19.Kapitel

2K 131 3
                                    

Während der nächsten Monate, wartete ich jeden Tag darauf, dass mich Lord Bentley aus dem Haus jagen würde. Doch nichts dergleichen geschah.
Aber es war trotzdem keine Ereignislose Zeit, denn die Zeitungen waren voll mit einer Nachricht.

Trohnfolger ermordet, so oder so ähnlich lautete die Schlagzeile fast jeder Zeitung. Denn am 28.Juni 1914 wurde der Österreich Ungarische Trohnfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin, deren Namen ich vergessen habe bei einem Besuch in Sarajevo ermordet.

Während in der Welt eine ernsthafte politische Krise entbrannte wurde auf Highclere Castle eifrig die Hochzeit von Lord George und Miss Ashton geplant...

Die Hochzeit sollte ganz entgegen der Sitte auf Highclere Castle stattfinden."

"Was ist daran entgegen der Sitte" unterbrach Charlotte mich. Ich warf ihr einen Blick zu, der sagen sollte, ist das nicht offensichtlich?
"Es war die Sitte, dass Hochzeiten immer dort ausgerichtet wurden, wo die Braut lebte" erklärte ich ihr rasch.

"Dass die Hochzeit auf Highclere stattfand bedeutete für uns Dienstboten nur noch mehr Arbeit.

Wir mussten das Haus reinigen und dekorieren, das Essen kochen und natürlich viele Gästezimmer herrichten. Denn Miss Ashton hatte eine sehr große Familie.
"Ich verstehe nicht, warum wir das Fest ausrichten müssen" beschwerte sich die Kammerzofe der Lady lautstark. Und das Küchenmädchen stimmte mit in ihr gemecker ein: "genau, eigentlich wäre es deren Aufgabe nicht unsere!"

Missgelaunt betrat die Köchin die Dienstbotenstube. "Was glaubst du was du hier machst" keifte sie. Das Mädchen zuckte mit den Schultern. "Jetzt scher dich in die Küche und bereite die Füllung für den Braten vor."

Während unseres Mittagessens, welches immer um elf Uhr stattfand trat Lord Bentley in unsere Stube. "Ich muss ihnen eine sehr unerfreuliche Nachricht übermitteln, Deutschland und Österreich-Ungarn haben Russland und Frankreich den Krieg erklärt. Aber bitte sein sie nicht zu beunruhigt. Denn Großbritannien ist und wird diesem Krieg nach dem derzeitigen Stand nicht beitreten."
Nach diesen Worten verließ er uns rasch wieder und zwischen uns Angestellten entflammte eine hitzige Diskussion.

George und ich sahen uns immer seltener. Und nach einer Weile wagte ich mich nicht mehr zu fragen, wann er es endlich seiner Familie sagen wollte. Denn ich wusste, dass die Antwort für mich immer enttäuschend ausfallen würde.
Je näher die Hochzeit rückte, umso trauriger wurde George.

Wir trafen uns noch einmal am Abend vor seinem großen Tag, wie seine Familie dieses Ereignis bezeichnete.
Auf mich wirkte dieses Treffen beinahe wie ein Anschied. Denn ich war mir nicht sicher, wie fest George noch an sein Versprechen mir gegenüber hielt.
Die alte Mauer mit dem alten Torbogen, an dem wir uns immer trafen, sah noch immer unverändert aus. So wild, unerschütterlich und gleichzeitig auch romantisch. Wir sprachen kaum... Ich hätte sowieso nicht gewusst, was ich sagen sollte. Stattdessen lagen wir im Schatten der Mauer im hohen Gras. Er hielt mich in seinen starken Armen und mein Kopf lag auf seiner Brust, sodass ich seinen Herzschlag spüren konnte.
"Ich werde Miss Ashton niemals heiraten" flüsterte er und strich sanft über meine Haare, "das verspreche ich dir."
"Wirst du deiner Familie die Wahrheit sagen" fragte ich die Frage, die mich am meisten bedrückte.

"Ja" murmelte er, "aber ich werde nicht zulassen, dass du deine Stellung verlierst." Dankbar nickte ich.

Am 4.August 1914, dem Tag der Hochzeit musste ich sehr früh aufstehen. Denn ich sollte nicht nur Lady Violette aufwarten, sondern auch Miss Ashton zurecht machen.
Dies war eine der qualvollsten Aufgaben, die sie mir zumuten konnten. Doch ich durfte kein Wort dagegen einwenden.

Auch wenn ich unglücklich war, weil Miss Ashton den Mann heiraten würde, den ich über alles liebte gab ich mir besonders viel mühe mit ihrer Frisur, dem Make-up und ihrem Kleid.
Und ich muss zugeben, dass sie wunderschön aussah. Ihre langen, dunklen und sehr voluminösen Haare hatte ich kunstvoll auf ihrem Kopf festgesteckt. Ihr Gesicht hatte eine vornehme Blässe und wirkte sehr einschüchternd und aristokratisch.
Das Kleid, welches sie trug, war aus einem fließenden, weisen Stoff, der mit feinen und sehr kostbaren Spitzen besetzt war.

Sie war furchtbar nervös, und hatte das Gefühl, dass etwas nicht richtig war...."

"Natürlich war etwas nicht richtig" rief Charlotte empört. Ich nickte, "doch das konnte sie ja nicht wissen."
"Was, wenn sie es geahnt hatte" fragte Charlotte und strich sich ihre langen Haare aus dem Gesicht.

"Ich glaube nicht, dass sie es geahnt hat. Oder zumindest hoffe ich das. Sie war eine der wunderschönsten Bräute, die Highclere je gesehen hatte. Und als ich sie so ansah, beschlich mich das Gefühl, dass sie viel besser zu George passte als ich.

Es war uns Bediensteten gestattet mit in die Kirche zu kommen. Allerdings fuhren wir nicht wie die Herrschaften in Kutschen und Automobilen, sondern liefen zu Fuß.
Während des Fußmarsches dachte ich über George nach und über das, was er mir gestern im Park gesagt hatte. Eigentlich war er einer der Männer, die zu ihrem Wort standen. Doch ich war mir nicht sicher, ob er die Hochzeit nun noch platzen lassen könnte.

Die Kirche des kleinen Dorfes war sehr alt aber wunderschön. Sie wirkte schutzbietend wie ein Fels in der Brandung.
Als wir eintrafen saßen die feinen Ladys und Lords bereits auf ihren Plätzen in den ersten Reihen. George stand vorne am Altar zusammen mit dem kleinen, alten und gutmütigen Pfarrer.

Von festlicher Musik begleitet betrat Miss Ashton, geführt von ihrem Vater die Kirche. Dabei sah sie so wunderschön und vollkommen aus, dass mir die Tränen kamen. Und je näher sie dem Altar kamen umso mehr Tränen liefen über mein Gesicht.

Die Hochzeit war vollkommen perfekt. Alles wirkte makellos und aufeinander abgestimmt.

Noch mehr Tränen flossen mir aus den Augen, als der Pfarrer fragte: "willst du George Bentley die hier anwesende Miss Sahra Ashton lieben und ehren in guten wie in schlechten Zeiten bis das der Tod euch scheidet?"

"Nein..."

Lady Bentley von Highclere Castle Teil IWhere stories live. Discover now