29.Kapitel

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Meine Geburtstagsfeier wurde genauso wie ich es erwartet hatte. Laut, mit vielen Menschen, darunter einige, die ich noch nie zuvor gesehen hatte oder an die ich mich einfach nicht mehr erinnern konnte.

Ohne auch nur einmal zu murren, ließ ich alles über mich ergehen. Und mich mit ekelhaft süßer Sahnetorte vollstopfen. Den einzigen Wunsch den ich geäußert hatte war, dass Charlotte neben mir sitzen würde. Doch leider hatte man mir diesen einen Wunsch nicht erfüllt.

Die Feier fand im großen Park vor Highclere Castle statt. Und das Wetter war so himmlisch wie man es in England nur selten sah. Die Sonne schien und der Himmel war blau und wolkenlos.

Meine Gäste und ich saßen an den alten weißen Tischen unter großen weißen Sonnenschirmen. Von den Dienern wurde Tee und Kuchen serviert und ein kleines Orchester spielte im Hintergrund beruhigende Musik. Insgesamt erinnerte mich die ganze Szenerie an die Gartenpartys aus vergangenen Zeiten. Die Ähnlichkeit war so vollkommen, dass ich vermutete, dass meine Tochter diese Feste als Vorlage genommen hatte. Da ich ihr oft davon vorgeschwärmt hatte, als sie noch ein Kind war.

Nach dem Essen zerstreute sich die Gesellschaft wieder und plötzlich saß ich ganz alleine an meinem Tisch. Alle schlenderten auf dem Rasen umher oder unterhielten sich in Grüppchen.

Ich beobachtete wie Charlotte einige Meter entfernt auf dem Rasen stand. Sie unterhielt sich mit einem jungen Mann, den ich vorher noch nie gesehen hatte. Glücklich lächelte ich, denn ich war froh, dass Charlotte glücklich war.

Als sie sah, dass ich ganz verlassen am Tisch saß, kam sie mit ihrer Begleitung auf mich zu und ließ sich auf dem freien Platz neben mir nieder. "Stellst du mir noch deinen Begleiter vor?" Fragte ich und musterte den jungen neugierig. Er war etwa in Charlottes Alter und machte einen sympathischen Eindruck.
"Das ist Charles, einer der Söhne unserer Nachbarn. Er würde dir auch gerne etwas zu hören" plapperte Charlotte aufgeregt. Ich bezweifelte, dass er um der Geschichte willen zuhören wollte. Sondern ich nahm an, dass er die Aufmerksamkeit meiner Enkelin bekommen wollte.

Trotzdem fuhr ich in meiner Erzählung fort. Obwohl ich mich durch die Anwesenheit eines Fremden etwas gehemmt fühlte.

"Die Lady hielt ihr Wort. Am Nachmittag rief sie mich zu sich. "Heute wirst du lernen, dich angemessen zu bewegen, zu setzen und wieder aufzustehen..." Ich dachte mir, dass das ja nicht allzu schwer sein könnte. Doch ich hatte mich geirrt.

Mehrere Stunden musste ich vor der Dame in dem kleinen Zimmer auf und ab laufen, bis sie zufrieden war. Und immer wieder hatte sie etwas auszusetzen. Mal stand ich nicht gerade genug, hielt das Kinn nicht in der richtigen Höhe oder hob die Füße zu wenig.

Das sitzen und aufstehen erwies sich als nicht viel einfacher.

Erst kurz vor dem Dinner wurde ich entlassen. Ich war todmüde und erschöpft, doch ich hatte noch einen ganzen Berg Arbeit zu erledigen.

So oft es ging rief mich die Lady zu sich um mir alles beizubringen, was mir in meinem zukünftigen Leben von Nutzen sein könnte.

Es dauerte nicht lange, bis ich richtig essen konnte, alle modernen Tänze beherrschte, die Umgangsformen selbstverständlich beachtete und den unter den Herrschaften beliebten Smalltalk beherrschte.

Die Lady unterrichtete mich nicht immer allein, sondern manchmal assistierte ihr auch ihre Mutter.

Ich muss zugeben, dass dies für mich keine schlechte Zeit war, trotz des Krieges. Denn ich war schon immer wissensdurstig und endlich wurde dieser Durst gestillt. Außerdem kam ich dadurch einer Zukunft mit George näher.

Das einzige was mir damals Sorgen bereitete war George. Seine Briefe trafen oft sehr spät ein. Manchmal sogar Wochen oder Monate später. Jeden Tag hatte ich Angst, dass ihm etwas zustoßen könnte.
An einem regnerischen Tag ungefähr zwei Monate nach Georges letztem Brief saßen die Lady und ich gemeinsam in ihrem Zimmer und tranken Tee.

"Hast du Nachrichten von George" fragte sie plötzlich nach einer langen Phase des Schweigens.
Ich schüttelte traurig den Kopf, "nein leider nicht."

Es klopfte an der Tür... Sofort wurde die Lady blass wie ein Blatt Papier."

Lady Bentley von Highclere Castle Teil IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt