zu treffen."

"Das wirst du bestimmt. Schau dich doch an, wenn du nicht das hübscheste Mädchen der Welt bist, dann weiß ich auch nicht!"

Erst jetzt fiel mir auf, wie klein die Wahrscheinlichkeit dafür war, dass ich tatsächlich unter den 35 Mädchen gelangen könnte, die in den Palast ziehen durften.

Ich ließ meinen Blick umherschweifen und blickte in hunderte wunderschöne Gesichter - die meisten von ihnen perfekt geschminkt. Wie konnte ich da mithalten?

"Sei nicht albern." Adira schaute etwas verlegen zur Seite. Es war mir schon immer ein Geheimnis gewesen, wie sie sich ihrer umwerfenden Schönheit einfach nicht bewusst sein konnte.

Mit Adira zusammen verging die Zeit viel schneller und es dauerte nicht lange bis ich an der Reihe war. Meine Knie zitterten leicht, mein Herz pochte etwas schneller als gewöhnlich.

Eine ältere Dame mit kurzen, tadellos gelegten Haaren nahm meine Anmeldung entgegen und wies mich zu meinem Stuhl, der vor einer weißen Wand stand. Dort sollte ein Foto von mir gemacht werden.

Natürlich. Es wäre viel zu riskant für die Regierung, die 35 teilnehmenden Mädchen wirklich per Zufall auszuwählen. Natürlich musste die zukünftige Prinzessin von Illéa fantastisch aussehen.

Ich hatte keine Chance. Warum war ich eigentlich noch hier?

"Hey!" ein junger Mann mit einer Brille kam auf mich zu. "Ich bin Mike, ich mach schnell ein Foto von dir für die Bewerbung und dann kannst du auch abhaun."

Er streckte seine Hand aus und ich schüttelte sie.

"Und du sollst bitte lächeln, sonst muss ich dich länger hier behalten." sagte er, zwinkerte mir zu und verbarg sein Gesicht dann hinter einer großen Kamera.

Ich schloss die Augen und atmete tief ein. Beim Ausatmen ließ ich gleichzeitig alle Sorgen von mir fallen. Ich befand mich im Hier und Jetzt. Und es war angenehm. Auf keinen Fall perfekt, aber ich war in viel schlimmeren Situationen gewesen.

Gerade als ich die Augen wieder öffnete und lächelte, hörte ich das leise Klicken der Kamera.

"Dankeschön, das ist sehr hübsch geworden." Mike lächelte mich aufmunternd an. Ich nickte ihm entgegen und sprang vom Stuhl.

"Tschüss."

"Ciao." er winkte mir flüchtig zu, dann huschte ich durch die Tür wieder an die frische Luft.

Wie dumm es von mir gewesen war, auch nur zu hoffen, dass ich eine Chance hatte. Wie dumm es von mir gewesen war, Mum diese Hoffnung zu geben. Wie dumm es gewesen war, so unüberlegt herzulaufen.

Das hier war ganz bestimmt nicht meine Liga.

Mit Tränen in den Augen machte ich mich auf den Weg zur Arbeit. Dort würde ich mit Sicherheit den kleinen Hoffnungsschimmer in mir auslöschen und mich wieder etwas beruhigen können.

Selection: Die HoffnungNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ