Ich wachte viel später auf, als ich es gewohnt war. Das erste, was ich spürte, war der Geschmack von Metall im Mund, trocken und bitter. Mein Kopf hämmerte, mein Magen war leer und trotzdem angespannt. Einen Moment lang wusste ich nicht, wo ich war - dann roch ich den vertrauten Duft von Kaffee und frisch gebratenem Menemen.
Abus Wohnung.
Die Sonne fiel schräg durch die weißen Gardinen, warmes Licht lag auf den Möbeln. Ich richtete mich langsam auf, jede Bewegung schwer, als würde mein Körper gegen mich arbeiten. Ich trug noch immer das dunkelrote Outfit von gestern, nur die Schuhe hatte mir wohl jemand ausgezogen. Neben dem Sofa lag eine gefaltete Decke, ordentlich hingelegt. Abu.
Ich ging ins Bad, wusch mir das Gesicht, band meine Haare grob zu einem Zopf. Im Spiegel sah ich aus, als hätte ich drei Nächte nicht geschlafen. Blass, Augenringe, aber irgendwie auch weicher.
Als ich in die Küche trat, war es warm und voller Stimmen.
Abu stand am Herd, Pfanne in der Hand, die pinke Cap verkehrt herum auf dem Kopf. Er drehte sich halb zu mir um, grinste müde.
„Guten Morgen, Schlafmütze."
Am Tisch saßen RB und Can. Beide mit müden Gesichtern, aber wach genug, um mich sofort im Blick zu haben. RB sah mich an, so intensiv, dass es fast wehtat. Kein Wort, nur dieser Blick. Can dagegen hob einfach die Hand, grinste schief:
„Da ist ja unser Sonnenschein wieder."
Der Tisch war vollgestellt. Menemen dampfte, es gab Oliven, Fladenbrot, Käse, schwarzen Tee in kleinen Gläsern. Die Teller waren durcheinander, ein bisschen Chaos, aber warmes Chaos.
Ich setzte mich langsam auf den freien Stuhl zwischen RB und Can. Mein Körper fühlte sich schwach an, aber die Wärme des Raumes trug mich. Abu stellte mir sofort einen Teller hin, dazu ein Glas Tee.
„Iss was, dann geht's dir besser."
Ich nickte, nahm ein Stück Brot, tunkte es ins Ei. Es schmeckte nach Zuhause, nach Ruhe.
RB legte plötzlich seine Hand auf meinen Unterarm. Schwer, ernst.
„Geht's dir gut?" Seine Stimme war rau, tiefer als sonst.
Ich sah ihn an. Wollte „Ja" sagen, aber brachte nur ein schwaches „Bisschen" raus.
Er nickte langsam, zog die Hand zurück, als wüsste er, dass jedes Wort zu viel sein könnte.
Can versuchte, die Stimmung zu retten. Er schob mir eine Schale mit Oliven rüber und zwinkerte:
„Wenn du nach gestern noch lachen kannst, bist du stärker als die meisten, die ich kenne."
Ich musste ein kleines Lächeln zulassen. „Ich hab's ja überlebt."
„Überlebt?" RBs Stimme schnitt wie ein Messer durch die Luft. „Wallah, Rafi, das war kein Spaß gestern. Die haben dir weiß Gott was ins Glas getan. Hättest auch nicht aufwachen können."
Stille. Nur das Brutzeln in der Pfanne.
Abu stellte die Pfanne ab, drehte sich um und sah RB scharf an. „Bruder, chill. Sie braucht das jetzt nicht."
RBs Kiefer mahlte. „Chillen? Die Kleine hätte fast-"
„Ridvan." Abus Stimme war fest. „Später. Nicht jetzt. Nicht vor ihr."
Ich starrte auf meinen Teller, kämpfte gegen den Kloß im Hals. Es war nicht nur das, was sie sagten - sondern, dass sie überhaupt so redeten. Mit dieser Schwere, mit dieser Angst.
Can griff nach meinem Glas, füllte es nach. „Trink Tee, Rafi. Alles andere machen wir."
In diesem Moment fühlte ich es noch mehr als gestern:
Egal wie kaputt diese Jungs waren, egal was sie draußen machten - hier, am Tisch, in dieser Küche, war ich sicher.
Es war nicht perfekt.
Aber es war Familie.
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RAFIQA | abuglitsch
Fanfiction„𝗨𝗻𝗱 𝘄𝗲𝗶𝗹 𝗱𝗶𝗲 𝗪𝗮𝗵𝗿𝗵𝗲𝗶𝘁 𝗴𝗲𝗳ä𝗵𝗿𝗹𝗶𝗰𝗵 𝗶𝘀𝘁,"𝗳ü𝗴𝘁𝗲 𝗲𝗿 𝗹𝗲𝗶𝘀𝗲 𝗵𝗶𝗻𝘇𝘂,„𝗮𝗯𝗲𝗿 𝗨𝗻𝘄𝗶𝘀𝘀𝗲𝗻...𝗸𝗮𝗻𝗻 𝘁ö𝗱𝗹𝗶𝗰𝗵 𝘀𝗲𝗶𝗻." Rafiqa wächst in Kreuzberg zwischen Altbauten, Beats und bröckelnden Träumen auf...
